Die Sturmsonate, in d-moll und in Beethovens Werkverzeichnis als Nr.17, op.31/2, ist ein Höhepunkt in Beethovens Sonatenschaffen, das Hans von Bülow als das Neue Testament der Klavierliteratur bezeichnet hat. Das Alte war Bachs „Wohltemperiertes Klavier“, das laut Robert Schumann „dein täglich Brot“ sein sollte. Amateure beschränken sich dabei natürlich aufs Hören, denn beide Zyklen sind höllisch schwierig. An Aufnahmen besteht kein Mangel, das „Neue Testament“ haben fast alle großen Pianisten, von A wie Arrau bis Z wie Zechlin, auf Tonträgern verewigt. Die Bibliotheken sind regalmeterweise mit Literatur vollgestopft, allen voran das Standardwerk „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“ vom Klavierpapst Joachim Kaiser. Das hat es übrigens zu dem Ruhm gebracht, zeitweise das meistgeklaute Buch an Deutschlands Uni-Bibliotheken gewesen zu sein.
Die Sturmsonate: die bis dahin revolutionärste Klavierkomposition des 31-jährigen Genies; ein Dialog des Individuums mit dem Schicksal; ein Kontrast zwischen einem gewalttätigen Fatum und selig Tröstendem. Die Sturmsonate: ein emotional aufgeladener Koloss, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht, und der das Publikum förmlich anspringt. Ein Werk, dem man nicht mit einer wissenschaftlichen Formanalyse beikommen kann. Die hilft allenfalls, die Sonate historisch einordnen zu können. (Die abgespeckte Version einer solchen Analyse gibt’s bei Wikipedia.) Werfen wir lieber einen Blick auf die Lebensumstände Beethovens 1801, als er mit der Komposition begann. Er war damals ein umjubelter Virtuose, der vor allem wegen seines feurigen Geistes und seiner Improvisationskunst gefeiert wurde. Aber sein Gehörleiden war schon so fortgeschritten, dass er am Schicksal zu verzweifeln drohte. Im Oktober 1802 sollte er dann sein berühmtes „Heiligenstädter Testament“ verfassen. Es zu kennen hilft beim Verstehen der Werke aus dieser Zeit. Lassen Sie es sich von Elly Ney vorlesen . Sie identifizierte sich mit Beethoven wie kaum eine andere Pianistin. Ein Kritiker spottete, sie spiele nicht Beethoven, sie sei Beethoven. (Falls Sie einen Eindruck vom Spiel der „Reichsklaviergroßmutter“ bekommen wollen: hier ist sie mit dem zweiten Satz der „Appasionata“.)
Ich möchte Sie nun, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, mit den wichtigsten Motiven der Sonate bekannt machen. Gleich zu Beginn des 1.Satzes wird der dialogische Charakter deutlich: in den ersten Takten ist nichts als Stimmung, in die dann drängende absteigende Seufzersekunden hineinplatzen. Das Hauptmotiv nimmt den aufsteigenden Dreiklang forte auf. Eigentlich beginnt der Satz hier erst richtig. Der Pianist Ronald Brautigam meint sogar, Beethoven habe die vorausgehenden 21 Takte erst nachträglich komponiert. Und noch etwas hören Sie hier: Beethovens unerbittliches Wiederholen wichtiger Passagen, die dadurch an Eindringlichkeit gewinnen. Dieses Prinzip des Insistierens zieht sich durch das ganze Werk. Hier ist eine weitere solche Stelle. Das Dreiklangmotiv, nun bedrohlich zum Fortissimo gesteigert, leitet die Durchführung ein. Und mit diesen vier Schlägen, in steigender Sequenz wiederholt, sind wir schließlich bei der Reprise angelangt. Der Satz endet atmosphärisch, wie er begonnen hat.
Der zweite Satz greift, als eine Art Weiterentwicklung den Beginn des ersten auf. Im Bass imitiert das Klavier bedrohliche Paukenwirbel. Und dann, ein Wunder an Tröstlichkeit und Versöhnlichkeit, eine Melodie von berückender Schönheit, eigentlich die erste wirkliche Melodie im ganzen Stück. Der legendäre Klavierpädagoge Karl-Heinz Kämmerling hat diese Stelle als „Insel des Glücks“ bezeichnet. Und nun hören Sie einmal, wie sich dieses Glück in der Wiederholung noch steigert, nur dadurch, dass es in einer höheren Tonlage erklingt, bevor sich dann die schicksalhaften Paukenwirbel wieder Gehör verschaffen. Resignativ endet der Satz.
Waren die beiden ersten Sätze mehr oder weniger inkohärent, so nimmt das Schicksal im Finale in einer Art Perpetuum mobile den Hörer mit auf eine regelrechte Tour de force. Beethovens Schüler Carl Czerny meint, Beethoven habe sich dabei von einem galoppierenden Pferd inspirieren lassen. Und der Schluss? Der Satz endet im atmosphärischen Nichts, wie er begonnen hat. – Zur Vertiefung hören Sie gerne in diesen Podcast rein. Der bereits erwähnte Ronald Brautigam teilt darin seine Sicht auf die Sturmsonate. – Eine Einführung in die weiteren Werke der Kirschnereit-Matinee können Sie in wenigen Tagen an dieser Stelle lesen.
]]>Die Sturmsonate, in d-moll und in Beethovens Werkverzeichnis als Nr.17, op.31/2, ist ein Höhepunkt in Beethovens Sonatenschaffen, das Hans von Bülow als das Neue Testament der Klavierliteratur bezeichnet hat. Das Alte war Bachs „Wohltemperiertes Klavier“, das laut Robert Schumann „dein täglich Brot“ sein sollte. Amateure beschränken sich dabei natürlich aufs Hören, denn beide Zyklen sind höllisch schwierig. An Aufnahmen besteht kein Mangel, das „Neue Testament“ haben fast alle großen Pianisten, von A wie Arrau bis Z wie Zechlin, auf Tonträgern verewigt. Die Bibliotheken sind regalmeterweise mit Literatur vollgestopft, allen voran das Standardwerk „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“ vom Klavierpapst Joachim Kaiser. Das hat es übrigens zu dem Ruhm gebracht, zeitweise das meistgeklaute Buch an Deutschlands Uni-Bibliotheken gewesen zu sein.
Die Sturmsonate: die bis dahin revolutionärste Klavierkomposition des 31-jährigen Genies; ein Dialog des Individuums mit dem Schicksal; ein Kontrast zwischen einem gewalttätigen Fatum und selig Tröstendem. Die Sturmsonate: ein emotional aufgeladener Koloss, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht, und der das Publikum förmlich anspringt. Ein Werk, dem man nicht mit einer wissenschaftlichen Formanalyse beikommen kann. Die hilft allenfalls, die Sonate historisch einordnen zu können. (Die abgespeckte Version einer solchen Analyse gibt’s bei Wikipedia.) Werfen wir lieber einen Blick auf die Lebensumstände Beethovens 1801, als er mit der Komposition begann. Er war damals ein umjubelter Virtuose, der vor allem wegen seines feurigen Geistes und seiner Improvisationskunst gefeiert wurde. Aber sein Gehörleiden war schon so fortgeschritten, dass er am Schicksal zu verzweifeln drohte. Im Oktober 1802 sollte er dann sein berühmtes „Heiligenstädter Testament“ verfassen. Es zu kennen hilft beim Verstehen der Werke aus dieser Zeit. Lassen Sie es sich von Elly Ney vorlesen . Sie identifizierte sich mit Beethoven wie kaum eine andere Pianistin. Ein Kritiker spottete, sie spiele nicht Beethoven, sie sei Beethoven. (Falls Sie einen Eindruck vom Spiel der „Reichsklaviergroßmutter“ bekommen wollen: hier ist sie mit dem zweiten Satz der „Appasionata“.)
Ich möchte Sie nun, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, mit den wichtigsten Motiven der Sonate bekannt machen. Gleich zu Beginn des 1.Satzes wird der dialogische Charakter deutlich: in den ersten Takten ist nichts als Stimmung, in die dann drängende absteigende Seufzersekunden hineinplatzen. Das Hauptmotiv nimmt den aufsteigenden Dreiklang forte auf. Eigentlich beginnt der Satz hier erst richtig. Der Pianist Ronald Brautigam meint sogar, Beethoven habe die vorausgehenden 21 Takte erst nachträglich komponiert. Und noch etwas hören Sie hier: Beethovens unerbittliches Wiederholen wichtiger Passagen, die dadurch an Eindringlichkeit gewinnen. Dieses Prinzip des Insistierens zieht sich durch das ganze Werk. Hier ist eine weitere solche Stelle. Das Dreiklangmotiv, nun bedrohlich zum Fortissimo gesteigert, leitet die Durchführung ein. Und mit diesen vier Schlägen, in steigender Sequenz wiederholt, sind wir schließlich bei der Reprise angelangt. Der Satz endet atmosphärisch, wie er begonnen hat.
Der zweite Satz greift, als eine Art Weiterentwicklung den Beginn des ersten auf. Im Bass imitiert das Klavier bedrohliche Paukenwirbel. Und dann, ein Wunder an Tröstlichkeit und Versöhnlichkeit, eine Melodie von berückender Schönheit, eigentlich die erste wirkliche Melodie im ganzen Stück. Der legendäre Klavierpädagoge Karl-Heinz Kämmerling hat diese Stelle als „Insel des Glücks“ bezeichnet. Und nun hören Sie einmal, wie sich dieses Glück in der Wiederholung noch steigert, nur dadurch, dass es in einer höheren Tonlage erklingt, bevor sich dann die schicksalhaften Paukenwirbel wieder Gehör verschaffen. Resignativ endet der Satz.
Waren die beiden ersten Sätze mehr oder weniger inkohärent, so nimmt das Schicksal im Finale in einer Art Perpetuum mobile den Hörer mit auf eine regelrechte Tour de force. Beethovens Schüler Carl Czerny meint, Beethoven habe sich dabei von einem galoppierenden Pferd inspirieren lassen. Und der Schluss? Der Satz endet im atmosphärischen Nichts, wie er begonnen hat. – Zur Vertiefung hören Sie gerne in diesen Podcast rein. Der bereits erwähnte Ronald Brautigam teilt darin seine Sicht auf die Sturmsonate. – Eine Einführung in die weiteren Werke der Kirschnereit-Matinee können Sie in wenigen Tagen an dieser Stelle lesen.
]]>Die Sturmsonate, in d-moll und in Beethovens Werkverzeichnis als Nr.17, op.31/2, ist ein Höhepunkt in Beethovens Sonatenschaffen, das Hans von Bülow als das Neue Testament der Klavierliteratur bezeichnet hat. Das Alte war Bachs „Wohltemperiertes Klavier“, das laut Robert Schumann „dein täglich Brot“ sein sollte. Amateure beschränken sich dabei natürlich aufs Hören, denn beide Zyklen sind höllisch schwierig. An Aufnahmen besteht kein Mangel, das „Neue Testament“ haben fast alle großen Pianisten, von A wie Arrau bis Z wie Zechlin, auf Tonträgern verewigt. Die Bibliotheken sind regalmeterweise mit Literatur vollgestopft, allen voran das Standardwerk „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“ vom Klavierpapst Joachim Kaiser. Das hat es übrigens zu dem Ruhm gebracht, zeitweise das meistgeklaute Buch an Deutschlands Uni-Bibliotheken gewesen zu sein.
Die Sturmsonate: die bis dahin revolutionärste Klavierkomposition des 31-jährigen Genies; ein Dialog des Individuums mit dem Schicksal; ein Kontrast zwischen einem gewalttätigen Fatum und selig Tröstendem. Die Sturmsonate: ein emotional aufgeladener Koloss, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht, und der das Publikum förmlich anspringt. Ein Werk, dem man nicht mit einer wissenschaftlichen Formanalyse beikommen kann. Die hilft allenfalls, die Sonate historisch einordnen zu können. (Die abgespeckte Version einer solchen Analyse gibt’s bei Wikipedia.) Werfen wir lieber einen Blick auf die Lebensumstände Beethovens 1801, als er mit der Komposition begann. Er war damals ein umjubelter Virtuose, der vor allem wegen seines feurigen Geistes und seiner Improvisationskunst gefeiert wurde. Aber sein Gehörleiden war schon so fortgeschritten, dass er am Schicksal zu verzweifeln drohte. Im Oktober 1802 sollte er dann sein berühmtes „Heiligenstädter Testament“ verfassen. Es zu kennen hilft beim Verstehen der Werke aus dieser Zeit. Lassen Sie es sich von Elly Ney vorlesen . Sie identifizierte sich mit Beethoven wie kaum eine andere Pianistin. Ein Kritiker spottete, sie spiele nicht Beethoven, sie sei Beethoven. (Falls Sie einen Eindruck vom Spiel der „Reichsklaviergroßmutter“ bekommen wollen: hier ist sie mit dem zweiten Satz der „Appasionata“.)
Ich möchte Sie nun, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, mit den wichtigsten Motiven der Sonate bekannt machen. Gleich zu Beginn des 1.Satzes wird der dialogische Charakter deutlich: in den ersten Takten ist nichts als Stimmung, in die dann drängende absteigende Seufzersekunden hineinplatzen. Das Hauptmotiv nimmt den aufsteigenden Dreiklang forte auf. Eigentlich beginnt der Satz hier erst richtig. Der Pianist Ronald Brautigam meint sogar, Beethoven habe die vorausgehenden 21 Takte erst nachträglich komponiert. Und noch etwas hören Sie hier: Beethovens unerbittliches Wiederholen wichtiger Passagen, die dadurch an Eindringlichkeit gewinnen. Dieses Prinzip des Insistierens zieht sich durch das ganze Werk. Hier ist eine weitere solche Stelle. Das Dreiklangmotiv, nun bedrohlich zum Fortissimo gesteigert, leitet die Durchführung ein. Und mit diesen vier Schlägen, in steigender Sequenz wiederholt, sind wir schließlich bei der Reprise angelangt. Der Satz endet atmosphärisch, wie er begonnen hat.
Der zweite Satz greift, als eine Art Weiterentwicklung den Beginn des ersten auf. Im Bass imitiert das Klavier bedrohliche Paukenwirbel. Und dann, ein Wunder an Tröstlichkeit und Versöhnlichkeit, eine Melodie von berückender Schönheit, eigentlich die erste wirkliche Melodie im ganzen Stück. Der legendäre Klavierpädagoge Karl-Heinz Kämmerling hat diese Stelle als „Insel des Glücks“ bezeichnet. Und nun hören Sie einmal, wie sich dieses Glück in der Wiederholung noch steigert, nur dadurch, dass es in einer höheren Tonlage erklingt, bevor sich dann die schicksalhaften Paukenwirbel wieder Gehör verschaffen. Resignativ endet der Satz.
Waren die beiden ersten Sätze mehr oder weniger inkohärent, so nimmt das Schicksal im Finale in einer Art Perpetuum mobile den Hörer mit auf eine regelrechte Tour de force. Beethovens Schüler Carl Czerny meint, Beethoven habe sich dabei von einem galoppierenden Pferd inspirieren lassen. Und der Schluss? Der Satz endet piano im atmosphärischen Nichts, wie der erste begonnen hat. – Zur Vertiefung hören Sie gerne in diesen Podcast rein. Der bereits erwähnte Ronald Brautigam teilt darin seine Sicht auf die Sturmsonate. – Eine Einführung in die weiteren Werke der Kirschnereit-Matinee können Sie in wenigen Tagen an dieser Stelle lesen.
]]>Manchen dürfte noch der Auftritt de la Salles im Sommer 2018 auf Schloss Bellver in Erinnerung sein, als sie für die indisponierte Khatia Buniatishvili einsprang und das Publikum mit dem 2.Klavierkonzert von Rachmaninow begeisterte. Damals war sie gerade mal 30 und verfügte bereits über fabelhafte technische Fähigkeiten, die sie nie exhibitionistisch um des Effekts willen in den Vordergrund stellte, was bei Rachmaninow natürlich immer eine Versuchung ist. Gestern Abend erlebten wir diese noble Zurückhaltung in womöglich noch gesteigerter Form. Was nicht heißen soll, dass sie ihr Licht unter den berühmten Scheffel stellte. Natürlich kann sie auch auftrumpfen und ganz großes Kino zelebrieren; aber auch dann vermeidet sie Show-Effekte à la Lang Lang. Selbst die gnadenlos schwierige, von Grieg auskomponierte Kadenz am Ende des Kopfsatzes geriet nicht zum Schaulaufen. Was sie da mit den fünf Fingern der linken Hand aufführte (als hätte sie zehn), wirkte bei aller Brillanz unaufdringlich. So etwas können eben nur die ganz Großen. – Der Klaviereinsatz im Adagio, von samtenem Streicherklang vorbereitet, war zum Niederknien schön. Die tänzerischen Passagen im Finale perlten in jugendlicher Frische aus den Fingern. In der Coda dann zeigte sie – ohne auch nur einen Anflug von brachialer Kraftmeierei -, was sie draufhat. Für den jubelnden Applaus bedankte sie sich mit Schuberts „An die Musik“ (dem Hören nach in dem Arrangement von Gerald Moore). Das Zwischenspiel in dem usprünglich für Singstimme und Klavier komponierten Lied, gehört zu Schuberts schönsten Eingebungen und wurde unter den Händen Lise de la Salles zu einem Höhepunkt des Abends. Dass sie ihre Zugabe ausdrücklich „besseren Zeiten und dem Weltfrieden“ widmete, machte ihr Auftreten noch sympathischer.
Der junge österreichische Dirigent Christoph Koncz ist ein weltweit gefragte Musiker, Auftritte mit Orchestern wie dem London Symphony Orchestra oder dem Orchestre de la Suisse Romande haben ihm als Dirigent und Geiger internationale Reputation eingetragen. Für Sony hat er jüngst sämtliche Violinkonzerte auf Mozarts Originalgeige(!) mit den Musiciens du Louvre eingespielt. Gestern Abend gelang ihm ein Bruckner mit erfreulich wenig Weihrauch. Mit einem durchgestylten Klang und seiner Fähigkeit, aus den Musikern , vor allem den Bläsern, Höchstleistungen herauszukitzeln, mit klug disponierten Spannungsbögen und Herausarbeitung der dynamischen Kontraste lieferte er eine Visitenkarte ab, die nach einer Wiedereinladung ans Pult der Sinfoniker ruft. – Das nächste Konzert, Mozarts Requiem mit Pablo Mielgo in der Kathedrale am 25.03. ist bereits ausverkauft. Für den französischen Abend im Teatre Principal am 18.April mit Werken von Offenbach, Ravel (unter anderem der berühmte Bolero) und Dbussy gibt es Karten auf der Webpage des Theaters.
]]>Edvard Grieg weilte auf Urlaub in Dänemark, als er, gerade mal 25, beschloss, ein großes Konzert für Klavier und Orchester zu komponieren. Zehn Jahre zuvor hatte er Clara Schumann das Klavierkonzert ihres Mannes in Leipzig spielen hören und war hingerissen. Dieses Konzerterlebnis war so nachhaltig, dass sein eigenes Klavierkonzert in vielerlei Hinsicht unüberhörbare Parallelen zu dem großen Vorbild erkennen lässt. Dennoch ist es weit davon entfernt, bloßes Plagiat zu sein. Es steckt voller eigener frischer Ideen und hübscher folkloristischer Anklänge an seine norwegische Heimat. Wie Schumann beginnt er mit einem furiosen Paukenschlag, gefolgt von Akkord-Kaskaden. Auch das Hauptthema kann seine Ähnlichkeit mit Schumann nicht verleugnen.Ein tänzerisches Motiv schließt sich an. Keck virtuos spielt Grieg mit seinem Material – eine technische Herausforderung für den Pianisten. Der zweite Satz ist von lyrischer Schönheit. Hören Sie nur, wie schwelgerisch das Klavier einsetzt! Im Finale dominiert von Anfang anjugendliche Spielfreude. Die Flöte stimmt ein kontrastierendes zweites Thema an, das dann gegen Ende zu voller Power aufläuft und auch die wirkungsvolle Coda bestimmt. - Es war übrigens Wilhelm Backhaus, der das Konzert erstmals auf Tonträger aufnahm, technisch bedingt damals natürlich stark gekürzt. Das und mehr erzählt Ihnen der Kabarettist Michael Lohse in seinem wdr3-Podcast „Meisterstücke“ sehr anschaulich und amüsant.
„Unter Tausenden hat mich Gott begnadigt und dies Talent mir, gerade mir gegeben.“ Man muss nicht katholisch sein, um zu erfassen, welche höheren Mächte Anton Bruckner zum Komponieren seiner Sinfonien getrieben haben. Er war tief religiös – und hatte dabei ein geradezu pathologisches Verhältnis zu allem, was mit Tod, Sterben und Jenseits zu tun hatte. Dvoraks fanatische Vorliebe für Dampflokomotiven ist harmlos dagegen. Man kann im Nachhinein Bruckners Todes-Tick belächeln, aber ganz schön schaurig ist es schon, was seine Biografen da alles zu berichten wissen. Ob amüsiert oder ergriffen wie von einem Stephen King-Roman – tauchen Sie ruhig in dem BR-Podcast „Musikgeschichte“ in Bruckners morbide Fantasiewelt mit ihrem Hang zum Makabren ein. Sie werden danach manches an seinem Werk besser verstehen. – Ob Beethovens Geist tatsächlich über ihn gekommen ist, als er dessen Totenschädel berührte, mag dahingestellt bleiben. Fest steht aber, dass er Musik von Beethoven’scher Größe zu erschaffen wusste. Von „Sinfonien wie Kathedralen“ schwärmen seine Fans, von „großen, auf Überwältigung ausgerichteten Klangräumen“ von „zeitlosen Hochgebirgen aus Ideen“, die er in einsamer Handarbeit auf Notenlinien gebannt habe, ist die Rede. Nicht alle mochten und mögen das. Sein schärfster Kritiker Eduard Hanslick sah in des Meisters Musk einen „traumverwirrten Katzenjammerstil“. Und Leonard Bernstein, sonst geradezu ein begeisterter Trommler für Musik aller Art, fand Bruckner „impossiblyy boring, without personality, awkward and dull, masked in solemnity“. An anderer Stelle wurde Lenny noch deutlicher: „Look, there are no orgasms in Bruckner’s music. He doesn’t reach a climax.“
Sicher, Höhepunkte wie dieser Beckenschlag im zweiten Satz seiner 7. Sinfonie sind eher selten. Und wenn sie denn einmal auftreten, sind sie lang vorbereitet, manche sagen auch „langatmig“. Auf jeden Fall ist seine Musik von Weiträumigkeit geprägt. Hören Sie einmal den riesigen melodischen Bogen zu Beginn des ersten Satzes. So weit hat er den Bogen in keinem seiner Werke gespannt. Zwanzig Minuten später endet der Satz dann so. – Der zweite, "Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam“, hat auf sehr direkte Weise mit dem Tod zu tun. Als Bruckner ihn in Arbeit hatte, erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines abgöttisch verehrten Idols Richard Wagner. Er konzipierte daraufhin den Satz komplett neu und erweiterte die Instrumentation, in memoriam sozusagen, um eine Wagnertuba. Er wurde mit 23 Minuten zu seinem längsten Satz überhaupt. Satz Nummer drei ist ein Scherzo. Es beginnt piano und endet fortissimo. Das Finale hat einen ähnlichen Verlauf: es fängt ganz leise an und erreicht dann in einer regelrechten Berg- und Talfahrt dieses bombastische Ende.Auch zu diesem Werk gibt es einen sehr hörenswerten und informativen Podcast. Karten können Sie hier erwerben.
]]>Die Reise in die erste Hälfte des 20.Jahrhunderts begann mit dem spätesten Werk, mit Francis Poulencs 1958 entstandener Flötensonate, kongenial für Orchester arrangiert von Lennox Berkeley. Zeitgenossen haben Poulenc nachgesagt, er fühle sich eher in „charmanter Vulgarität(!) als in romantischer Gefühlstiefe“ wohl. Dabei darf man vulgär natürlich nicht mit ordinär gleichsetzen, wie man das landläufig tut; der Duden lässt auch "einfach“ und „oberflächlich“ als Übersetzung zu. Charmant ist Poulencs zum Teil neoklassizistische Musik allemal. Seine Begeisterung für Mozart scheint immer wieder durch. (In seinem Ballett „Les Biches“ zitiert er ihn sogar mehrmals!) Und charmant virtuos wurde seine Musik gestern Abend auch musiziert. Pahud glänzte mit überragender Technik, Mielgo schuf mit seinem Orchester dazu einen heiter-lichten Rahmen, mit geschmeidig aufspielenden Streichern und delikaten Tupfern der Bläser. – Auch das Flötenkonzert von Carl Reinecke, ein Alterswerk aus dem Jahr 1908, verströmte klassischen Geist. Die allesamt liebenswürdig-melodiösen drei Sätze gerieten zu heiterer, geistreicher Unterhaltung vom Feinsten. Für den enthusiastischen Beifall bedankte sich Pahud mit „Density“ von Edgar Varese. Über den spottet Georg Kreisler zwar in seinem Song „Der Musikkritiker „Hindemith, Strawinsky und Varese sind zwar gut, doch ich bin bese“. Aber allzu böse brauchte man nicht zu werden. „Density“ ist, wie der Name sagt, ein dichtgepacktes Kompendium virtuosen Flötenspiels, mit dem Pahud noch einmal die ganze Bandbreite seines Instruments vorführen konnte.
Nach der Pause konnte man dann in die raffiniert ausgetüftelte Klangwelt Maurice Ravels eintauchen. Zunächst mit dem Welthit „La Valse“. Vom bedrohlichen Grummeln der Bässe über (persiflierte) Walzerseligkeit à la Johann Strauß bis hin zum durch Marschrhythmen konterkarierten Schluss führte Mielgo die „Demontage“ eines Walzers vor, klanggewaltig mit einem (einmal mehr) bestens aufgelegten Orchester. – Die zweite Suite aus „Daphnis et Chloé“ erklng abschließend in der ganzen Pracht impressionistischer Instrumentation: verträumt das „Erwachen des Tages“, furios mitreißend der „Danse générale“ am Ende. Stürmischer Applaus auch dafür. Am Ende bedankte sich ein strahlender Pablo Mielgo bei Orchester und Publikum.
Das nächste Konzert (am 21.03. im Auditorium von Palma) beschert uns ein Wiedersehen mit der französischen Starpianistin Lise de la Salle. Sie wird das Klavierkonzert von Edward Grieg spielen, im Anschluss erklingt die 7.Sinfonie von Anton Bruckner. Beides unter der Leitung von Christoph Koncz. Auch auf das Osterkonzert darf ich hier schon hinweisen: am Ostermontag dirigiert Pablo Mielgo das Requiem von Mozart in der Kathedrale von Palma.
]]>Francis Poulenc, zusammen mit Darius Milhaud, Jacques Ibert, Claude Debussy und Maurice Ravel einer der wichtigsten französischen Komponisten des 20.Jahrhunderts, schrieb seine Flötensonate ursprünglich mit einer Klavierbegleitung. Im Konzert erklingt sie in der Orchesterbearbeitung des englischen Komponisten Lennox Berkeley (1903-1989). Dessen Klangsprache ist licht und Streicher-dominiert, wie bereits zu Beginn des Kopfsatzes zu hören ist. Im Verlauf der drei Sätze kommen weitere Klangfarben dazu. Hier der Schluss. – Carl Reinecke (1824-1910) war ein äußerst vielseitiger deutscher Komponist, Pianist und Dirigent, der als „graziöser Mozartinterpret“ gefeiert wurde. Die heiter-klare Welt Mozarts bestimmt auch seine eigenen Werke, seine Instrumentation besticht durch Transparenz und Ausgewogenheit, schön zu hören in seinem Flötenkonzert in D-dur, op.283. Hören Sie den Beginn des 1.Satzes. Auf ein verhaltenes Lento maesto folgt ein ebenso gelöstes Finale im gemäßigten Tempo Moderato. Hier Anfang und Schluss.
„La Valse“ hält der französische Dirigent Stephane Deneuve trotz einer Dauer von nur 13 Minuten für Ravels „vielleicht größtes Orchesterwerk“, wie er in dem br-Podcast „Das starke Stück“ erklärt. Ursprünglich als Ballett konzipiert, erklingt es heute vor allem als Konzertstück auf den Podien der Welt und entfaltet dort eine ungeheuer suggestive emotionale Wirkung. „Wir befinden uns in einer kaiserlichen Residenz in Wien im Jahr 1855. Flüchtig lassen sich durch Nebelschleier hindurch tanzende Walzerpaare erkennen.“ So beschreibt der Komponist die Szenerei, die er in seinem „poème choréographique“ musikalisch eingefangen hat. „Nach und nach lösen sich die Schleier auf, man erblickt einen großen Saal mit zahllosen kreisenden Menschen.“ Ravel war ein großer Verehrer der Walzertradition, und so wollte er eigentlich eine Hommage an den Wiener Walzer und dessen König Johann Strauß schreiben. So der Plan, als er 1906 mit der Komposition begann. Doch dann kam der Erste Weltkrieg, und so ließ Ravel die Arbeit an seinem Werk ruhen. Als der Krieg endet, ist er ein anderer. Das schlägt sich auch in seiner Arbeit, die er erst 1919 auf Bitte des Impressario Serge Diaghilew wieder aufnimmt, nieder. Aus dem eleganten Walzertraum von einst wird nun ein Albtraum-Szenario. Eine ganze Gesellschaft rast ihrem Untergang entgegen. Diaghilew gefiel das gar nicht, und so erklang „La Valse“ zum ersten Mal als reines Orchesterstück 1920 in Paris. So endet es.
„Es ist paradox: wohl kaum ein Komponist steht so sehr für Erotik in der Musik wie Maurice Ravel. Welche Leidenschaften er privat hegte, darüber ist so gut wie nichts bekannt. Seine Musik jedenfalls steckt voll von überwältigender Sinnlichkeit,“ erklärt der Kabarettist Michael Lohse in seinem Podcast „Meisterstücke“ (wdr3) über „Daphnis et Chloé“. Ein „Schäferstündchen im antiken Griechenland“, genauer gesagt in jenem Arkadien, das uns die Dichter zurechtgezimmert haben. Es beginnt mit dem Erwachen eines neuen Tages, mit Vogelgezwitscher. Der zweite Satz der Suite ist mit „Pantomime“ überschrieben und beginnt so. Höhepunkt ist das Finale: „Danse géneral“ mit seinem mitreißenden Schluss. Mehr als ich Ihnen hier erzählen kann erfahren Sie in „Klassik to go“ über dieses Werk, das Mielgo wohl mit Bedacht ans Ende des Konzertabends gesetzt hat. Karten für dieses faszinierende Konzert gibt’s wie immer auf der Webpage des Auditoriums.
]]>Es ist nicht bekannt, ob der 12-jährige Joseph Joachim anno 1844, als er Beethovens Violinkonzert (mit einem Londoner Orchester) zum Durchbruch verhalf, auch die Tutti-Stimme der ersten Geigen mitspielte, wie Fullana das gestern Abend tat. Auf jeden Fall aber hatte er einen Dirigenten zur Seite: Felix Mendelssohn, der den Orchesterleiter als eigenständigen Beruf etabliert hatte. Er wusste wohl, warum… Nicht nur, dass ein großes Orchester einen Chef braucht, der das Zusammenspiel koordiniert. Ein Solist, der gleichzeitig auch die Funktion des Konzertmeisters übernimmt, sieht sich vor das Problem gestellt, ständig zwischen Tutti-Ton und solistischer Tongebung zu wechseln, was nicht immer gelingt. Keine Frage: Fullana überzeugte als Virtuose, aber das Orchester stand ihm stellenweise blockhaft und isoliert gegenüber, das konzertante Miteinander blieb auf der Strecke. Stellen, an denen Beethoven bewusst auf Kontraste gesetzt hatte, nahmen dabei keinen Schaden. Aber in den dialogischen Passagen, vor allem im zweiten Satz, wollte sich kein organisches Ganzes ergeben. – Für den Beifall bedankte sich Fullana mit einem Stück von Bach, das er nicht anzukündigen brauchte; es ist in allen möglichen Arrangements, unter anderem von den Swingle Singers, bestens bekannt.
Nach der Pause bot sich ein ungewohntes Bild: Fullana nahm auf dem Stuhl des Konzertmeisters Platz, auf dem beim Beethoven-Konzert noch Smerald Saphiu gesessen hatte. Das vermittelte zwar den schönen, demokratischen Eindruck vom primus inter pares, hatte aber nicht ganz unproblematische Folgen. Das Zusammenspiel eines Orchesters dieser Größe lässt sich nun mal nicht demokratisch regeln, es bedarf eines Chefs, der das Ganze zusammenhält. Und so blieben die einzelnen Instrumentengruppen über weite Teile sich selbst überlassen. Natürlich sind die Musiker des OSIB allesamt Profis, sie kennen ihre Einsätze, aber für einen ausgewogenen Gesamtklang brauchen sie einen Koordinator. Diese Funktion konnte Fullana nicht erfüllen, zumal er zur linken Hälfte des Orchesters keinen Blickkontakt hatte. Und so führten sie ein Eigenleben, das sich, um nur ein Beispiel zu nennen, am Ende dest zweiten Satzes störend bemerkbar machte: da trumpften (ab Takt 88) plötzlich die Hörner auf, als handle es sich um eine Bruckner-Sinfonie. – Das Menuett wirkte durch die überbetonten Pauken, bei einem zudem zügigen Tempo, unfreiwillig komisch. Und auch das Finale wurde von den Pauken förmlich zu Tode geprügelt. Dieser letzte Satz kann (und darf) eine rauschhafte Wirkung entfalten. Aber das kann er eben nur, wenn eine fein austarierte Dynamik innerhalb eines homogenen Gesamtklangs für den nötigen Drive sorgt. Davon konnte gestern Abend keine Rede sein, und so wirkte der Satz grobschlächtig und stellenweise fast vulgär. Schade.
Das nächste Konzert findet am 14.März im Auditorium statt: auf dem Programm stehen die Sonata von Poulenc, das Flötenkonzert von Reinecke, die zweite Suite aus „Daphnis et Chloé“ von Ravel und dessen Welthit „La Valse“. Für den Flötenpart konnte Emmauel Pahud gewonnen werden, am Pult steht Pablo Mielgo. Karten wie immer hier.
]]>Nach dessen Uraufführung, am 23.Dezember 1806 im Theater an der Wien, hielt sich die Begeisterung von Publikum und Kritikern nämlich durchaus noch in Grenzen. Gewiss, man goutierte „die Originalität und die mannigfaltigen schönen Stellen“. Aber der Wiener Kritiker Möser war der Meinung, „daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine, und daß die unendlichen Wiederholungen einiger gemeiner Stellen leicht ermüden könnten… und daß Beethoven seine anerkannten großen Talente gehöriger verwenden, und uns Werke schenken möge, die seinen ersten großen Symphonien aus C und D gleichen.“ – Wenn Joachim das Werk als „konzessionslos“ bezeichnet, will er damit wohl sagen, dass es keinerlei Zugeständnisse an den Virtuosen macht, auf jede Art von Showeffekten verzichtet. In der Tat: trotz einiger technischen Schwierigkeiten (ersichtlich im Druckbild der Violinstimme) ist es kein eigentliches „Virtuosenfutter“. Kein Wunder, dass der „Teufelsgeiger“ Paganini es nur ein einziges Mal öffentlich gespielt hat. Er wollte glänzen, das Publikum mit seiner Virtuosität überwältigen. Und das konnte er mit dem Beethovenkonzert genauso wenig wie mit dem bei Berlioz in Auftrag gegebenen Bratschenkonzert (das schließlich als „Harold in Italien“ in die Konzertsäle gelangte). Heute gehört das Beethovenkonzert zum Repertoire aller großen Geiger.
Der erste Satz beginnt mit vier dezenten Paukenschlägen, danach stimmen die Holzbläser das Hauptthema an. Das ganze Orchester (die Besetzung können Sie der ersten Partiturseite entnehmen) setzt Akzente, Ausrufezeichen sozusagen, wie sie bei Beethoven häufig vorkommen. Das zweite Thema ist lyrischer Natur, wie es sich in einem Sonatensatz gehört. Nach etwa drei Minuten greift dann der Solist in das Geschehen ein, mit einem aufsteigenden Dreiklang über eine Oktave. Die Exposition nimmt ihren Lauf, das Soloinstrument umspielt und variiert die Themen. In der Durchführung dominiert das zweite Thema, und es leitet auch die Coda am Schluss des Satzes ein.
Der zweite Satz, ein Larghetto, beginnt kantabel, nach etwas einer Minute setzt die Geige ein.Das Finale ist eine Mischumg aus Rondo und Variationssatz. Das Hauptthema trägt fast gassenhauerische Züge und wird, damit es sich im Ohr des Publikums „einnisten“ kann, mehrmals wiederholt, zunächst von der Geige, dann vom ganzen Orchester. Dann nimmt das Rondo seinen Lauf. Zwischen dem immer wiederkehrenden Hauptthema, dem Refrain, erklingen als Zwischenteile die „Strophen“. Hier die erste. Eine wirkungsvolle Coda beschließt Satz und Werk. – Restkarten für das morgige Konzert im Teatre Principal gibt’s online hier. – Meine Einführung in das zweite große Werk des Abends, Mozarts Jupitersinfonie, können Sie hier noch einmal nachlesen.
]]>Fast alle Meisterwerke der Musikgeschichte bieten Ansatzpunkte für kritische Anmerkungen, sei es Stagnation in der musikalischen Entwicklung, seien es „Leerstellen“ oder instrumentatorische Details. So ließ sich zum Beispiel Sergiu Celibidache dazu hinreißen, das Chorfinale von Beethovens Neunter hinsichtlich der Orchestrierung als „scheußlichen Salat“(!) zu bezeichnen. An fast allen großen Sinfonien fanden Kritiker ein Haar in der Suppe. Nicht so an Mozarts letzter Sinfonie. Sie können das Internet auf den Kopf stellen und tagelang nach boshaften Bemerkungen über KV551 suchen – Sie werden nichts finden. Die Jupitersinfonie steht wie ein unanfechtbarer Fels in der Brandung böswilliger Beckmesserei. Stattdessen begegnen Ihnen Elogen, die schon etwas Hymnisches haben: in London wurde die Sinfonie als „höchster Triumph der Instrumentalkomposition“ gefeiert; die Allgemeine musikalische Zeitung schrieb 1846: „Die Sinfonie von Mozart mit der Schlussfuge, wie rein und klar sind alle Bilder darin! Nicht mehr und nicht weniger hat jedes, als es seiner Natur nach haben soll.“ Der Mozartbiograf Bernhard Paumgartner resümierte: „Wie ein Triumphgesang kraftbewusster Herrlichkeit hebt sich die C-dur-Sinfonie als strahlender Ausklang über alles Erdenleid zu lichten Höhen. Beglückung des Seins in kühn spielendem Bezwingen der Materiezu edler Geistesform ist ihr Sinn.“ Und Kurt Pahlen, Autor zahlreicher Werkmonografien, schrieb über das Finale: „Hier kann uns Mozart selbst als Gott erscheinen, der nach freiem Willen Sternbilder in der Unendlichkeit des Weltraums schafft, zusammenfügt und lenkt. Die Großartigkeit dieses Satzes entgeht keinem Hörer; aber sein volles Verständnis erschließt sich nur den Eingeweihten, die diesem vollendeten polaphonen Geflecht, den Stimmen und Themen folgen können.“
Bereits die ersten acht Takte des Kopfsatzes zeigen in ungeheurer Konzentration, wie Mozart arbeitet. Gegensätze auf engstem Raum: laut-leise, staccato-legato, rhythmisch-melodisch, ganzes Orchester-nur Streicher.: so ist das erste Thema, eigentlich ein ganzer Themenkomplex, konstruiert. Auf der ersten Seite der Partitur können Sie das im Notenbild sehen. Das zweite Thema stellt, wie es sich für einen Sonatensatz gehört, ebenfalls einen Gegensatz zum ersten dar: lyrischer Melos contra dramatischer Rhythmik. Wie weit Mozart über das Herkömmliche hinausgeht, zeigt sich darin, dass ihm zwei Themen nicht genügen, er führt ein drittes ein, das dann später den Hauptgedanken der Durchführung bildet. Diese Durchführung, ursprünglich der Ort, an dem die sinfonische Entwicklung der Themen stattfindet, ist kurz. Sie kann es sein, weil Mozart diese motivische Verarbeitung bereits in der Exposition teilweise vorweg genommen hat. Hören Sie sich ihren Schluss, beginnend mit dem dritten Thema, einmal an. Er khrt am Ende der Reprise, also ganz zum Schluss des Satzes, wieder, um eine dramatische Coda erweitert, die bereits das Ende der ganzen Sinfonie vorwegnimmt.
Im zweiten Satz, einem Andante cantabile, kehrt Mozart den laut-leise-Gegensatz des ersten um. Diesem Prinzip folgt auch das Menuett. Hören Sie sein Hauptthema und den Beginn des Trios. – Höhepunkt der Sinfonie ist das Finale, mehr als das: man kann diesen vierten Satz getrost als Gipfelpunkt der gesamten abendländischen Musik bezeichnen. Hier macht Mozart das schier Unmögliche möglich und überbietet alles, was davor an sinfonischer Satztechnik in Ersccheinung getreten ist. Es ist eine Versöhnung zwischen barocker Plyphonie und klassischer Homophonie, zwischen Fuge und Sonatensatzform. Nicht weniger als vier Themen setzt er dafür ein. Die vier Töne des ersten durchziehen wie ein cantus firmus den den ganzen Satz. (Diese Tonfolge taucht übrigens bereits in Mozarts allererster Sinfonie, KV16, und in zahlreichen weiteren Werken auf.) Ein zweites Thema, das später auch als Umkehrung erscheint, folgt. Das dritte Thema – man muss aufpassen, dass man es nicht verpasst – wird später mit dem vierten kombiniert – auch hier wieder Komplexität auf engstem Raum. Der Schluss des Finales ist an Genialität kaum zun überbieten: angeführt vom anfänglichen cantus firmus, jetzt in triumphalem Forte, werden noch einmal alle Register kunstvoller Polyphonie gezogen, der cantus firmus schwingt sich in steigenden Sequenzen empor in den Himmel der Vollkommenheit, bevor die Sinfonie dann homophon endet. Dieses Ende markiert den Aufbruch in eine neue Zeit. Der Themendualismus der Sonatensatzform wird für die nächsten zweihundert Jahre das musikalische Geschehen bestimmen. - Die ganze Sinfonie können Sie auf YouTube mit Lorin Maazel hören und sehen. Wenn Sie noch ein Ticket für das Konzert am kommenden Donnerstag im Teatre Principal – Francisco Fullana wird dann am Pult der Sinfoniker stehen – ergattern wollen, müssen Sie sich sputen; die guten Plätze sind so gut wie ausverkauft.
]]>Schuberts zweisätziger Torso, mit dem er endgültig Abschied von der Verbindlichkeit der Wiener Klassik nahm, gehört zu den wenigen Werken, in denen die Kontrabässe das erste Wort haben, wie Patrick Süßkind in seinem amüsanten Einakter „Der Kontrabass“ feststellt. Wie sie das gestern Abend taten, nicht im Pianissimo (wie etwa bei Sergiu Celibidache oder Günther Wand, beide große Schubert-Dirigenten), sondern bedrohlich unheilverkündend, machte von Anfang an deutlich, dass Mielgo eher auf das Dramatische denn auf das Atmosphärische setzte. Folglich räumte er auch den Bläsern die ihnen gebührende Dominanz ein, ließ sie scharfe Akzente setzen, statt sie in einem streicherbetonten Gesamtklang aufgehen zu lassen. Dieses Konzept war ganz auf Kontraste ausgerichtet, zwischen Ländler-Seligkeit einerseits und den seelischen Abgründen, die der Grübler Schubert, fast schon Brahms vorwegnehmend, in seine Partitur gepackt hatte. Dazu gehörte auch die ausgeklügelte Gewichtung vermeintlicher Nebenstimmen. Was debei herauskam, war kein Schubert zum Zurücklehnen, sondern ein packendes Seelendrama.
Die britische Geigerin Leia Zhu steht noch am Anfang ihrer Karriere, hat aber mit ihren 16 Jahren bereits beachtliche internationale Erfolge vorzuweisen: so ist sie, unter anderem, mit den London Mozart Players, dem London Symphony Orchestra unter Simon Rattle, dem Tonhalle Orchester unter Paavo Järvi, in der Royal Festival Hall, der Berliner Philharmonie und der Tschaikowsky Concert Hall in Moskau aufgetreten. Trotzdem möchte man ihr derzeit (noch) nicht das - sowieso bisweilen inflationär verwendete – Prädikat „Ausnahmetalent“ anheften. Im Moment ist sie eine „junge Wilde“, unbezähmbar energiegeladen, auf einem atemberaubenden technischen Niveau, berstend voll mit jugendlichem Ungestüm. Da bleibt dann die kantable Schönheit, zu der ihr Instrument auch fähig ist, schon mal auf der Strecke. Ihr Spiel hat noch nicht die Tiefe beispielsweise einer Hillary Hahn oder einer Arabella Steinbacher (um nur einige Kolleginnen zu nennen). Und so bestach sie gestern vor allem in den Ecksätzen des Dvorak-Violinkonzerts, in denen sie mit Ganzkörpereinsatz die Anforderungen, die Dvoraks Partitur – auch physisch – fordert. Auch die beiden Zugaben, die das begeisterte Publikum mit standing ovations verlangte, nutzte sie zur Demonstration ihrer außergewöhnlichen technischen Fähigkeiten.
Im nächsten Konzert, am 7.März im Teatre Principal, setzt Francisco Fullana mit dem Beethoven-Violinkonzert die Reihe der gastierenden Geiger fort. Außerdem dirigiert er im zweiten Teil Mozarts Jupitersinfonie. Kartn gibt’s hier. Das Konzert wird am 8.März im Auditorium von Manacor wiederholt. – Am 14.März erwartet uns im Auditorium von Palma ein französischer Abend mit Werken von Poulenc und Ravel unter der Leitung von Pablo Mielgo. Und, um die Vorschau für März zu vervollständigen: am 21. spielt Lise de la Salle, ebenfalls im Auditorium, das Klavierkonzert von Grieg. Außerdem steht an diesem Abend die 7.Sinfonie von Bruckner auf dem Programm.
]]>Sein Violinkonzert, das am Donnerstag die britische Geigerin Leia Zhu für uns spielen wird, begann Dvorak 1879 auf Anregung seines Verlegers zu schreiben. Auf den Rat des Geigers Joseph Joachim schrieb er es komplett um. Joachim führte es zunächst in privatem Rahmen auf, bei der ersten öffentlichen Präsentation 1883 wurde es ein großer Erfolg. Dieser Erfolg verdankt sich den volkstümlichen Melodien, der opulenten Instrumentierung und der virtuosen Raffinesse des Violinparts. (Geige und Bratsche waren Dvoraks Instrumente, an denen er praktische Erfahrungen gesammelt hatte.) Bereits die ersten Takte nehmen den Hörer gefangen. Im weiteren Satzverlauf wechseln sich hochvirtuose Solopassagen mit sehr gesanglich gestalteten Abschnitten ab. Der zweite Satz (in F-dur) ist ungewöhnlich lang und ebenfalls sehr kantabel gehalten. Der dritte, eine Kombination aus Sonatensatz und Rondo (hier das Hauptthema) steckt voller Volksliedthemen, In strahlendem Dur zeichnet ein Furiant Bilder eines ausgelassenen Festes. Arabella Steinbacher schildert in dem Podcast „Das starke Stück“ von br klassik ihre persönliche Sichtweise auf das Werk. – Wenn Sie sich einhören wollen. Bei YouTube gibt’s einen Konzertmitschnitt von Joshua Bell.
Schuberts „Unvollendete“ bildet schon in den ersten Takten einen nicht zu überhörenden Gegensatz zum Dvorak-Konzert. Beginnt dieses mit dem voluminös besetzten ganzen Orchester, so kommt das initiale Grundmotiv der Schubertsinfonie piano aus den Tiefen der Kontrabässe, drohend, unheimlich, vergleichbar dem berühmten Bruckner’schen Urnebel. Eine ländlich-idyllische Melodie schließt sich an, in die aber alsbald das volle Orchester bedrohlich einbricht. (Wir haben diese Zerstörung friedlicher Heiterkeit in den letzten Konzerten bei Mahler und Tschaikowsky erlebt.) Auch bei Schubert gibt es eben kein ungetrübtes Glück, Heiteres im Sinne von „lustig“ schon gar nicht. „Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht!“ soll er einmal gesagt haben. Immer lauert hinter der Fassade heiterer Gelassenheit das Dunkle, das Bedrohliche. – Der zweite Satz steht traditionsgemäß im Kontrast zum dramatischen Kopfsatz und bildet in seiner E-dur-Wärme und seiner sich zu hymnischen Liebesgeständnissen aufschwingenden Glückseligkeit einen Gegenpol zum ersten. Warum Schubert es bei zwei Sätzen beließ, ist bis heute unklar. Der Kalauer von der „vollendeten Unvollendeten“ ist ärgerlich, weil er die Möglichkeit, das Werk könnte es an künstlerischer Vollkommenheit mangeln lassen, impliziert. Alles, was Schubert komponierte, ist vollkommen. Qualitative „Ausrutscher“ gibt es bei ihm nicht. – Auch zur „Unvollendeten“ gibt es einen erhellenden Podcast in der ARD Audiothek. Wenn Sie mehr über Schuberts Lebensumstände zur Zeit der Arbeit an der Sinfonie erfahren möchten: das 6. Kapitel der br-Hörbiografie bringt sie Ihnen nahe. Zum Einhören empfehle ich Ihnen den Konzertmitschnitt von Iván Fischer. Karten für das Konzert gibt’s wie immer hier.
]]>In der Zeit der Frühromantik erlebte Shakespeare (in der Übersetzung von Schlegel und Tieck) eine Renaissance auf Deutschlands Bühnen. Die Lektüre des „Sommernachtstraums“ inspirierte den jungen Mendelssohn 1826 zur Komposition der Ouvertüre, op.21, der er fast zwei Jahrzehnte später die komplette Schauspielmusik, inklusive des berühmten Hochzeitsmarschs, als sein Op61 folgen ließ. Die Ouvertüre leitete das gestrige Konzert ein. Dass der von vielen totgesagte Konzertablauf „Ouvertüre-Solokonzert-große Sinfonie“ immer noch Überraschungen bieten kann, demonstrierte danach Daniel Lozakovich mit dem Mozartkonzert. Lozakovich, der mit neun sein erstes Konzert gab und mit 15 einen Plattenvertrag bei der Deutschen Grammophon unterschrieb, ist einer der gefragtesten jungen Geigenstars der Gegenwart. (Näheres zu seiner Vita im Programmheft). Mozart schrieb sein letztes ihm sicher zugeschriebenes Violinkonzert 1775, bevor er sich ein Jahr später, mit KV238, endgültig dem Klavier als Soloinstrument zuwandte. Die Rolle der Holzbläser, die in den Klavierkonzerten zum tragenden Element wurde, zeichnet sich bereits im Violinkonzert KV216 ab. Hattori gestaltete diese Passagen mit leichter Hand, die Streicher ließ er weich und mit wohldosiertem Vibrato musizieren(und ohne die Kälte, die „historisch informierte“ Aufführungen meist kennzeichnen). Lozakovichs Spiel zeichnete sich durch jugendliche Frische und betörende Tonschönheit aus. Dafür gab’s euphorischen Applaus, den er mit zwei Zugaben belohnte.
Nach der Pause dann ganz großes Kino für die Ohren: Tschaikowskys Schicksalssinfonie, Nr.5 in e-moll, aus dem Jahr 1888. Hattori holte aus der prachtvoll instrumentierten Partitur alles an Farbigkeit (und Feuer) heraus, was möglich war. Über der warmen Grundierung der (tiefen) Streicher entfalteten die Holzbläser ihre Kantilenen und das Blech schmetternde Power. Durch zügige Tempi vermied er das Abgleiten ins Kitschige, eine Gefahr, die bei Tschaikowskys großen Sinfonien immer lauert und , erliegen Dirigent und Orchester ihr, der Aufführung dann ihre Sprengkraft raubt und die Musik zu einem Hollywood-Soundtrack degradiert. Unter Hattoris Leitung, äußerst dynamisch und übrigens ohne Taktstock, krachte das Schicksalsmotiv in die Idylle beispielsweise des zweiten Satzes. Im vierten Satz hielt er den Spannungsbogen bis zum finalen Showdown, vier martialischen Orchesterschägen, die, zumindest rhythmisch, an das Klopfmotiv am Beginn von Beethovens Fünfter denken ließen. – Auch der Dirigent (und einzelne Instrumentengruppen) wurde mit frenetischem Beifall bedacht.
Das Konzert wird heute Abend im Auditorium von Manacor wiederholt. Es gibt noch Karten. – Im nächsten Konzert, am 15.Februar im Auditorium, spielt die Geigerin Leia Zhu unter der Leitung von Pablo Mielgo das Violinkonzert von Dvorak, außerdem gibt’s Schuberts „Unvollendete“. Karten auf der Website des Auditoriums.
]]>Er selbst war bei Mit- und Nachgeborenen, bei Kollegen und Kritikern andererseits auch nicht eben everybody’s darling: Gustav Mahler beispielsweise bescheinigte seiner sechsten Sinfonie Erfindungslosigkeit und Leere, sie sei „nichts Besseres als Salonmusik“; Nikolai Rubinstein, dem er sein erstes Klavierkonzert widmen wollte, hielt dieses op. 23 für unspielbar und befand, es müsse komplett umgeschrieben werden. (Was Tschaikowsky zwar kränkte, ihn tatsächlich aber unbeeindruckt ließ: „Nicht eine Note werde ich ändern!“ – Das Genie als Kritiker, das kritisierte Genie.
Die fünfte Sinfonie in e-moll hat man oft als Tschaikowskys „Schicksalssinfonie“ bezeichnet. Ähnlich wie Beethovens Fünfte funktioniert sie nach dem Motto „Durch Nacht zum Licht“: das Schicksalsmotiv (urnebelartig zu Beginn des ersten Satzes aus dem Nichts auftauchend) zieht sich durch das ganze Werk. - Natürlich hat jeder der vier Sätze eigene Themen. Das Hauptthema des Kopfsatzes, das auf das Schicksalsmotto folgt, klingt so. Im weiteren Verlauf entwickelt Tschaikowsky es dramatisch. Den 2. Satz (Sie können darin das „Lied der Taiga“ hören, oder auch – besser – nicht) leitet eine lyrische Hornmelodie ein. Aber – ähnlich wie später bei Mahler – ist der Friede nicht von Dauer. Das Schicksalsmotiv kracht unerbittlich in die Idylle. Der dritte Satz ist ein Walzer. Zunächst wenigstens, denn auch hier ist die Seligkeit nicht von Dauer: eine turbulente Entwicklung stiftet Unruhe.
Höhepunkt ist das Finale. Ausgerechnet dieser Satz gefiel Brahms, der das Werk ansonsten schätzte, gar nicht. Zu grell und plakativ sei das alles, der „Triumph“ über das Schicksal wirke aufgesetzt. Gleich zu Beginn erscheint das Schicksalsmotiv, das sich zu einem regelrechten Thema entwickelt hat – in Dur! Fast majestätisch schreitet es einher. Doch bevor es am Ende in großer Besetzung endgültig triumphieren darf, wird es von einem fast hektischen Gedanken konterkariert. Umso wirkungsvoller ist dann die finale Apotheose. - Die Lebensumstände des Komponisten zur Zeit der Arbeit an der Fünften können Sie sich von Udo Wachtveitl im 8.Kapitel der gut gemachten Hörbiografie des Bayerischen Rundfunks erzählen lassen. Zum Kennenlernen der ganzen Sinfonie empfehle ich Ihnen den Videomitschnitt einer Aufführung durch das hr-Sinfonieorchesters unter Manfred Honeck. – Joji Hattori leitet die Aufführungen am 8.Februar in Palma und am 9.Februar in Manacor.
]]>Und so lag sein Klavierkonzert Nr.1 in d-moll, op.15, bei Gerhard Oppitz in besten Händen. Erstaunlich viele Pianisten haben es nicht im Repertoire, Martha Argerich gar mit der kühnen Begründung, Brahms sei etwas für Frauen, „die sich zu älteren Männern hingezogen fühlen“, o-Ton Big Martha! (Man darf mutmaßen, dass sie dabei weniger seine Musik im Auge hatte als vielmehr das bekannte Foto, auf dem der alte Brahms behäbig, mit Rauschebart und Zigarre, am Flügel sitzt!) - Oppitz ist mit seinen 71 Jahren selbst ein „älterer Mann“ (was in dieser Branche nichts heißen will, Horszowski hat mit 96 sein letztes Konzert gegeben, Badura-Skoda war auch schon über 90, als er zum letzten Mal in Palma auftrat.) Oppitz verfügt noch über die ganze Bandbreite seines (enormen) technischen Könnens. Dessen Ausspielung ist bei ihm aber nie Selbstzweck, er stellt es ganz in den Dienst am Komponisten. Knifflige Passagen – und davon gibt es in diesem Konzert eine Menge – „saßen“ auf den Punkt, scheinbar unbedeutende Begleitfiguren erhielten Gewicht, die bisweilen herbe Schönheit Brahms’scher Melodien spielte er mit dem Tiefgang, mit dem der Komponist sie empfunden hatte. – Zu der harmonischen Balance zwischen Solopart und Orchester, wie sie gestern Abend zu erleben war, gehören natürlich zwei: mit Pablo Mielgo hatte Oppitz einen Partner an der Seite, der dieses Konzept der Ausgewogenheit mittrug (und vor allem umsetzte!), ohne dabei die große sinfonische Form aus den Augen zu verlieren und ab und an auch einmal auf die Pauke zu hauen. Insgesamt vermittelte die Aufführung den Eindruck größtmöglicher künstlerischer Integrität.
Gleiches lässt sich über die Wiedergabe der dritten Sinfonie in F-dur, op.90, sagen. Die gegenüber dem „Sturm-und-Drang-Konzert“ abgeklärt wirkende Komposition mit ihrer lichteren Instrumentation dirigierte Mielgo sehr transparent. Der Holzbläserbeginn des zweiten Satzes erblühte in berückender Schönheit. Das Poco Allegretto strahlte trotz seiner Grundtonart c-moll verhalten-freudigen Dur-Charakter aus. Im (ebenfalls in Moll stehenden) Allegro-Finale spannte sich der Bogen von energiegeladenen Ausbrüchen bis zu den verhaltenen Schlusstakten. –
Für die Wiederholung heute Abend in Manacor gibt’s hier (noch) Karten. Im nächtsen Konzert kehrt Joji Hattori zurück ans Pult der Sinfoniker. Er hat neben dem Sommernachtstraum von Mendelssohn und dem 3.Violinkonzert von Mozart (KV216) Tschaikowskys fünfte Sinfonie im Handgepäck. Den Solopart im Mozartkonzert wird Daniel Lozakovich übernehmen. Auch dafür gibt es bereits Karten.
]]>Johannes Brahms war 21,mitten in seiner „Sturm- und Drangperiode“ und stand noch unter dem schockierenden Eindruck des Selbstmordversuches seines Freundes und Förderers Robert Schumann am Rosenmontag 1854, als er mit der Komposition einer Sonate für zwei Klaviere in d-moll begann. Schumann hatte ihn noch 1853 in seinem letzten Artikel in der Neuen Zeitschrift für Musik geradezu als Sensation angekündigt. Unter der Überschrift „Neue Bahnen“ hatte er geschrieben: „Er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Tiefe schaffend … das ist ein Berufener.“ Und hatte mit diesen Vorschusslorbeeren seinem jungen Protegé eine gewaltige Verantwortung aufgebürdet, die den Schaffensprozess des sowieso skrupulösen Brahms eher belastete als förderte. Die Instrumentierung für zwei Klaviere erwies sich bald als unzureichend für das, was er ausdrücken wollte. Nach dem Versuch, eine Sinfonie daraus zu machen, wurde schließlich ein Klavierkonzert daraus – und ein Meilenstein dieser Gattung. Bereits der erste Satz dieses kolossalen Werkes war für das Publikum bei der Uraufführung am 27.Januar 1859 in Leipzig, mit Brahms am Klavier, eine Nummer zu groß. Und offenbar auch für die Kritiker: es hagelte Verrisse, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind. Das Konzert hat sich längst einen Spitzenplatz in den Konzertsälen der Welt erobert.
Der erste Satz ist mit „Maestoso“ überschrieben und beginnt wahrhaft majestätisch. Getreu dem Prinzip der Sonatensatzform folgt ein gegensätzliches, lyrisches zweites Thema.Relativ spät setzt das Klavier fast beiläufig ein. Nach gewaltigen Entwicklungen, in denen Brahms sein ganzes Können aufbietet, endet der Satz wie er begonnen hat: grandios. – Der langsame zweite Satz beginnt in den Streichern con sordino. Das Klavier.greift die Melodie auf. Brahms schrieb über diesen Satz an Clara Schumann: „Auch male ich an einem sanften Portrait von Dir, das dann Adagio werden soll:“ – Das Finale ist ein formvollendetes Rondo im 2/4-Takt. So beginnt es. Nach einer kraftvollen Kadenz endet es in triumphaler Größe. – Einen guten Eindruck können Sie sich auf YoTube mit der Interpretation durch Daniil Tifonov machen.
Ist das Klavierkonzert ein Jugendwerk, so führt uns die dritte Sinfonie den reifen Brahms vor. Das 1883 in Wiesbaden, wo Brahms den Sommer verbrachte, fertiggestellte Werk konkurriert in der Publikumsgunst mit der zweiten Sinfonie um Platz eins. Es entstand in der Zeit des „Musikstreits“ zwischen Vertretern der Neudeutschen Schule um Liszt und Wagner, die die sinfonische Dichtung als zeitgemäße Form der Orchestermusik propagierten, und den Vertretern der absoluten Musik, zu denen auch Brahms gehörte. Die Liszt- und Wagneranhänger sollen bei der Uraufführung (in Wien) zwischen den Sätzen boshaft zu zischen begonnen haben. Sie konnten sich aber nicht durchsetzen. Ein Kritiker schrieb: „…aber das Publikum fühlte sich von dem herrlichen Werk so innig angesprochen, dass nicht nur die Opposition im Applaus erstickt wurde, sondern die Huldigungen für den Komponisten einen in Wien kaum zuvor dagewesenen Grad von Enthusiasmus erreichten, so dass Brahms einen seiner größten Triumphe erlebte.“
Diese Begeisterung hält bis heute an. Schon der markante Beginn des 1.Satzes löst Glücksgefühle aus. Zu Beginn des zweiten Satzes verbreiten die Holzbläser eine lyrisch-idyllische Stimmung. Der dritte Satz- poco Allegretto – hat es gar in die Wunschkonzerte geschafft. Das Hauptthema des Finales huscht düster daher, bevor es dann zu einem kraftvollen Ausbruch führt. Anders als die Erste und die Zweite endet die dritte Sinfonie verhalten und greift noch einmal das Thema des Kopfsatzes aus: der Kreis hat sich geschlossen. – Das ganze Werk können Sie sich auf YouTube in der Interpretation durch das hr-Sinfonieorchester unter Andrés Orozco-Estrada ansehen und anhören. Zum Kartenvorverkauf: Palma und Manacor.
]]>Seine Beschäftigung mit Wagner in Bayreuth und wohl auch die Zusammenarbeit mit Christian Thielemann haben ihn hörbar geprägt, und so gelang die Synthese aus Schönklang und schroffen Eruptionen bestens, was dabei herauskam, war eine beglückende Aufführung, die das Publikum mitriss und bezwingend in den Strudel des Mahler'schen Gefühlskosmos zog. Dass dies auf handwerklich höchstem Niveau geschah, versteht sich bei einem Dirigenten dieses Kalibers von selbst. Mit dem OSIB stand ihm ein Orchester zur Verfügung, das die suggestive Inspiration, die er mit präzisen Bewegungen vermittelte, 1:1 in Klang umsetzte. Die stark geforderten Blechbläser meisterten die hohen Anforderungen der Partitur souverän, die Streicher (mit Ori Wissener-Levy als Gastkonzertmeister) reichten an den großen, warmen Klang von Referenzorchestern wie den Wiener Philharmonikern heran. Mit üppigem Vibrato „sangen“ sie das Adagietto, auf das sich vor allem Cineasten, mit dem Soundtrack von Viscontis „Tod in Venedig“ im Ohr, gefreut hatten. In den restlichen vier Sätzen glänzten die Holzbläser mit großem Farbenreichtum, das wie immer bei Mahler großbesetzte Schlagwerk setzte rhythmische Akzente, vom Pianissimotremolo der großen Trommel bis zu den virtuos gehandhabten Pauken.
Das Scherzo geriet – nicht nur wegen seiner Länge von 20 Minuten – zum Höhepunkt des Abends. Hier entfaltete sich noch einmal das ganze klangliche Spektrum der Partitur. Und auch das Finale ließ keine Wünsche offen. Der jubelndes Applaus und die Bravorufe, die auch einzelne Instrumentengruppen mit einschlossen, war quasi vorprogrammiert. – Das Konzert wird heute Abend im Auditorium von Manacor wiederholt. Das nächste Konzert in Palma beschert uns ein Wiedersehen mit Gerhard Oppitz. Zu hören gibt’s das erste Klavierkonzert und die dritte Sinfonie von Johannes Brahms. Es dirigiert Pablo Mielgo. Online-Tickets sind wie immer hier erhältlich.
]]>Gustav Mahlers 5.Sinfonie gehört neben der Vierten und vielleicht noch seinem Erstling („Der Titan“) zu den populärsten des Komponisten. Seit 1971 ist sie untrennbar mit dem großartigen Film „Tod in Venedig“ (nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann) verbunden. Visconti verwendet darin das Adagietto, das viele Exegeten als Liebeserklärung Mahlers an seine Frau Alma deuten. Im Film steht es für die schwüle und etwas morbide Verliebtheit des Komponisten Gustav von Aschenbach in den Knaben Tadzio. War Aschenbach. Bei Thomas Mann ist Aschenbach ein Schriftsteller, für die Filmfigur stand hingegen Mahler Pate. Die Ähnlichkeit des Aschenbach-Darstellers Dirk Bogarde mit dem Komponisten hat die Assoziation Mahler – Tod in Venedig endgültig im kollektiven Bewusstsein eingebrannt.
Das Adagietto stellt den Ruhepunkt der in drei Abteilungen mit insgesamt fünf Sätzen unterteilten Sinfonie dar. Es ist mit rund 11 Minuten für Mahlers Verhältnisse kurz. Seine etwas zerbrechliche Intimität wird durch die kleine Besetzung – nur Streicher und Harfen – deutlich. Dennoch enthält es eine dynamische Steigerung mit dramatischem Höhepunkt. Auch in ruhigen Phasen ist Mahler eben leidenschaftlich. Umrahmt wird das Adagietto von wesentlich turbulenteren Sätzen – Nach einem ausführlichen Trauermarsch wird es im zweiten Satz „stürmisch bewegt“. „Mit großer Vehemenz“ hat Mahler als Spielanweisung in die Partitur geschrieben. Formal ist dieser Satz an die Sonatensatzform angelehnt, natürlich mit der kreativen Freiheit, die sich Mahler stets nahm.
Die II.Abteilung beginnt mit einem „Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell“. Es ist mit 819 Takten und ungefähr 20 Minuten der längste, ausladendste Satz der Sinfonie. Der unbeschwerte Tonfall scheint die Anspannung der düsteren ersten Abteilung auflösen zu wollen. Eine beschwingte Walzermelodie erklingt. Aber bei Mahler ist eben nichts so, wie es zunächst scheint: auch ins Scherzo dringen wehmütige Gedanken ein (Holzbläser). Das Geschehen steigert sich zu furiosen Läufen und einem großen Fortissimo am Rande der Tonalität. Mahler, der Archaeopterix, die Brücke zwischen zwei Jahrhunderten, zwischen Spätromantik und Moderne.
Dann, zu Beginn der III.Abteilung, das berühmte Adagietto, bevor das finale Rondo zu einer gewaltigen Klimax führt, die den Satz und die Sinfonie beendet. – Die ganze Sinfonie können Sie auf YouTube mite den Wiener Philharmonikern unter Leonard Bernstein hören und sehen. Bernstein war es auch, der in Europa wesentlich zur Mahler-Renaissance beigetragen hat. Der Jude Bernstein machte sich für den Juden Mahler stark, zunächst gegen den Widerstand der Wiener Philharmoniker. Da sollen bei den ersten Mahler-Proben einige zwischen den Zähnen etwas von „Scheiß-Musik“ gezischt haben, wie Lenny in einem Interview erzählte. Dass sie alles andere als das ist, können Sie am 25.Januar im Auditorium von Palma und tags darauf im Auditorium von Manacor erleben.
]]>Gleich das Eröffnungsstück, das Preludio zu „El tambor de grenaderos“ von Ruperto Chapí, stellte die Weichen in einen beeindruckenden Konzertabend. Das Orchester war in Hochform, und Mielgo, der das Stück schon oft aufgeführt hat, zuletzt im jüngsten Neujahrskonzert, erschöpfte sich nicht in routinierter „Verwaltung“ der Partitur, sondern dirigierte dynamisch und charismatisch, als wär’s das erste Mal. Und das zeichnet ja auch das Orchester generell aus: die Musiker sind immer engagiert und „hängen sich voll rein.“ Auch Laínez überzeugte mit einer Arie aus „La dolorosa“ von José Serrano vom ersten Takt an durch raumfüllende Bühnenpräsenz, das hatte schon etwas von Grand Opéra. – Maria Camps führte sich mit „En una país de fábula“ aus „La tabernera del puerto“ von Pablo Sorozábal klangschön ein. Danach gehörte die Bühne wieder für eine weitere Zarzuela-Ouvertüre (zu „El bateo“ von Federico Chueca) ganz dem Orchester. Man kann es gar nicht oft genug sagen: das OSIB hat in den letzten Jahren gewaltige qualitative Fortschritte gemacht, Mielgos Hinweises in der Anmoderatio hätte es gar nicht bedurft. (Er ließ es sich natürlich trotzdem nicht nehmen, „seine“ Musikerinnen und Musiker als „excelente y fantástico“ anzukündigen. Er hat allen Grund, stolz auf sein Orchester zu sein.)
Weitere Höhepunkte waren die beiden Duette, eines aus „Doña Francisquita“ von Amadeu Vives, das andere aus „La tabernera del puerto“ von Sorozábal. Dazwischen gab’s zum Teil Buffoneskes, zum Teil an die, im besten Sinne, sentimentale Welt der Wiener Operette erinnernde Arien. – Das letzte Wort hatte das Orchester mit dem hinreißenden Zwischenspiel aus „La boda de Luis Alonso“ von Gerónimo Giménez. – Hätte man ein Applausometer befragt, wäre klar geworden, wer die Publikumslieblinge des Abends waren: Laínez und Mielgo! – Letzterer wird auch das nächste Konzert, mit dem am 25.Januar die Saison im Auditorium startet, leiten. Er wird dann seinen Mahler-Zyklus mit dessen fünfter Sinfonie fortsetzen. Dieses Konzert wird am 26.01. in Manacor wiederholt, und auch gestrige Konzert wird dort heute Abend noch einmal gegeben.
]]>Mit dem gleichnamigen Gericht (aus der portugiesischen und katalanischen Küche), das als erlesene Auswahl verschiedener Fischsorten und Meeresfrüchte, in Wein gegart, beschrieben wird, hat das Konzert eins gemeinsam, nämlich die erlesenen Zutaten. Alsda sind: schwungvolle Melodien, die ins Ohr gehen, eine begnadete Sopranistin, ein preisgekrönter Tenor, ein engagierter, dynamischer Dirigent – und ein wunderbares Orchester. Die Komponisten, die sozusagen die Rohstoffe liefern, aus denen die Musiker dann das raffinierte Gericht kochen, sind Ruperto Chapí, José Serrano, Federico Moreno Torroba, Federico Chueco, Fernández Caballero, Amadeu Vives, Pablo Luna, Pablo Sorozábal und Reveriano Soutullo, allesamt Meister der Zarzuela, der spanischen Ausprägung der Operette also. (Dies Links führen zum Teil zu Wikipedia España.) Die genaue Programmfolge finden Sie hier.
Mehr als mit der in Mitteleuropa verbreiteten Wiener Operette hat die Zarzuela mit der französischen Opéra Comique gemein. Der musikalische Duktus erinnert eher an Offenbach als an Strauß und Lehár. Von der Oper unterscheidet sie, dass sie auch gesprochene Dialoge enthält. Und bevor Sie jetzt die „Zauberflöte“ oder den „Freischütz“ als Gegenargument anführen: das sind streng genommen Singspiele, auf jeden Fall lassen sie sich weder der Opera seria noch der Opera buffa zuordnen, und mit der französischen Grand Opéra haben sie auch nichts zu tun. Aber egal, welcher Definition Sie anhängen: gesprochen wird in dem Konzert nicht, es erklingen vielmehr instrumentale und gesungene Highlights aus (in Spanien) bekannten Zarzuelas. - Eine Vorstellung, wie das klingt, bekommen Sie bei YuTube in dem Album „Lo mejor de la Zarzuela“. Karten für Palma. Um Tickets für Menorca und Manacor online zu erwerben, gehen Sie bitte auf die Website der Sinfoniker.
]]>Elgars kurze, dreisätzige Serenade steht in e-Moll, was zum Charakter dieser heiteren Gattung nicht im Widerspruch steht. „Serenus“ ist ja nicht gleichbedeutend mit lustig (laut Schubert gibt es sowieso keine „lustige Musik“!). Heiterkeit meint vielmehr formale Klarheit, eine Struktur, in der Konflikte ausgespart bleiben. Dass solche Werke nicht zwangsläufig langweilig sein müssen, haben vor Elgar schon Tschaikowsky und Dvorak mit ihren Streicherserenaden gezeigt. Estrellas Pascual strebte einen runden, vollen Klang an und knüpfte damit an die Vorstellung Tschaikowskys an, der für Klangfülle und eine möglichst große Zahl von Instrumenten plädiert hatte. Was dabei herauskam, war durchaus geeignet, die Publikumsseele zu streicheln und die Ohren kulinarisch zu verwöhnen.
Diese Streicheleinheiten setzten sich auch im Gitarrenkonzert fort, so überzeugend, dass sich die Frage erst gar nicht stellte, ob man im 21.Jahrhundert noch „schöne“ und überdies tonale Musik schreiben dürfe. Natürlich darf man! Leonard Bernstein hat bereits in den 50er Jahren die These vertreten, dass die dur-moll-Tonalität (zumindest im abendländischen Kulturkreis) den Menschen mit in die Wiege gelegt wurde, in den Genen verwurzelt ist und forderte klar definierbare Akkorde statt Clustern und erteilte der „Emanzipation des Geräusch“ als Kompositionsprinzip zugunsten einer nachvollziehbaren melodischen Linienführung eine Absage. Und so kann man den Titel des Gitarrenkonzert, „Concert del Retorn“ getrost auch als Rückkehr zu einer Musik begreifen, die fürs Publikum (und nicht für pseudointellektuelle „Fortschritts“-Apostel!) gemacht ist, um ihm Freude zu bereiten. – Die Freude war groß, wie der begeisterte Applaus zeigte.
In dieses Konzept, Freude durch Vermeidung von Provokation, fügte sich auch die „Schottische Sinfonie“ von Felix Mendelssohn ein. Der war – nomen est omen , denn Felix bedeutet ja „der Glückliche“ – der Sonnenseite der deutschen Romantik zugewandt und zog, anders als Schumann oder gar Berlioz seine Zuhörer nicht in düstere Abgründe. Er strebte Harmonie an, vergleichbar mit den Gemälden Caspar David Friedrichs. Das heißt nicht, dass er Kontraste scheute, aber das Gegensätztliche ist bei ihm formal gebändigt und durch eine lichte Instrumentierung gemildert. Estrellas Pascual dirigierte das Werk mit ausholender Geste und runden Bewegungen, der „Ohrwurm“ am Schluss des Finales, den Mendelssohn seinen Zuhörern auf den Nachhauseweg mitgibt geriet zu einer Apotheose mitreißender, ansteckender Fröhlichkeit, die entsprechend gefeiert wurde. – Das nächste Konzert findet bereits am 18.Januar, wieder im Teatre Principal, statt. Pablo Mielgo gestaltet, zusammen mit der Sopranistin Maria Camps und dem Tenor Joan Lainez einen Zarzuela-Abend. Karten gibt’s (noch, die Plätze im Parkett sind bereits ausverkauft) hier. Am 25.Januar beginnt dann der Abozyklus im Auditorium, Mielgo wird die 5.Sinfonie von Gustav Mahler dirigieren. Auch dafür sind bereits Karten erhältlich.
]]>Er war ein Wunderkind, vom greisen Goethe als der neue Mozart verehrt. Sohn aus bestbürgerlichem Hause, Enkel des Philosophen Moses Mendelssohn, von den Eltern umfassend gefördert. Eine Mehrfachbegabung (er war auch ein begnadeter Zeichner), ein Mann mit feinen Manieren, eloquent, historisch interessiert (er sorgte für die erste Wiederaufführung der „Matthäuspassion“ nach Bachs Tod), ein Komponist klassischer Ausgewogenheit. Er hatte nicht gegen Dämonen zu kämpfen wie Schumann, er konnte der „Ästhetik der Hässlichkeit“ etwa eines Hector Berlioz nichts abgewinnen. Er schätze Berlioz zwar als liebenswürdigen, gebildeten Gesprächspartner, wollte sich aber am liebsten die Hände waschen, nachdem er in seinen Partituren geblättert hatte, so „dreckig“ fand er die „special effects“ des revolutionären Franzosen. Entsprechend waren seine eigenen Werke Musik voller Ebenmaß, Grazie und Harmonie.
Vor diesem Hintergrund muss man auch seine dritte Sinfonie in a-Moll sehen, neben der Hebriden-Ouvertüre musikalisches Mitbringsel aus seiner großen Schottlandreise 1829. (Später sollte er auch ein Souvenir aus Italien komponieren, die vierte Sinfonie, als „Italienische“ womöglich bekannter und beliebter als die Dritte.)
Aber Mendelssohn war auch Jude. Sein Übertritt zum Protestantismus konnte nicht verhindern, dass seine jüdischen Wurzeln seinem Nachruhm gravierend im Wege standen. Bereits Richard Wagner (der sich übrigens in Mendelssohns Werken schamlos bediente, wenn es um seine eigenen Kompositionen ging) sprühte in seiner unsäglichen Schmähschrift „Das Judentum in der Musik“ Gift und Galle gegen ihn. Die diente später den Nazis als Argument dafür, seine Werke zu verbieten. Erst nach dem Krieg sorgten Leute wie Bruno Walter, selbst Jude, für eine Mendelssohn-Renaissance.
Die „Schottische“ besteht aus vier Sätzen: 1)Andante con moto – Allegro maestoso assai, 2)Vivace non troppo, 3)Adagio und 4)Allegro vivacissimo – Allegro maestoso assai. Sie ist mit einem herkömmlichen klassischen Orchester besetzt und dauert ungefähr vierzig Minuten. Hörn Sie gern mal bei YouTube in eine Aufführung hinein. Und wenn Sie etwas Zeit mitbringen: im dritten Kapitel der Hörbiografie „Fanny und Felix Mendelssohn“ von Jörg Handstein erzählt Ihnen Udo Wachtveitel alles über die Entstehung. – Karten gibt’s online hier.
]]>Thielemann gehört, zusammen mit Riccardo Muti, Michael Tilson-Thomas und Gustavo Dudamel zu den Spitzenverdienern in der Branche: hochgerechnet um die 2.000 Euro kassieren diese Herren pro Minute am Pult (Quelle: Klassikradio). Davon können Mielgo und die Seinen nur träumen. Aber wahrscheinlich tun sie es nicht einmal. Sie wollen nur eines: ihr Publikum mit Musik umarmen. Und dank ihrer absoluten Hingabe an die Sache gelingt ihnen das je länger, desto besser. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass Thielemann gestern das Neujahrskonzert dazu missbrauchte, seinen neuen Bruckner-Zyklus zu promoten. Wozu sonst die Quadrille, WAB 121, wahrlich kein Geniestreich des Meisters aus Linz? Und wahrscheinlich hatte er auch beim Pausenbeitrag seine Finger im Spiel, ein eigenartiges Filmchen, Max und Moritz entdecken Bruckner, oder was immer das sein sollte. Klassik, Musik für Millionen, Geschäft mit Millionen – das schien das Motto zu sein. Anders in Palma: hier schielen die Musikerinnen und Musiker nicht begehrlich auf das goldene Kalb des schnöden Mammons, hier machen Menschen Musik für Menschen.
Mielgo startete in den Abend mit seinem alten Paradepferd, der Ouvertüre zu Otto Nicolais „Lustigen Weibern von Windsor“. Danach nutzte er die Begeisterung des Publikums, um ihm mit wenigen Worten die Enttäuschung über den Wechsel der Solistin zu nehmen: die vorgesehene Sopranistin Elena Sancho war kurzfristig erkrankt, und man hatte als Ersatz die 30jährige Marina Monzó gewinnen können. Sicher, die Buffo-Erfahrung Elena Sanchos fehlte ihr, ihre Gestik, etwas steif und schablonenhaft, könnte einer Inszenierung Achim Freyers entsprungen sein. Aber was ihr an darstellerischer Pfiffigkeit fehlte, machte sie durch ihre stimmlichen Qualitäten wett. Das Publikum war’s zufrieden und applaudierte dankbar für die Darbietung von „De España vengo“ von Pablo Luna, „Quando m’en vo“ von Puccini und „Besame mucho“ von C.Velásquez und verzieh auch großzügig, dass die Marquis-Arie aus der „Fledermaus“ offenbar dem Besetzungswechsel zum Opfer gefallen war. Auch sonst gab es einige kleine Programmänderungen. Statt der „Straussiana“ von Korngold erklang das Vorspiel zu Chapis „El tambor de granaderos“. Das Komödiantische kam in der köstlichen Performance des legendären „Type Writers“ von Leroy Anderson auf seine Kosten: man erfuhr dabei staunend, dass man auch eine Schreibmaschine auf den Kammerton a stimmen kann. Der Rest: bewährte Neujahrs-Klassiker wie der Kaiserwalzer, der persische Marsch, die Tritsch-Tratsch-Polka und „Éljen a magyar“, das Mielgo authentisch von einer Bratschistin offenbar ungarischer Herkunft ansagen ließ. Und – Wette gewonnen – natürlich gab’s die „Blaue Donau“ und den Radetzkymarsch als Zugabe. Und natürlich dirigierte Mielgo bei letzterem das Publikum nach alter Wiener Tradition, nur pfiffiger und launiger, als Thielemann am Vormittag. Er ist einfach der bessere Kommunikator. Und (nicht nur) dafür lieben wir ihn. – Das Konzert wird heute Abend in Manacor wiederholt, Karten gibt’s hier.
Mielgo ist am 18.Januar im 4.Konzert des Cicle Teatre Principal wieder zu erleben. Eine Woche davor, am 11.Januar, dirigiert Gabriel Estarellas Pasqual unter anderem die Uraufführung seines Gitarrenkonzerts und die „Schottische Sinfonie“ von Mendelssohn. Karten unter diesem Link.
]]>