Der Hausarzt stellt in Spanien Überweisungen, Rezepte und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus. | German G. Lama

TW
0

Hausarzt
In Spanien gilt ein striktes Hausarztmodell. Der Mediziner hat vor allem eine "Lotsenfunktion". Jeder Patient muss zunächst den ihm zugewiesenen „Médico de Cabecera” aufsuchen. Dieser sitzt im Gesundheitszentrum, das sich am nächsten am Wohnort befindet. Der Hausarzt stellt Überweisungen an den Facharzt aus, schreibt Rezepte und bescheinigt die Arbeitsunfähigkeit. Nur im Notfall, bei Kindern und bei Schwangerschaft wendet sich der Patient direkt ans Krankenhaus, den Kinderarzt beziehungsweise eine Hebamme.

Wer mit seinem Hausarzt nicht zufrieden ist, muss einen Wechsel bei IB-Salut beantragen. Wer weiter wegzieht, bekommt ein neues Gesundheitszentrum zugewiesen.

In Deutschland können Patienten auch direkt beim Facharzt vorstellig werden. Einige Krankenkassen bieten allerdings das Hausarztmodell an. Dass ein Patient wie in Deutschland in der Facharzt-Praxis hört: „Wir nehmen keine neuen Patienten an”, gibt es in Spanien nicht.

Zahnarzt
In Spanien trägt die Sozialversicherung keine Behandlungskosten beim Zahnarzt. Ausnahme ist, wenn ein Zahn gezogen werden muss und für Untersuchungen bei Kindern zwischen sechs und 15 Jahren. Alle anderen Leistungen sind privat.

Der Gang zum Zahnarzt ist in der Bundesrepublik Teil der Versorgung des staatlichen Gesundheitssystems. In beiden Ländern werden Extraversicherungen für Zahnbehandlungen immer beliebter.

Das deutsche und das spanische Gesundheitssystem unterscheiden sich darüber hinaus in zahlreichen weiteren Punkten:

Krankenkasse
Gesetzliche Krankenkassen gibt es in Spanien nicht. Die Verwaltung übernimmt die Sozialversicherung (Seguridad Social) beziehungsweise IB-Salut. In Deutschland hingegen haben Versicherte die Wahl aus einer Bandbreite von gesetzlichen Krankenkassen, die unterschiedliche Leistungen übernehmen.

Private Versicherung
Während in Deutschland Versicherte entweder gesetzlich oder privat versichert sind, kann in Spanien eine private Versicherung als Zusatz abgeschlossen werden. Gründe sind oftmals kürzere Wartezeiten auf einen Termin und für Residenten, dass sie einen Arzt aufsuchen können, der ihre Muttersprache spricht. Einige Behandlungen wie Organtransplantationen werden allerdings nur in staatlichen Krankenhäusern ausgeführt. Private Versicherungen sind hierzulande wesentlich günstiger als in Deutschland, doch die Arztwahl ist in der Regel eingeschränkt.

Ähnliche Nachrichten

Zugangsberechtigte
Zugang zum spanischen Gesundheitssystem haben sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Selbstständige, Arbeitslose und Rentner sowie deren Angehörige und darüber hinaus EU-Bürger, die als Residenten gemeldet sind. Auf den Balearen haben auch Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung Recht auf eine Krankenkarte und ärztliche Versorgung. Die Deckung liegt bei fast 100 Prozent.

Dass jemand ohne Krankenversicherung lebt, ist in Deutschland eigentlich nicht vorgesehen. Dennoch haben laut Statistischem Bundesamt 80.000 Menschen keinen Versicherungsschutz.

Finanzierung
Das spanische Gesundheitssystem ist fast zu 100 Prozent steuerfinanziert. Die autonomen Regionen bekommen das Geld von der Zentralregierung aus Spanien zugeteilt und geben es an die regionalen Gesundheitsinstitute weiter, im Fall der Balearen an das IB-Salut (Servicio de Salud de las Islas Baleares).

Beim Blick auf einen Gehaltszettel fällt jedoch auf, dass 4,7 Prozent an die Sozialversicherung abgeführt werden, hinzu kommt ein Arbeitgeber-Anteil von 23,6 Prozent. Diese Einnahmen fließen allerdings nicht in Gesundheitszentren und Krankenhäuser, sondern werden für die Versicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie die Berufsgenossenschaft für Beamte verwendet.

Das deutsche System wird im Gegensatz dazu über Abgaben finanziert, die je nach Krankenkasse zwischen 14,6 und 16,3 Prozent des Gehalts betragen.

Kosten

2015 wurden auf Mallorca 1,4 Milliarden Euro in das Gesundheitswesen investiert, knapp die Hälfte davon floss in die Personalkosten. 1281 Euro pro Kopf wurden damals für die staatliche Gesundheitsversorgung ausgegeben, weniger als der spanische Durchschnitt. Spanienweit betrug das Budget 2016 70,6 Milliarden Euro.
Die Gesundheitsausgaben in Deutschland beliefen sich laut Statistikamt im Jahr 2015 auf 344,2 Milliarden Euro beziehungsweise 4213 Euro je Einwohner.

2015 kamen laut Europäischer Kommission in Spanien 384,25 praktizierende Ärzte auf 100.000 Einwohner. In Deutschland liegt die Zahl höher, nämlich bei 413,93 Medizinern. Spanier gehen im Schnitt 7,6-mal im Jahr zum Arzt, Deutsche zehnmal.

(aus MM 6/2018)