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Vielleicht haben Sie auch schon einmal davon gehört, dass Frauen plötzlich überraschend ein Baby zur Welt bringen. Ein Fachausdruck lautet „Schwangerschaftsverdrängung“. Das Phänomen ist gar nicht so selten (es kommt auf rund 475 Geburten einmal vor, dass die Schwangerschaft erst ab der 20. Woche bekannt wird) und besteht darin, dass „die Tatsache der Schwangerschaft nicht das Bewusstsein der Schwangeren erreicht“. Das kann so weit führen, dass eine Frau wirklich ahnungslos mit „Bauchschmerzen“ ins Krankenhaus geht und mit einem Baby nach Hause (das passiert ungefähr einmal auf 2.500 Geburten).

Kannten wir die Fälle bisher nur vom Hörensagen, wurde das Konsulat nun tatsächlich mit einem solchen „Überraschungsbaby“ konfrontiert. Eine Familie – Vater, Mutter, minderjährige Tochter und deren etwas jüngerer Bruder – macht Urlaub auf Mallorca und meldet sich bei uns mit der Nachricht, die Tochter habe plötzlich ein Baby bekommen, was denn nun zu machen sei.

Da waren wir auch erstmal perplex. Die fast reflexhafte Frage, in welcher Schwangerschaftswoche das Kleine denn das Licht der Welt erblickt habe, konnte man uns natürlich nicht beantworten – aber Mutter und Kind seien wohlauf, und die Familie würde eigentlich gerne wie geplant in der kommenden Woche ihre Rückreise nach Deutschland antreten. Wie das Baby denn an einen Pass komme?

Das wichtigste ist erstmal eine Geburtsurkunde, die man vom hiesigen spanischen Standesamt bekommt. Als Urlauberfamilie kennt man gemeinhin diese ganzen Gepflogenheiten am Urlaubsort nicht, und meistens verfügt man auch nicht über die dafür erforderlichen Sprachkenntnisse. Viele sprechen auf der Insel deutsch – beim Standesamt muss man das nun nicht gerade erwarten. Also hilft das Konsulat in Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter der Familie bei diesen Formalitäten und springt fernmündlich auch ausnahmsweise als Sprachmittler ein.

Für den Pass selbst stellt sich dann wie immer im Verwaltungswesen zuerst die Frage der Zuständigkeit. Da es immerhin öfter passiert, dass deutsche Kinder hier geboren werden und ihren ersten Pass vom Konsulat haben wollen, wussten wir schon mal, dass wir niemanden in Deutschland fragen müssen, sondern in eigener Zuständigkeit den Pass ausstellen können. So weit so gut.

Dann aber muss geprüft werden, wer antragsberechtigt ist. Die Sorgeberechtigten. Einen Vater hat das Kind rechtlich erstmal nicht, denn der ist nicht dabei und kann die Vaterschaft daher hier beim spanischen Standesamt nicht anerkennen, wird also auch in die Geburtsurkunde zunächst nicht eingetragen. Und die Mutter? Sie ist minderjährig und damit beschränkt geschäftsfähig und in der elterlichen Sorgeberechtigung ebenfalls eingeschränkt.

In Spanien gilt in solchen Fällen Art 157 des Codigo Civil: „Der nicht emanzipierte Minderjährige übt die elterliche Gewalt über seine Kinder mit Unterstützung seiner Eltern aus; fehlen diese, mit derjenigen seines Vormunds; in Fällen der Uneinigkeit oder Unmöglichkeit mit derjenigen des Richters".

In Deutschland ist es ein wenig anders – da ist nämlich gemäß §§ 1673 BGB in Verbindung mit §§1773 Abs. 1, 1791c Abs. 1 BGB das Jugendamt mit der Geburt des Kindes Vormund geworden.

Welches Recht anwendbar ist, hängt ab vom „gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes“. Aber wo ist der für ein paar Stunden altes Kind? In Spanien, weil es ja nun mal noch nie in Deutschland war? Oder in Deutschland, weil das ja irgendwie mit der Mutter zusammenhängt und diese hier nur in Urlaub war?

Die Experten sagten: letzteres. Also nimmt das Konsulat Kontakt mit dem Jugendamt auf, teilt die frohe Kunde mit und bittet um Zustimmung zur Passausstellung. Wir haben Glück – die Kollegen beim Jugendamt in Deutschland reagieren schnell, und das Kind kann seinen Pass bekommen.

Der Reiseveranstalter bemüht sich derweil um eine Ausnahme bei der Fluglinie, die eigentlich nur Kinder mitnimmt, die schon eine Woche alt sind. Mutter und Kind sind aber vom Arzt für flugtauglich befunden – wieder haben wir Glück, die Fluglinie drückt ein Auge zu, und die Familie darf vergrößert mit dem 5 Tage alten Säugling die Heimreise antreten.

Namen können wir natürlich keine nennen. Aber die kleine Erdenbürgerin heißt nun wie ihr mallorquinischer Geburtsort. Diese Idee hatte der junge Onkel der Kleinen, als die Familie noch recht ratlos auf den unerwarteten Nachwuchs blickte.

Es grüßt Sie
Ihr Deutsches Konsulat