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Strahlend lächelt Frank Wannenwetsch den Besuchern seiner Facebook-Seite entgegen. "Am Sonntag geht es an die Playa de Palma", steht auf der Pinnwand des 37-jährigen Grafikers und IT-Experten aus Palma. Dass der Mallorca-Resident vor wenigen Tagen tödlich verunglückt ist, wissen weder seine Bekannten noch die Mitarbeiter von Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Noch über Monate und Jahre geistert das Profil wie ein Zombie durch die digitale Welt.

So zumindest das Szenario, aus dem die Geschäftsidee des (quicklebendigen) Wannenwetsch entstanden ist und das offenbar immer mehr Menschen aus der Generation Web 2.0 beschäftigt. "Was passiert eigentlich mit meinen Fotos, Nachrichten, Accounts oder sonstigen Hinterlassenschaften bei Facebook, StudiVZ, Xing und Co., wenn ich nicht mehr da sein sollte?", lautet die bange Frage manch eines Surfers schon in jungen Jahren. Die Antwort sollen digitale Nachlassverwaltungen bieten, unter denen Netarius von Frank Wannenwetsch weltweit eine der ersten ist. "Wir löschen Profile, hinterlassen eine Abschiedsnachricht auf der Pinnwand in sozialen Werken und verschicken auf Wunsch auch eine Abschiedsmail an ausgewählte Empfänger", erklärt Wannenwetsch seinen Service. Voraussetzung sei natürlich, dass im Netarius-Benutzerkonto entsprechende Zugangsdaten und Adressen hinterlegt und aktualisiert sind.

Anstelle der Hinterbliebenen, die gegebenenfalls einen mühsamen Schriftwechsel mit jedem einzelnen Anbieter führen müssten, beseitigt Netarius auf einen Schlag alle unliebsamen Hinterlassenschaften im Internet. Um Missbrauch vorzubeugen, ist allerdings die Zusendung einer Sterbeurkunde Voraussetzung. Den Hinweis auf Netarius bekommen die Erben durch eine kleine Karte, die die Kunden für den Fall ihres Todes mit anderen wichtigen Unterlagen ablegen sollten, zum Beispiel in einer persönlichen Dokumentenmappe.

Im Benutzerkreis von Netarius, der nach einem Jahr eine vierstellige Personenzahl umfasst, hat es bereits die ersten Todesfälle gegeben, über die Frank Wannenwetsch aus Diskretions- und Pietätsgründen allerdings nicht so gerne spricht. Noch am Leben sind unterdessen ein US-Soldat, der in Bagdad seinen Dienst tat und vorsorgen wollte, sowie der Bruder des Jungunternehmers. Mit seinem gefährlichen Job als Entwicklungshelfer - unter anderem in Somalia - trug er zu der neuen Geschäftsidee bei, als er im verschlossenen Umschlag eine Art digitales Testament mitsamt Passwortliste bei der Verwandtschaft hinterlegte. Auch heute legt Netarius Wert auf Sicherheit und entschlüsselt die gespeicherten Nutzerdaten laut Nutzervertrag erst nach dem Ableben.

Neu im Angebot sei darüber hinaus ein Dokumentenmanagementsystem für digitale Unterlagen, das allerdings spätestens beim Testament seine Grenze hat. "Ich bin schließlich kein Notar", sagt Frank Wannenwetsch, der sein Angebot bisher auf Deutsch und Spanisch laufen hat und im Dezember auch ins Englische übersetzen will. Viele Kunden gebe es unter anderem in Mexiko, wo der Umgang mit dem Tod unbefangener sei als zum Beispiel in Europa oder China. Dort hat der Netarius-Gründer ein Jahr gelebt und den Tod als kulturelles Tabu kennengelernt.

Dennoch will das Start-up seine weltweite Expansion vorantreiben. Derzeit hält man deswegen Ausschau nach potenziellen Gebern von Risiko-Kapital für das zukünftige Wachstum. Seinen Job als Designer bei Kühn & Partner hat Unternehmer Wannenwetsch bereits aufgegeben und beschäftigt inzwischen einige Kundenbetreuer, Programmierer oder Übersetzer.

Neben dem kostenpflichtigen Premium-Service von Netarius (20 Euro jährlich oder einmalig 120 Euro) gibt es seit Kurzem auch einen kostenlosen Basisdienst. Enthalten sind darin das Löschen des Facebook-Profils sowie eine Abschiedsnachricht auf der "Wall".