Wohnungsnot auf Mallorca: Jetzt nächtigt ein Obdachloser bereits unterhalb der Kathedrale von Palma

Direkt unter dem größten Gotteshaus Mallorcas hat sich ein Wohnungsloser einen Unterschlupf aus Karton gebaut. Mitten in der Altstadt – gut versteckt, aber kaum zu übersehen.

Die Kartonhütte an der Plaza Ses Voltes unterhalb von Palma Kathedrale | Foto: Fernándo Fernández

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Zwischen gotischen Bögen, Mauerwerk und der sonnenblitzenden Mittelmeerpanoramik ist ein neues architektonisches Highlight in Palmas Altstadt entstanden – allerdings nicht auf den Postkarten. Nur wenige Schritte unterhalb der Kathedrale La Seu auf Mallorca, verborgen unter dem Dach der ehemaligen Bar Ses Voltes, hat sich ein Bewohner eingerichtet, der keinen Mietvertrag, aber Sinn für Lage hat. Drei städtische Absperrgitter mit dem Logo des Rathauses, mehrere Pappkartons und eine sichtlich mitgenommene Decke bilden das Grundgerüst dieser provisorischen Residenz. Von oben unsichtbar – vom Platz aus unübersehbar. Es ist der wohl prominenteste Obdachlosenplatz der Insel.

Rathauszaun und Meeresmuseum – das neue Stadtviertel

Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Das ehemalige Lokal, einst Austragungsort für Kulturveranstaltungen und Heimat des Museu Marítim, ist mittlerweile ein Ort des Verdrängten. Wo früher Austernhäppchen und Jazz erklangen, liegt heute ein Paar Turnschuhe als letzter Hinweis auf menschliche Präsenz. Der Hausherr oder die Hausherrin bleibt unsichtbar, hat sich jedoch für ein Dach entschieden, das den Platzregen der Realität zumindest physisch abfängt. Ironischerweise schützt das Rathauslogo auf den Zäunen das, wofür es sich politisch sonst kaum zuständig fühlt: Menschen ohne Wohnung, aber mit Erfindungsgeist.

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Städtische Mitarbeiter vermuten, dass es sich um einen „Top Manta“-Verkäufer handelt – also einen jener Straßenhändler, die auf den Boulevards von Palma zwischen Sonnenbrillen und Stranddecken ihr Glück versuchen. Dass man ihm ausgerechnet zwischen Museum und Weltkulturerbe einen inoffiziellen Rückzugsort überlässt, sagt weniger über seine Dreistigkeit als über die Flexibilität städtischer Toleranz aus. Hier darf offenbar bleiben, wer sich leise genug in den Schatten der Erinnerung stellt.

Ein Ort, der nicht da ist – aber bleibt

Der Zugang zur Unterseite der Kathedrale ist theoretisch versperrt, praktisch offen. So wie das Problem selbst. Die Konstruktion, mit ihren windschiefen Kartonwänden und rostigen Gittern, wirkt wie eine Requisite aus einem dystopischen Theaterstück – nur dass sie echt ist. Und während Touristen von oben Selfies mit gotischem Hintergrund schießen, fristet wenige Meter darunter jemand ein Leben ohne Blitzlicht. Unsichtbar gemacht durch die Blickrichtung der Besucher: nach oben, nie nach unten.

Palmas Obdachlosigkeit hat sich einen neuen Schauplatz gesucht – mitten im Herzen der Stadt, geschützt von Geschichte und Touristenmassen. Vielleicht ist das die logische Fortsetzung einer Politik, die gerne über Wohnraum diskutiert, aber wenig davon schafft. Während Immobilienpreise steigen und Ferienvermietungen boomen, wächst unter der Kathedrale eine zweite Stadt. Ohne Namen, ohne Rechte, aber mit überraschend zentraler Lage.