Die Mitglieder des Vereins der Eisenbahnfreunde, wie sie den Abend mit Gemüse-Coca und Wein am Bahnhof von Son Sardina ausklingen lassen. Dabei vorne links in dunkler Kleidung: Präsident Miquel Ëngel Riera. | Anja Schmidt

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Der Beamer piepst und erweckt die leicht bröckelnde Wand der alten Bahnhofshalle in Son Sardina am Dienstagabend durch Bilder zu neuem Leben, als sich der Saal mit 19 Herren füllt.Auf einem Tisch liegen Informationszettel in verschiedenen Ausfertigungen. Einmal klein und gefaltet mit „normaler” Schriftgröße und einmal – für die in die Jahre gekommenen Brillenträger – groß, ungefaltet und mit riesigen Buchstaben. Eifrig nehmen die Interessenten Platz, manche haben sogar zur Feier des Tages ihr Vereinspolohemd an, samt Logo der AAFIB (Associació d’Amics del Ferrocarril Balear).

Der Präsident dieser Eisenbahnfreunde der Balearen, Miquel Àngel Riera, zeigt in einem Vortrag Fotos und Videos von seiner 19-tägigen Reise durch die Schweiz. Doch das war nicht nur irgendeine normale Reise. Riera inspizierte gefühlt jeden Zug und jeden Bahnhof, um seine Beobachtungen mit seinem Verein zu teilen. Und wer glaubt, dass es darüber nicht viel zu berichten gibt, liegt ganz klar falsch!

Doch der Reihe nach: Nach einer allgemeinen Vorstellung der Schweizer Bundesbahn und ihrer Wichtigkeit für Europa hält Riera kurz inne und betont: „Stellt euch vor: 95,9 Prozent der Züge dort haben weniger als fünf Minuten Verspätung und die Technik des komplett elektrifizierten Streckennetzes läuft einwandfrei”. „Oooooh”, raunen einige offene Münder aus dem Publikum. Der Präsident weiß alles! Er schildert, wie lange das gesamte Streckennetz der Schweiz ist – nämlich 3846 Kilometer –, wie viele Bahnhöfe es gibt (mehr als 800), und natürlich, wo genau sie zu finden sind. Er beschreibt die verschiedenen Zugtypen, welche Farben sie haben und wie die SBB Fracht transporiert.

Mit der Präsentation geht es rasant weiter, wie auf Schienen! Dabei sind Bilder des Glacier Express zu sehen, jenem „König aller Panoramazüge”, mit dem man von Sankt Moritz bis nach Zermatt fahren kann. In seinem Diskurs geht es mit dem „Giruno” durch den Gotthardtunnel und weiter mit dem Voralpen-Express, der die Zentral- mit der Ostschweiz verbindet.

Ein Schmankerl erfreut die Zuschauer ganz besonders: Riera zeigt ein zirka einminütiges Video, in dem zwei Waggons gekoppelt werden. Man kann regelrecht eine Stecknadel fallen hören, als die überwiegend älteren Herrschaften ihre Münder vor Staunen kugelrund aufreißen.

Die Idylle wird kurz unterbrochen, als jemand aufgeregt in die Runde ruft: „Achtung, der Rote Blitz kommt!” Die Club-Mitglieder springen wie von selbigem getroffen von den Stühlen auf und eilen wie Jugendliche nach draußen. Der Rollator wird geparkt und die Digitalkamera bereitgehalten, als der Zug aus Sóller einfährt.

„Aaaah”, lassen sich wieder einige staunende Ausrufe vernehmen. Und die Herren stehen vor dem Gefährt, als sähen sie es das erste Mal in ihrem Leben. Dabei treffen sie sich jeden ersten Dienstag des Monats an der gleichen Stelle und beobachten zweimal mit gleicher Begeisterung die Einfahrt der alten Bahn.

Wie sehr das Thema Zugverkehr den Mitgliedern der mallorquinischen Eisenbahnfreunde am Herzen liegt, macht die Aussage von Antonio Simarro deutlich, als er von seinem ganz persönlichen Glück erzählt: „Ich bin Eisenbahner durch und durch und habe das perfekte Leben geführt! Ich habe einige Jahre in Madrid gelebt und beim staatlichen Bahnbetreiber Renfe gearbeitet. Ist das nicht toll?”, fragt er stolz.

Und Simarro ist längst nicht der einzige „Bahn-Freak” auf der Insel! Der Verein der Bahnfreunde hat rund 50 begeisterte Mitglieder. Und die wünschen sich nichts sehnlicher, als dass Mallorcas einst langes Streckennetz wiederbelebt wird. Denn bis in die 1950er Jahre war das Netz viel weiter ausgebaut. Es war damals ein Leichtes, die Insel mit dem Zug zu erkunden. Aber durch die Umstellung im Transport auf Autos und Lkw wurden die Strecken größtenteils wieder stillgelegt.

Die Eisenbahnfreunde haben deshalb einen Plan für einen erneuten Ausbau des Schienennetzes ausgearbeitet und hoffen nun auf Umsetzung durch die Regierung – und auf göttlichen Beistand! Auf ihrer Facebookseite wurden im Januar humorvoll die Heiligen Drei Könige mit Wünschen beauftragt. Unter einer neu entworfenen Karte steht geschrieben: „Wir wünschen uns, dass König Kaspar die Strecke zwischen Artà und Cala Rajada fertigstellt, König Melchior sich um die Verbindung von Sa Pobla bis zur Bucht von Alcúdia und Pollença kümmert. Und Balthasar möge den Weg für die Bahn in der Bucht von Palma freimachen. Von der Zentralregierung wünschen wir uns die Finanzierung und von der Inselregierung einen besseren Service im öffentlichen Dienst der mallorquinischen Bahngesellschaft.”

Na dann: Wenn die Heiligen Drei Könige und die Regierungen nicht nur Bahnhof verstehen, könnte sich vielleicht bald schon etwas tun.