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Die Familie sitzt auf der Veranda vor dem Haus, eine leichte Brise sorgt für Erfrischung, die Wellen schlagen sanft gegen die Felsen. „Es ist doch herrlich hier”, sagt Tomeu Carbonell. Seit frühester Kindheit verbringt er die heiße Jahreszeit in Colònia de Sant Jordi. Der Küstenort ist einer der typischen Flecken, an dem die Mallorquiner die Sommerfrische genießen. „Früher sind wir im Sommer jeden Tag nach Palma zum arbeiten gefahren, jetzt als Rentner genießen wir nur noch den Tag”, sagt Carbonell, seine Frau nickt. Kinder, Enkel und die Nachbarn kommen sooft es geht vorbei.

Colònia de Sant Jordi liegt auf einer Halbinsel im Südosten Mallorcas und gehört seit 1925 zur Gemeinde Ses Salines. Das Fischerdorf entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem Ferienort. Die Gegend blickt auf eine lange Geschichte zurück: Auf dem vorgelagerten Inselchen Na Guardis fanden Archäologen Hinweise auf die erste phönizisch-punische Kolonialisierung Mallorcas im vierten Jahrhundert vor Christus. „Es gibt so viel zu entdecken hier”, schwärmt die junge Mitarbeiterin im Tourismusbüro am Hafen. Tatsächlich kommen Sonnenanbeter und Naturfreunde in Colònia de Sant Jordi auf ihre Kosten. Der Ort ist das Tor zu zwei der beliebtesten Naturstrände Mallorcas: Es Trenc im Westen und östlich Es Carbó.

Während Es Trenc (Seite 20/21) mit Parkplatzproblemen zu kämpfen hat, stellt sich die Frage nach dem besten Stellplatz bei Es Carbó gar nicht. Das Naturparadies ist nur zu Fuß zu erreichen, bietet keinerlei Infrastruktur und ist deshalb weniger besucht als Es Trenc. Der Spaziergang ist rund zwei Kilometer weit und dauert 45 Minuten. Wer im Sommer nicht so weit laufen möchte, kann sich auch an den Felsstränden des Dorfes oder an der nahegelegenen Playa Es Dolç mit Chiringuito beziehungsweise auf der anderen Seite des Ortes, dem Marqués-Strand, niederlassen.

Touristisch gesehen fühlen sich Schweizer in Colònia de Sant Jordi (fast) wie daheim. Einige Hotels sind in der Hand der Eidgenossen. „Wir kommen seit 20 Jahren hierher”, sagt das Ehepaar Seematter aus dem Kanton Bern. „Es ist doch ein traumhaftes Fleckchen Erde, warum sollten wir woanders hin?” Das Schweizer Paar liebt es, an der Meerespromenade entlangzuflanieren, vorbei am Hafen, den Restaurants und dem Leuchtturm. 18 Unterkünfte des Ortes mit 3741 Betten sind dem mallorquinischen Hotelverband Fehm angeschlossen. Ziel der Hoteliers ist es, die Saison des Ortes zu verlängern, bestätigt Pau Bonet, der Präsident des lokalen Hotelverbandes. Häuser werden renoviert und Investitionen in das Sport- und Wellnessangebot erfolgten. Der „Mallorca Olympic Triathlon” lockt in der Vorsaison Athleten in den Küstenort. Die Hoteliers entwickelten Wanderrouten und -karten, Rundgänge zu archäologischen Stätten und durch die örtliche Natur, sie erschlossen Küsten-, Feld-, Wald- und Radwege.

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Pau Bonet machte sich 2012 für einen Besuchermagneten in Colònia de Sant Jordi stark, damals sollte aus Spargründen das Cabrera-Museum mit Meeresaquarium geschlossen werden. Er mobilisierte den Ort: „Heute läuft es dort besser als vorher.” Zumal vom Hafen des Ortes aus die Ausflugsboote auf die der Südküste vorgelagerte Insel starten. Wer nach Cabrera will, kommt um Colònia de Sant Jordi kaum herum.

Eine Besonderheit des Ortes sind auch die nahe gelegenen Salinen S’Avall. Der Südosten Mallorcas bietet ideale Bedingungen zur Salzgewinnung: einen steten Wind, geringe Luftfeuchtigkeit, Wärme und flaches Gelände, in welches das Meer hereinfließen kann. Schon zu Zeiten der Römer und Phönizier wurde dort Salz gewonnen, zur damaligen Zeit ein wertvolles Handelsgut. Die kleineren Salinen von Colònia de Sant Jordi gehören zu den ältesten im Mittelmeerraum, sie entstanden im vierten Jahrhundert vor Christus. Die Salinen stellen auch ein kostbares Ökosystem dar – besonders für Vogelarten, auch Zugvögel machen dort Station. Führungen sind vor Ort möglich.

„Wer mag, nimmt am besten den kleinen Zug”, erklärt man im Tourismusbüro. Er hält am Hafen, in dem neben modernen Motorbooten noch die Schiffe der Fischer und die traditionellen mallorquinischen Llaüts liegen. Besonders bei Urlauberfamilien beliebt, fährt der Zug von morgens bis Mitternacht durch den gesamten Küstenort und vorbei an den Salinen.

(aus MM 30/2018)