Warteschlange vor dem Arbeitsamt. | Foto: Ultima Hora

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Desmond Ogbeide kann wieder lachen. Der 39 Jahre alte Nigerianer hat die ganze Nacht kein Auge zubekommen, weil an diesem Freitagmorgen die Zwangsräumung seiner Wohnung ansteht. "Wir haben zwei kleine Kinder, wo hätte ich mit denen hingekonnt?", sagt er. Jetzt ist er einfach nur erleichtert. Denn in letzter Minute hat das Gericht in Palma den Termin abgesagt.

Die Polizei war bereits angerückt, ebenso wie mehrere Aktivisten, die finster entschlossen waren, die Zwangsräumung zu verhindern. Ogbeide lebt seit 14 Jahren auf Mallorca, mit Aufenthaltsgenehmigung, wie er betont. Im Jahr 2004 kaufte er sich eine Wohnung in Palmas Stadtteil Son Gotleu. Solange er Arbeit hatte, konnte er die Hypothek bedienen. 2011 verlor er seinen Job - und konnte die monatlichen Raten nicht mehr zahlen. Jetzt wollte die Bank Ernst machen und ihn samt Familie aus der Wohnung holen lassen. Nur der öffentliche Druck verhinderte dies.

Vor genau fünf Jahren, am 15. September 2008 meldete in New York die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an, was als entscheidender Auslöser der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise gilt, die bis heute auch auf Mallorca dramatische Auswirkungen hat. Seit fünf Jahren ist ein schier unaufhaltsamer Abwärtstrend in Gang. Die Krise hat Spuren hinterlassen auf Mallorca. Längst nicht nur im sozialen Brennpunkt Son Gotleu.

Wer mit offenen Augen durch Palma geht, bekommt davon unschwer einen Eindruck. Am helllichten Tag sitzen auf den Parkbänken Familienväter, die keine Arbeit haben. Vor den Armenküchen bilden sich am frühen Morgen lange Schlangen Bedürftiger, die sich ihre tägliche Lebensmittelration abholen. Immer häufiger sieht man Bettler, Obdachlose oder Leute, die in Mülltonnen nach Verwertbarem suchen. Unzählige Geschäftsleute haben aufgegeben und die Rolltore für immer heruntergelassen.

Anlass zum Optimismus gibt es kaum. Die Balearen stecken weiterhin in der Rezession, selbst die Rekordzahlen aus der Tourismusbranche sorgen nicht für einen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt. Der Konsum stockt, die Baubranche liegt am Boden und die Kreditvergabe durch die Banken kommt nicht in Gang.

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Die umfassenden Maßnahmen, die die Zentral- und die Regionalregierung ergriffen haben, zeigen bislang nicht die erhoffte Wirkung. Lediglich der Druck der Finanzmärkte, des Internationalen Währungsfonds sowie der EU hat zuletzt ein wenig nachgelassen. Vor allem die europäischen Partner, allen voran Deutschland, hatten als Gegenleistung für Finanzhilfen drastische Einschnitte und Reformen gefordert.

Zeitweilig sah es so aus, als formiere sich breiter Widerstand in Spanien gegen diese Politik. Vier Generalstreiks gab es in den vergangenen Jahren, die Bewegung der "Empörten" wurde zum Sammelbecken des Protestes gegen Sparpolitik und Steuererhöhungen. Auch bei den Menschen auf Mallorca haben in den vergangenen Jahren vor allem Angst und Unmut zugenommen.

Das belegen die Zahlen des Zentrums für soziologische Studien (CIS). Dem neuesten Meinungsbarometer zufolge halten 80 Prozent der Befragten die Arbeitslosigkeit für das drängendste Problem im Land, dicht gefolgt von der Korruption und den Politikern im Allgemeinen. 90 Prozent halten die wirtschaftliche Situation für schlecht oder sehr schlecht, ebenso viele für genauso schlecht oder schlechter als vor einem Jahr.

Die Regierungen in Madrid und Palma sind um eine positivere Sicht der Dinge bemüht. Bei jeder Gelegenheit beschwören die Politiker die "grünen Triebe" ("brotes verdes"), die sie ausgemacht haben wollen. Fakten, die eine Kehrtwende belegen, gibt es bislang aber nicht.

Zumindest Desmond Ogbeide sieht wieder Licht am Ende des Tunnels. Die Zwangsräumung seiner Wohnung ist bis auf Weiteres ausgesetzt. Als die Nachricht bekannt wird, bricht in Son Gotleu Jubel aus. Dutzende Nachbarn und Passanten applaudieren. Wildfremde Menschen umarmen sich. Viele Gelegenheiten zum Feiern gibt es dort in diesen Tagen schließlich nicht.

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