Die Linie 40 beginnt und endet zwischen dem Kongresspalast und der Ausländerbehörde. | Ingo Thor

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Es ist eine Gegend, die man sonst aus einem öffentlichen Verkehrsmittel heraus mit so einer Eindringlichkeit nicht zu Gesicht bekommt: Das sogenannte Eixample ("Erweiterung" der Innenstadt), wie die dicht besiedelten Viertel zwischen dem Altstadtring Avenidas und der Umgehungsautobahn um Palma round about genannt werden, ist ein Gewirr aus teils engen Straßenschluchten. Plaza de Toros, Arxiduc oder S’Escorxador heißen die „Barrios”, sie sind teils erdverbunden bis gutbürgerlich, teils sogar hipsterkompatibel.

Und sie können jetzt fast zur Gänze mit der neuesten EMT-Buslinie der Stadt durchfahren werden, der „Línea Transversal” Nummer 40 zwischen der Plaza Progreso mit der erfrischend trutschigen, noch immer nicht geschlossenen Retro-Tankstelle und dem Palau de Congressos, dem riesigen Kongress-Palast. Wie alle Stadt- und auch Überlandlinien und die Züge können die Gefährte der neuen Verbindung seit Neujahr kostenlos von Palma-Residenten benutzt werden.

Und so klingt das Einlassgeräusch an dem Gerät, auf das man seine Bürgerkarte legen muss, irgendwie besonders melodiös, wenn man im durchgentrifizierten Santa-Catalina-Viertel den Bus betritt. Er ist nicht voll, weil vielleicht noch nicht allzu bekannt. Am Riera-Sturzbach geht es vorbei, bis man das erste von mehreren emblematischen Bauwerken in Palma zu Gesicht bekommt, die Ende des 19. Jahrhunderts errichteten, irgendwie prächtig wirkenden Schulgebäude namens „Instituts”. Wenn die schrägstehende Sonne sie nachmittags anstrahlt, wirken sie besonders beeindruckend. Das zweite Highlight – die Plaza Paris nebst dem ehemaligen Schlachthof S’Escorxador – folgt nach wenigen Minuten. An der Guillem-Colom-Straße ragen links und rechts hohe Wohngebäude empor, auf dem Bürgersteig auf der Höhe des unter Nachtschwärmern angesagten Maraca-Clubs defiliert eine angejahrte Passantin mit einem kleinen weißen Pudel, während gegenüber ein untersetzter Halbglatzenträger ein Baguettebrot nach Hause trägt.

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Eine ältere Dame sitzt auch vor dem MM-Emissär im Bus Nummer 40. „Es ist schön, dass wir hier jetzt verkehrstechnisch gut angebunden sind”, sagt sie frohgemut auf Spanisch mit stark mallorquinischem Akzent. „Man tut etwas für uns.” Die Frau entsteigt dem modernen Fahrzeug nahe der Stierkampfarena Plaza de Toros, der dritten Sehenswürdigkeit an der Route. Die dort verlaufende Gaspar-Bennazar-Straße ist eine veritable Allee in authentisch-spanisch daherkommender Umgebung, die von Touristen so gut wie gar nicht betreten wird, aber ein relativ sicheres, weil von Mittelständlern bewohntes Pflaster ist.

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Blick auf Palmas Stierkampfarena.

Wenig später fährt der Bus am Ses-Estacions-Park vorbei. Unter diesem weitflächigen Grün-Gelände befindet sich bekanntlich der famose Bus- und Zugbahnhof der Stadt, die Estación Intermodal. Wer als Mallorca-Resident gemeldet ist, kann dort in einem Büro nach Vorlage eines Ausweises und einer Meldebescheinigung kostenlos eine TIB-Karte bekommen. Das ganze Jahr über darf er nach dem Willen der Balearen-Regierung dann gratis in Überlandbussen und Zügen fahren. Die Bürgerkarte für die Gratis-EMT-Busse kann im Büro am Innenstadtring Avenidas erworben werden.

Lässt man den Parc de Ses Estacions hinter sich, ändert sich die Art des Stadtlebens spürbar. Der Grund dafür ist, dass der Bus Nummer 40 das Multikulti-Viertel Pere Garau durchfährt. Rund um die Plaza de las Columnas und den berühmten Markt – eine weitere Sehenswürdigkeit – geht es viel quirliger als in den anderen Gegenden zu. Menschen sitzen auf Barterrassen oder verlassen chinesische Läden, es wird palavert und gestikuliert. Aus dem fast leeren Bus lässt sich der Trubel gelassen zur Kenntnis nehmen.

Wenn das Gefährt dann auf die breite Avenida Manuel Azaña einbiegt und am rechteckigen Krekovic-Park und dem Hauptquartier der Guardia Civil vorbeifährt, befindet man sich auf einmal in dem mit vielen Hochhaus-Neubauten zugepflasterten Nou-Llevant-Viertel. Dort entstehen seit Jahren Blöcke für solvente, komfortgewohnte Bewohner. Der Bus fährt schnurgeradeaus, weit hinten blitzt erstmals das Meer unter der strahlenden Sonne auf. Und dann liegt er auf einmal da, der riesige Kongresspalast. Länglich wie ein schlafendes Walross markiert diese Zierde des Palma-Meeresufers das Ende einer mehr als halbstündigen Fahrt durch nicht jedem geläufige Ecken der Balearen-Kapitale. Ja, das transversale Gratis-Buserlebnis war fürwahr interessant!