TW
0

Am Kanal Sa Riera, der heute über den Passeig Mallorca verläuft und damit eine der Sehenswürdigkeiten von Palma ist, sah es einmal ganz anders aus. Wo heute Palmen, Zypressen, Jacaranda-Bäume und andere Zierpflanzen das Ufer säumen, arbeiteten einst die Seiler der Stadt. In kleinen Gruppen flochten sie Espartogras, Hanfgarn oder Yute zu Stricken, Leinen und Kordeln.

Ihr wichtigstes Werkzeug war das Seilerrad, das sie durch eine Ziehleine in Drehung versetzten. "Seiler haben draußen gearbeitet, weil sie zum Flechten lange Bahnen brauchten", erklärt Juan Llodrà aus Manacor. Der 67-Jährige leitet die letzte noch verbliebene Seilerei der Balearen.

Wer den Betrieb, die Cordeleria Montserrat, am Stadtrand von Manacor besucht, kann beim Seilen zuschauen. In der hohen Halle stapeln sich aufgerollte, unterschiedlich dicke Leinen, Taue und Schnüre. Im hinteren Teil sitzen große Spulen mit Fäden auf einem Gerüst. Eine Schiene, die aussieht wie ein Bahngleis, führt nach draußen. Darauf steht eine mächtige Zugmaschine, an der einige Seile befestigt sind. Über Ösen führen sie zu den Spulen mit Fäden. "Wir verarbeiten zum einen Espartogras - das führen wir vom spanischen Festland ein, weil es nicht auf der Insel wächst -, und zum anderen synthetische Chemiefasern", erklärt Juan Llodrà.

Der Herstellungsprozess ist der gleiche. Fäden werden von den Spulen in mehreren Etappen zu immer dickeren Strängen zusammengedreht. Im Inneren steckt immer ein Draht. Er dient zur Stabilisierung und dazu, dass sich die Fäden gleichmäßig aufdrehen: "Wir nennen den Draht die ,Seele' des Seils, weil man ihn von außen nicht sieht", sagt Llodrà. Bis zu 60 Millimeter dick und 250 Meter lang können die Seile werden, denn so lang ist das Gleis. "Lange bevor der erste Zug nach Manacor fuhr, hatten wir schon unseren Privatzug", spaßt der Seiler.

Bei der Arbeit muss man gut zu Fuß sein, denn das Flechten erfordert stetes Gehen und Laufen vorwärts und rückwärts entlang der Bahn. "Es gibt Tage, da lege ich 20 Kilometer zurück", sagt Jaume Mateu. Der 43-Jährige ist der Schwiegersohn und einzige Mitarbeiter von Juan Llodrà, neben dessen Frau, Barbara Miquel.

Gegründet wurde die Firma vor 62 Jahren von Barbara Miquels Vater. "Schon mit neun Jahren arbeitete mein Vater in einer Seilerei", erzählt sie. Das höre sich hart an, aber damals sei das so gewesen. "In die Schule gingen die Kinder abends - wenn sie überhaupt in die Schule gehen konnten."

Ähnliche Nachrichten

Juan Llodrà stieg nach der Heirat mit Barbara Miquel in den Betrieb ein. Vorher hatte er sowohl als Zeichner bei einem Architekten als auch als pharmazeutischer Assistent gearbeitet. "Ich nehme das Leben so, wie es kommt. Ich denke immer positiv. Geht nicht, gibt's nicht bei mir", sagt der fröhliche Mann.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Seilerei noch existiert. Dabei mussten sie einmal ganz von vorne anfangen. 1981 war der Betrieb fast vollständig abgebrannt. Ein Angestellter hatte aus Versehen ein Feuer entfacht.

Die Kunden sind in erster Linie Fischer, vor allem Schleppnetzfischer, für die sie die langen Taue herstellen. Daneben fertigen sie Netze für Sportfischer an, Ankerleinen für Yachten, Netze für Landwirte, "alles", sagt Juan Llodrà. "Ab zehn Meter Länge machen wir alles, was der Kunde wünscht." In der Berufsfischerei seien Seile aus Naturfasern im Wesentlichen von den robusteren Chemiefasern abgelöst worden. "Da halten die Taue länger, bis zu einem Jahr."

Natürlich merkten auch sie die Krise, sagt Llodrà. Vorher hätten die Fischer immer Seile und Netze als Reserve gekauft. Heute kämen sie nur, wenn sie unbedingt etwas Neues bräuchten. Auch werde die Fischereiflotte immer kleiner. Von früher rund 80 Schleppnetzbooten auf den Balearen seien gerade noch 20 übrig geblieben, und exportieren sei zu teuer wegen des hohen Gewichts der Taue.

Aber sie verkauften auch viel an Yachtclubs, außerdem sei ein neuer, wenn auch kleiner Markt dazugekommen: Seile aus Naturfasern würden gerne zur Dekoration gekauft, vor allem von Ausländern: "Sie machen damit alles mögliche, zum Beispiel Gardinen oder Handgriffe an Treppen, oder sie umwickeln Säulen mit Seilen. Das gibt einen rustikalen Touch. Ein Kunsthandwerker in Sa Coma stellt daraus auch tolle Lampen her."

So schaut die Cordeleria Montserrat zuversichtlich in die Zukunft. "Geht nicht, gibt's nicht. Wenn Sie mir einen Faden geben, machen wir ein Seil daraus", sagt Juan Llodrà mit einem Lächeln.

(aus MM 50/2015)