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"Der Schleifstein ist wie ein Stier in der Arena, der jeden Moment auf dich losgehen kann." Das habe sein Meister zu ihm gesagt, als er die Lehre zum Messerschmied antrat, erinnert sich Gabriel Miralles. "Pass auf", habe das heißen sollen. 60 Jahre sei das her, aber es gelte heute noch genauso, meint der Mallorquiner mit Blick auf seinen Sohn, Gabriel Miralles junior, der heute am Schleifstein der Messerschmiede in Muro sitzt.

Mit acht Drehungen pro Sekunde rotiert der Stein, während der große, schmale Mann mit bloßer Hand eine Klinge darauf schleift. Mit Zeige- und Mittelfinger drückt er auf den Rohling, wiegt ihn mal leicht nach rechts, mal nach links, um den gewünschten Schliff zu erzeugen. Es quietscht gewaltig. Funken sprühen. Ja, das sei auch schon schiefgegangen, meint er, und zeigt auf seine Hand, die schon mehrmals genäht werden musste.

Bereits in vierter Generation leitet der 42-Jährige den Familienbetrieb. Er schmiede die gleichen Messer wie sein Urgroßvater: "Er hat die Modelle entworfen. Weder Länge noch Größe habe ich daran geändert."

Das Kernstück der Produktion sind die traditionellen Klappmesser, die "Navajas", auf Mallorquinisch "Ganivet". Sie kamen im 16. Jahrhundert in Spanien auf, nachdem Karl V. Nichtadeligen das Tragen von Waffen mit langen Klingen verboten hatte. Es gibt viele verschiedene Varianten je nach Region.

Auf Mallorca kennt man sieben Arten von Navajas. Am bekanntesten sind die "Trinxets" mit runden Klingen und stumpfer Spitze. "Sie wurden zum Brotschneiden benutzt und um die Zügel von Pferden abzuschneiden, wenn diese gefallen waren, damit sie sich nicht einquetschten", erklärt der Messerschmied.

Das "Empaltar" zum Pfropfen von Bäumen hat eine eckige, wie abgeschnitten aussehende Klinge, während das Pilzmessers "Gatxoll" sichelförmig geschwungen ist. Außerdem gibt es das Schweinemesser "Porquer" mit scharf zulaufender Spitze sowie konvex geformte Klingen für Schafhirte, Fischer und Seeleute - "Pastor", "Pesquero" und "Marinero". Früher habe jeder Mann auf Mallorca ein Navaja bei sich getragen, und viele täten das heute noch, aber der Gebrauch sei nicht mehr so strikt festgelegt. Die Leute kauften das Messer, das ihnen gefalle, sagt Gabriel Miralles.

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Die Navajas werden nicht aus rostfreiem Stahl, sondern aus Carbonstahl gefertigt. Carbonstahl sei leichter, lasse sich durch sein feines Gefüge schärfer schleifen und habe eine hohe Schnittfähigkeit, erklärt der Messerschmied. Aber es brauche Pflege, weil es sich durch den Kontakt mit Flüssigkeit dunkel färbe und roste. "Man muss es nach dem Benutzen reinigen und trocknen. Ich reibe meine Messer auch öfter mit Olivenöl ein."

Besonders deutsche Kunden interessierten sich für Messer aus Carbonstahl. Die gebe es wohl nicht so oft in Deutschland.

Gabriel Miralles senior musste jede Klinge einzeln aus großen Stahlplatten ausschneiden. Heute werden die Rohlinge fertig gestanzt geliefert. Das spare viel Zeit, und Zeit sei Geld, meint er mit einem Achselzucken. Er habe früher zwölf Messer am Tag gefertigt, der Sohn schaffe das Fünffache.

Aber die restlichen Arbeitsschritte seien die gleichen. Der Stahl müsse zunächst gehärtet werden, dann geschliffen und poliert. Früher seien zum Schleifen Natur-Sandsteine aus dem Steinbruch geholt worden. Heute gebe es Mischungen mit unterschiedlichen Körnungen, man könne zwischen härterem und weicherem Schmirgel wählen. Das erlaube schnelleres und präziseres Arbeiten, meint der Sohn und deutet auf die drei Schleifsteine, die in der Werkstatt stehen. Anschließend werde die Klinge poliert und der Griff angebracht.

Traditionell wurde das Heft aus Hörnern gemacht - entweder von Schafen oder von Ziegen - oder aus dem Holz wilder Olivenbäume. Heute überwiegt gepresstes Buchenholz. Das sei sehr widerstandsfähig, sagt der Messerschmied, es halte auch Nässe aus, aber manche Kunden hätten doch lieber Hörner. Dazu müsse das Horn geschnitten, gesäubert und erwärmt werden. Dann sei es formbar wie Gummi. Hefte aus Hörnern dürften weder nass gelassen noch in die Sonne gelegt werden. "Dann biegen sie sich wieder in die Ausgangsform zurück." Aber wenn man sie pflege, hielten sie ewig. Miralles' Messer kosten zwischen zwölf und 80 Euro, je nach Größe und Material des Hefts.

Vor 50 Jahren habe auf Mallorca jeder Ort zwei Messerschmiede gehabt. Heute seien es nur noch vier auf der gesamten Insel - in Muro, Consell, Llucmajor und Sineu, sagt Miralles. Mit der Industrieproduktion könnten sie nicht mithalten. Er kenne eine Fabrik in Albacete, die 33.000 Klingen pro Woche schleife. Das schaffe er nicht in einem Jahr. Aber kein Roboter könne die Qualität eines Meisters bringen, der mit der Hand schleife. In den großen Fabriken wüssten sie gar nicht mehr, wie das geht. Das hätten sie ihnen voraus, meint er und betont: "Wir machen Messer für das ganze Leben, keine Ware von begrenzter Dauer."