Auf der Dachterrasse vom Kaelum wird am späten Nachmittag in der Abendsonne mit kalten Getränken der „Tardeo” eingeläutet.Fotos: M. Dziallas

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Samstags um 17 Uhr ausgelassen feiern gehen und um 21 Uhr wieder zu Hause sein? Das gibt es! Und zwar in Palmas Szeneviertel Santa Catalina. Vom Herbst bis zum Frühling öffnen dort die meisten Bars ab 16 Uhr und viele Tanzclubs ab 17 Uhr ihre Pforten und warten auf die feierwütigen und gut gelaunten Gäste. „Tardeo” nennt sich das Ganze. Das kommt von „Tarde”, Nachmittag, und bezeichnet das Ausgehen zu eben jener Tageszeit. Das Konzept findet besonders bei der Altersgruppe ab 30 großen Anklang und ist gerade bei Vätern und Müttern sehr beliebt. Denn: Die Partygäste sind oftmals relativ früh am Abend wieder zu Hause. Eltern können so zu einer humanen Uhrzeit feiern gehen und kurzzeitig den Alltagsstress vergessen. Denn in Spanien findet das normale Nachtleben der Twens sehr, sehr spät statt. Hinzu kommt, dass die Tardeo-Fans mehr vom Sonntag haben und vielseitigen Aktivitäten nachgehen können, die mit einem Kater nach einer langen, durchzechten Nacht vielleicht nicht möglich wären. Auch MM war an einem Samstagnachmittag beim Tardeo mit dabei.

Der erste Club in Palma, der das Konzept ins Leben gerufen hatte, war das Kaelum in Santa Catalina. Dort wird auch um Punkt 18 Uhr die Diskotheken-Tour gestartet. Es fällt auf, dass viele besonders elegant gestylt sind – wie bei einer nächtlichen Party eben. Die Rooftop-Terrasse lädt mit ihren Stehtischen zu ersten Drinks ein. Hier genießen die Gäste ein paar kühle, alkoholische Getränke, bevor es nach unten auf die dunkle Tanzfläche geht. Dort wird feuchtfröhlich zu Hits wie „Wannabe” von den Spice Girls getanzt. Auf aktuelle Reggaeton-Hits wartet man beim Tardeo allerdings vergeblich, denn hier gibt es eher 1980er- und 90er-Klassiker auf die Ohren. Das ist wohl auch dem Publikum geschuldet. Denn man trifft hauptsächlich auf Ü30-Jährige, die mit diesen Songs aufgewachsen sind. Wenn man nach einer kurzen Tanzeinlage wieder auf die Terrasse geht, ist man von dem gedämmten Partylicht und Ambiente wie „benommen.”

Die Idee, an Samstagen schon am Nachmittag in Clubs und Diskotheken zu feiern, scheint bei den Gästen gut anzukommen. Viele treffen in kleinen Grüppchen ein und tanzen ausgelassen zu den Songs. Einige sind sogar bereits im Halloween-Kostüm anzutreffen.

Gegen 20 Uhr wird zu einem weiteren Club gewechselt. Eigentlich stand die Disco „Sala Luna” auf dem Programm. Doch dort warteten bereits so viele Feierfreudige in der langen Schlange, sodass auf einen anderen Club ausgewichen wird. Also geht es ins nahegelegene „Sabotage.” Gegen 20 Uhr ist es dort bereits rappelvoll: So bleibt es nicht aus, dass gefühlt permanent Körperkontakt mit fremden Menschen vorherrscht und die Autorin dieses Artikels an der Bar mit dem Club-Flirt eines Mannes verwechselt und unfreiwillig heftig umarmt wird. Die Schuhe kleben am Boden fest, da dieser durch den steigenden Zustrom der Gäste bereits voller vergossenem Bier ist. Viel Platz zum Tanzen bleibt allerdings nicht, zu voll ist der Laden. Musiktechnisch erklingen auch im Sabotage 80er und 90er Weltklassiker: Von Blur – „Song 2” bis hin zu „Volare” von den Gipsy Kings sind auch sehr viele spanische Hits zu hören. Generell fällt auf, dass hauptsächlich Spanischsprachige unterwegs sind und nur vereinzelt Deutsche und Briten anzutreffen sind. Aufgrund der lauten Musik muss man sich förmlich anschreien: „WIE GEFÄLLT’S DIR? – GUT, UND DIR?!”

Wer kurzzeitig hinausgeht, um frische Luft zu schnappen oder um sich mit anderen zu unterhalten, hat gefühlt einen Hörsturz. Typisches Nachtleben eben, könnte man meinen. Doch ein Blick auf die Uhr verrät, ist es gerade erst 21 Uhr und nicht, wie gefühlt, spät nach Mitternacht.

Dadurch, dass die Menschen so früh anfangen zu trinken, sind sie auch relativ schnell stark angetrunken. So machen sich viele Partygäste bereits gegen 21 Uhr auf den Heimweg. In der Regel ist kurz danach sowieso Feierabend. Denn: Die Nachmittagsparty neigt sich gegen 22 Uhr dem Ende zu. Das echte Nachtleben hingegen geht dann erst wieder nach null Uhr allmählich los.

Für die meisten Gäste war dieser Tardeo indes ein voller Erfolg: Sie können nun in Ruhe ausnüchtern, ausschlafen und den nächsten Tag mit neuer Energie bestreiten.