Ian Waelder mit einem Exponat seiner Ausstellung in der L21 Gallery in Palma | E.M.

Der Künstler Ian Waelder ist in Spanien geboren und aufgewachsen, hat einen US-amerikanischen Pass und jüdische Wurzeln in Deutschland. Die Recherche seiner Familiengeschichte mündete in einer Ausstellung in der L21 Gallery in Palma. Ausgangspunkt der Schau: sein Großvater Federico und dessen Opel Olympia

„Warum sind nicht alle so, wie ich sein sollte?” Diese Worte schrieb einst aus Chile Federico Waelder seinem Sohn, dem in Palma lebenden Bildhauer Juan Waelder. Dessen Sohn wiederum, Ian Waelder, wählte diese hintergründige Frage als Titel für seine Ausstellung in der L21 Gallery in Palma.

Ian Waelder wurde 1993 in Madrid geboren, wuchs auf Mallorca auf, besitzt die US-amerikanische Staatsangehörigkeit und studiert derzeit Kunst an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ausgangspunkt seiner Ausstellung in Palma ist das erste deutsche Automobil, das in Großserie gebaut wurde und 1935 auf den Markt kam, der Opel Olympia.
Auch sein Großvater Federico und dessen Familie besaß so einen Wagen. Bis er ihn weit unter Wert verkaufen musste. Denn ab 1938 durfte er ein Auto weder haben noch fahren. Grund: Federico Waelder, der damals noch Friedrich Wälder hieß, war Jude.
Während der Novemberpogrome 1938 wurde Wälder in seiner Heimatstadt Stuttgart von den Nazis verhaftet und in das Konzentrationslager Welzheim gebracht. Nach vier Monaten Haft gelang es ihm 1939, aus dem Lager zu entkommen. Mit dem Geld aus dem Opel-Verkauf konnte er nach Chile fliehen. Im südamerikanischen Exil etablierte sich Federico Waelder, wie er sich nun nannte, als Fotograf und Jazzpianist.

Zusammen mit seinem Vater Juan schuf Ian Waelder für die Ausstellung drei Skulpturen, die das Auto in verschiedenen Stadien zeigen. In den Galerieräumen in Palmas Gewerbegebiet Son Castelló (Carrer Gremi de Ferrers 25) stehen sie auf Sockeln, die so hoch sind wie die Schultern seines Vaters.

Der Opel Olympia entwickelte sich zu einer bedeutenden Metapher. Vor allem, weil 1938, dem Jahr der Novemberpogrome und der Verhaftung der Familie Wälder, der gleichnamige Film „Olympia” von Leni Riefenstahl Premiere hatte.
Die Dokumentation der Olympischen Spiele 1936 in Berlin war ein Propagandafilm für die Nazis. Waelders Interesse erweckten aber Bildausschnitte, die seiner Meinung nach erste Risse in der Fassade des totalitären Regimes zeigen: „Auf ihnen sieht man Athleten bei ihrer Niederlage oder kurz davor, als ihnen schon bewusst ist, dass sie nicht siegen werden”, erklärt der Künstler. Für seine Ausstellung überlagerte Waelder die Bilder mit Worten, die er verschiedenen Beschreibungen des Opel Olympia entnahm und dem propagandistischen Ästhetizismus Riefenstahls ironisch entgegensetzte.

Seine Schau hat Waelder auf die andere Räumlichkeit von L21 im Carrer Hermanos García Peñaranda 1A ausgeweitet, mit kleinformatigen Standaufnahmen aus Filmen, Serien und Dokumentationen, in denen der Opel Olympia im Hintergrund oder in einer kurzen Szene zu sehen ist. Auf sie stieß er bei dem Versuch, das Auto seines Großvaters ausfindig zu machen.

Im Gewerbegebiet Son Castelló endet die Ausstellung indessen mit einem Plattenspieler samt Schallplatte. Bei der Aufnahme handelt es sich um eine Jazz-Improvisation von Federico Waelder. „Ich spielte sie ein Jahr lang einmal im Monat bei einem Radiosender in Frankfurt, um symbolisch seine Musik nach Deutschland zurückzubringen”, so Enkel Ian.
Für die Ausstellung produzierte er das Stück als Vinylplatte, wobei er die Musik seines Großvaters in einem Duett mit einem eigenen Klangstück namens „Spooky drums” unterlegte. Die Klänge des „gespenstischen Schlagzeugs” erzeugte Waelder, indem er Schuhe die Treppe herabwarf.

Die andere Seite der Platte enthält eine Rede des Großvaters. Auf Spanisch spricht er über die chilenische Schauspielerin, Moderatorin und Modeschöpferin Cecilia Bolocco, als sie 1987 zur Miss Universe gekürt wurde. Im Hintergrund ist die Synchronisation des Enkels auf Deutsch zu hören. Über dieses Loblied auf die Schönheit und Überlegenheit des weiblichen Geschlechts sagt Ian Waelder: „Es nimmt eine andere Form an, wenn man es anhört, während man die Leinwände mit den Bildern von Leni Riefenstahls ,Olympia’ betrachtet.”

Die Platte, deren Hülle er selbst gestaltet hat, will der Künstler in deutschen Musikläden vertreiben. Dazu hat er eigens „Heutigen Records” gegründet. Ein „fiktives Label”, wie er sagt, sieht man einmal von seinem einzigen realen Produkt ab, der Aufnahme von Federico Waelder, die man online bei heutigenrecords.com erwerben kann. Der Vertrieb beginnt am 7. Mai, dem Tag, an dem in Palma die Ausstellung endet. (mb)

Weitere Informationen
Termine und Ort:
  1. Vom bis auf Palma Finalizado