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Als sich Bartolome Fiol vom Stuhl erhebt, um zwei Kaffees zu bestellen, humpelt er sichtbar. Aber das wird ihn nicht davon abhalten, am Sonntag, 10. November, in Calvià auf Mallorca eine Strecke von 100 Kilometern zu absolvieren, etwa die zweifache Entfernung von Palma nach Alcúdia. Fiol muss dazu 250 Runden auf einer Tartanbahn absolvieren. Die Schnellsten, dazu gehört er in aller Regel, brauchen dafür knapp siebeneinhalb Stunden.

Den 45 Jahre alten Mallorquiner, den alle Welt Tolo nennt, als Laufverrückten zu bezeichnen, ist noch stark untertrieben. "Ich will laufen, am liebsten jede Woche. Manchmal laufe ich auch zwei Rennen am Tag", sagt er. Auf rund 400 Wettbewerbe in zehn Jahren bringt er es dadurch. Vor zwei Jahren gelang ihm bei den Spanischen Meisterschaften seine bislang größte Heldentat, die ihn auf der Insel unsterblich machen wird. Er wurde er bei seinem ersten Start über die 100-Kilometer-Strecke Dritter, vor seinem Freund und Trainingspartner Miquel Capó, wie er aus Sa Pobla stammend.

"Im Ziel sagte mir ein Laufprofi, dass ich jetzt erstmal zwei Monate pausieren müsste", erinnert sich Fiol. Doch er hatte andere Pläne. Genau eine Woche später lief er mit Miquel Capó den TUI-Marathon. Capó gewann, Fiol wurde Dritter, Mallorcas Laufszene stand Kopf. "Wäre der Deutsche nicht gewesen, hätte mich Miquel gewinnen lassen", sagt Fiol. So mache man das unter Freunden. Aber der Deutsche Karsten Kruck lief zwischen den beiden und dessen Sieg wollte Capó natürlich nicht riskieren.

Laufen ist auch auf Mallorca zu einem Massenphänomen geworden. "Die Leute wollen sich selbst herausfordern, nicht mehr ständig weggehen und trinken", glaubt Fiol. Eine wichtige Rolle spielten die sozialen Netzwerke, über die sich die Leute auch über kleine Laufevents informierten. "Wenn ich etwas poste, lesen das 3000 Leute, das ist Wahnsinn." Bei seinem Lieblingslauf, der knapp acht Kilometer langen Bergstrecke Sa Llego in Sa Pobla, waren es am Anfang 100 Läufer, vor einem Jahr 1300. "Und das ohne Werbung zu machen." Den Lauf einmal zu gewinnen, das ist ein Traum von Fiol, der bislang noch nicht in Erfüllung gegangen ist.

Auch von geplatzten Träumen legt seine Seite mit den vielen Hundert Fotos Zeugnis ab. Seine Ex-Freundin Barbara, ebenfalls eine Läuferin, ist dort zu sehen. Das Thema beschäftigt ihn noch. "Ich möchte meiner Ex-Freundin Barby einmal an dieser Stelle danken, dass sie mich so viel unterstützt hat. Das habe ich ihr leider viel zu selten gesagt."

Das Laufen beansprucht viel Platz in Fiols Leben. In ruhigen Minuten, und davon gibt es bei Tolo Fiol nicht allzu viele ("Wenn ich nicht laufe, werde ich nervös"), überlegt er mit seinem Freund Miquel Capó, warum sie sich die Quälerei immer und immer wieder antun und oftmals humpelnd ins Ziel kommen. "Wir machen das für die Leute. Es ist klasse, wenn sie dich anfeuern oder im Ort wieder erkennen", sagt Fiol.

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Capó hat ihm schon oft gesagt, dass er eigentlich nicht gut genug für die Spitze sei. "Aber er sagte auch, ich könnte leiden und habe die richtige Einstellung. Deshalb habe ich schon viele geschlagen, die besser sind als ich." Das mache den Unterschied aus: Wenn man leide, müsse man bereit sein, noch mehr zu geben. Nur mitlaufen kommt für Fiol nicht in Frage. "Wenn ich wüsste, dass ich nicht gewinnen könnte, ich schwöre es dir, dann würde ich nicht mehr laufen", sagt er.

Einer wie Fiol läuft um des Laufens willen, nicht um Geld zu verdienen. "Mir ist es schon unangenehm, wenn ich eine Brille geschenkt bekomme, damit ich sie bei einem Wettbewerb trage", sagt er.

"Gesund ist das alles nicht", gibt er zu. Vor zwei Wochen hatte er wieder so ein Erlebnis. Eigentlich wollte er in Madrid den nationalen Titel über 100 Kilometer gewinnen, trotz höllischer Schmerzen in der Hüfte. Er ließ sich fit spritzen, arbeitete noch am Tag zuvor bis 2 Uhr in der Pizzeria des Hotels, das auch sein Hauptsponsor ist und lief das Rennen am nächsten Tag von vorne weg.

In Führung liegend, musste er nach 60 Kilometern jedoch entkräftet aufgeben. "Ich lag danach fünf Tage flach und habe ständig gebrochen", sagt er. Von seinem Sponsor hat sich niemand nach seinem Befinden erkundigt. Fiol ist deshalb enttäuscht und schaut sich nach neuen Unternehmen um. "Einige wollen mich haben, aber auf der anderen Seite will ich auch mit meinem aktuellen Sponsor gut verbleiben." Derzeit hänge er in der Luft.

Das hält ihn freilich nicht vom Laufen ab. Am Sonntag wird er für niemanden starten, nicht für Geld, nur für sich und das Gefühl der Selbstüberwindung.