Meer und Unterwasserwelt

Klimawandel, Schmutz, Hitze: Wie es um das Meer vor Mallorca wirklich bestellt ist

Ein neues Umweltgutachten gibt jetzt Aufschluss über die Wasserqualität vor der Insel – und zeichnet auch ein Bild für die Zukunft der See, die die Balearen umspült

Mallorcas Küste ist wegen des klaren Wassers bei Tauchern und Schnorchlern beliebt. | Archiv

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Die wohl folgenreichste Entwicklung, die sich derzeit im Mittelmeer rund um die balearischen Inseln abspielt, ist der Klimawandel. Der wichtigste Parameter dabei ist die Meerestemperatur. Dem Informe Mar Balear zufolge erwärmt sich das Mittelmeer dabei schneller als der globale Durchschnitt. „Im Balearenmeer hat sich das Oberflächenwasser in den letzten 42 Jahren um 1,6 Grad erwärmt”, heißt es. Das gehe aus den Daten des Küstenbeobachtungs- und Vorhersagesystems der Balearen (ICTS SOCIB) hervor.

„Mit dem Anstieg der globalen Temperatur geht auch ein Anstieg des Meeresspiegels einher. Im westlichen Mittelmeerraum betrug dieser Anstieg in den letzten 139 Jahren 18,5 Zentimeter.” Der Anstieg habe sich in den vergangenen Jahrzehnten beschleunigt und könnte bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen 55,2 und 76,5 Zentimeter betragen. Das würde dazu führen, dass die Strände auf den Balearen um sieben bis 50 Meter schrumpfen und sich ihre Fläche um die Hälfte verringert.

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Wissenschaftler bei der Messung der Meerestemperatur. Diese steigt im Mittelmeer besonders stark.

Auswirkungen auch auf marine Lebensräume

Auch auf die marinen Lebensräume und Arten hat der Temperaturanstieg Auswirkungen. So sei ein Massensterben von Korallen zu beobachten. Die Population der Farbwechselnden Gorgonie etwa sei in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Die Korallenart kann in flacheren Gewässern gar nicht mehr leben und kommt daher nur noch in größeren Tiefen vor. Die Bambuskoralle wiederum ist im Balearenmeer ernsthaft vom Aussterben bedroht. Auch auf das Verhalten der Meeresschildkröte wirkt sich der Klimawandel offenbar aus.

So tauchten zuletzt immer wieder Nester der Unechten Karettschildkröte an balearischen Stränden auf, was eher ungewöhnlich ist. Möglicherweise versuchten die Tiere, die Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis – höhere Temperaturen führen zu einem höheren Anteil an Weibchen, während niedrigere Temperaturen mehr Männchen hervorbringen – auszugleichen, indem sie ihre Nistgewohnheiten verändern, heißt es im Bericht.

Andererseits führten die gestiegenen Temperaturen zur zunehmenden Ausbreitung von Arten, die bislang im westlichen Mittelmeer nicht heimisch waren. Dazu gehören insbesondere Algen-, aber auch Krebsarten wie die Blaukrabbe. „Die globale Erwärmung begünstigt die Besiedlung des Mittelmeers durch tropische und subtropische Arten”, heißt es im entsprechenden Kapitel des Informe Mar Balear. „Die Tropikalisierung des Mittelmeers ist mit einer Veränderung der Artenverteilung, der biologischen Vielfalt und der Funktionsweise der Ökosysteme verbunden.”

Auch Klär- und Entsalzungsanlagen ein Problem

Zu den Umweltfaktoren, die den Druck auf das marine Ökosystem erhöhen, gehören auch Klär- und Entsalzungsanlagen, die Strandnutzung durch Badegäste, der Schiffsverkehr, die Wasserverschmutzung, Lärm und Küstenbebauung. Alle diese Aspekte sind im Rahmen des Berichtes einzeln analysiert worden. So erfährt man etwa, dass die Zahl der Touristen auf den Balearen im Jahr 1959 bei 321.222 und 2018 bei fast 17 Millionen lag (die Aktualisierung dieses Kapitels steht noch aus).

Die Zahl der Übernachtungsplätze derweil sei im selben Zeitraum von 14.609 auf mehr als 600.000 gestiegen. Eine Folge des Booms: Der Bedarf an Trinkwasser ist enorm gestiegen. Mittlerweile gibt es acht Entsalzungsanlagen auf den Inseln. Neben dem hohen Energieverbrauch stehen diese insbesondere wegen der großen Menge Sole in der Kritik, die meist direkt wieder ins Meer geleitet wird. Laut Informe Mar Balear hat das durchaus negative Auswirkungen auf die Meeresflora, insbesondere auf die Posidoniawiesen.

Um die Verschmutzung des Meeres geht es auch beim Thema Badegewässerqualität. Unter Berufung auf die Messergebnisse, die im Auftrag des balearischen Gesundheitsministeriums alljährlich während der Badesaison in regelmäßigen Abständen genommen werden, stellen die am Informe Mar Balear beteiligten Forscher fest, dass die Ergebnisse stetig schlechter werden. Im Jahr 2021 seien so wenige exzellente Ergebnisse registriert worden, wie noch nie.

BALEARES - MEDIO AMBIENTE - REPORTAJE SOBRE LA PROTECCION DEL MAR BALEAR.
Während einige heimische Arten wie Seesterne zunehmend bedroht sind, fühlen sich andere neuerdings wohl im Mittelmeer.

Rückgang der Qualität der Badegewässer auf der Insel

„Seit 2010 ist ein Rückgang der Qualität der Badegewässer auf Mallorca, Menorca und Ibiza zu verzeichnen”, heißt es in dem Bericht. Zumindest eine Mitschuld daran dürften Mallorcas zum Teil nicht mehr zeitgemäße Kläranlagen haben. Vornehmlich die vielerorts nicht vorhandene Trennung von Regen- und Abwasserleitungen führt bei starken Niederschlägen zu Verunreinigungen. Erst seit wenigen Jahren steuert man beispielsweise in Palma gegen und investiert Millionensummen in die Modernisierung von Kanalisation und Kläranlagen.

Für Schlagzeilen sorgten zuletzt aktuelle Daten aus dem Informe Mar Balear zum Fischereisektor auf den Inseln. Diese belegen unter anderem einen fortschreitenden Bedeutungsverlust. Balearische Fischer liefern gerade einmal noch zwischen 15 und 17 Prozent des auf den Inseln vermarkteten Fisches, der Rest wird importiert. Von 1950 bis 2023 sei die Zahl der Fischerboote von 1265 auf 257 gesunken, was einem Rückgang von 80 Prozent entspreche. Die Zahl der Besatzungsmitglieder reduzierte sich im selben Zeitraum von 4976 auf nur noch 461 – ein Rückgang um 91 Prozent. Im Gegensatz dazu nehme die Freizeitfischerei zu, heißt es im Bericht weiter. 2023 habe es insgesamt 44.070 Lizenzen für die Freizeitfischerei gegeben. Alleine für die Sportfischerei mit Booten gab es 11.743 Lizenzen. Auf jedes Boot eines professionellen Fischers kamen also 46 Boote für die Sportfischerei.

Kein Wunder, dass der Schutz der Fischbestände auf den Balearen bereits seit vielen Jahren ein wichtiges Thema ist. Vor allem die Einrichtung von Meeresreservaten spielt hier eine bedeutende Rolle. In den meisten Schutzgebieten, in denen die Fischerei reguliert, wenn nicht komplett verboten ist, lasse sich eine Zunahme der Biomasse und der Artenvielfalt beobachten, so der Informe Mar Balear. Im Meeresreservat Illa del Toro habe sich die Biomasse zwischen 2005 und 2022 verdreifacht, im Schutzgebiet der Illes Malgrats sogar vervierfacht. Die Zunahme der Fischbestände mache die Gegenden für Sporttaucher attraktiver.

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Vor allem bei starkem Regen sind Mallorcas Kläranlagen häufig überlastet und Dreckwasser fließt ins Meer.

Die Zahl der Tauchgänge stieg von 12.735 im Jahr 2005 auf 75.936 im Jahr 2023. „Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Meeresschutz Sektoren wie der Fischerei, dem Tauchsport und dem Tourismus wirtschaftlich zugutekommt.” Allerdings ist rund um die Balearen weiterhin noch nicht einmal ein Prozent des Meeres geschützt. Die Schutzgebiete, in denen die Fischerei komplett verboten ist, nehmen noch viel weniger Raum ein. Man sei also weit entfernt von der Vorgabe der spanischen Regierung, zehn Prozent der Meeresoberfläche mit einem hohen Schutzniveau auszustatten, heißt es in dem Bericht.

Folgen am Beispiel mehrerer Haiarten zu beobachten

Die Folgen sind etwa am Beispiel mehrerer Haiarten zu beobachten, die stark überfischt sind. Forscher haben Daten des Fischmarktes in Palma aus den Jahren 2009 bis 2021 analysiert und festgestellt, dass die Zahl der in diesem Zeitrahmen gefangenen Schlingerhaie um 77 Prozent zurückgegangen ist. „In Ermangelung anderer Populationsdaten lässt dieser Trend darauf schließen, dass diese Art auf Mallorca vom Aussterben bedroht ist.

Es besteht dringender Handlungsbedarf, um den Bestand in den balearischen Gewässern zu ermitteln und seine Erhaltung zu gewährleisten.” Derzeit sind 59 Hai- und Rochenarten im Balearenmeer bekannt, von denen 30 als gefährdet und sechs als ausgestorben gelten. Der Graue Glatthai gilt ebenfalls als gefährdet, da die meisten der gefangenen Exemplare noch nicht geschlechtsreif sind und daher gefangen werden, bevor sie sich vermehren können. Hier müsse dringend eine Mindestgröße der gefangenen Exemplare vorgegeben werden.

Solche Probleme kennt man in der Fischzucht naturgemäß nicht. Diese ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, seit sie sich auf Mallorca in den 1980er-Jahren entwickelte. Derzeit produziert eine Firma in Palma Jungfische, die dann aufs Festland exportiert und dort gemästet werden. Es handelt sich um Meerbrassen und Wolfsbarsche. Die Produktion hat in den vergangenen 20 Jahren enorm zugelegt. Im Jahr 2003 betrug der Wert der produzierten Jungfische 1,95 Millionen Euro, im Jahr 2023 waren es bereits 16,5 Millionen Euro. Auch der Klimawandel und der Anstieg der Meerestemperaturen können dieser Nischenbranche nichts anhaben: Die Produktion findet an Land unter Laborbedingungen statt.