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Die Schattenseiten der Auswanderung auf die schönste Insel der Welt

Viele Menschen träumen davon, etliche denken darüber nach. Wir haben es getan: Wir haben uns auf den Weg gemacht, eine neue Heimat zu finden in einem anderen Land, mit einer anderen Sprache, anderen Gepflogenheiten. Wir haben möglicherweise unsere Familien zurückgelassen, unsere gewohnte Umgebung. Wir hatten Hoffnung auf ein anderes, vielleicht besseres Leben. Und wäre es auch nur wegen des Wetters. Immerhin hat Mallorca etwa 300 Sonnentage im Jahr. Wir haben unsere Möbel und Habseligkeiten verschenkt, verkauft oder eingelagert. Einiges durfte mit auf die Reise in den Süden ohne Wiederkehr. Hier angekommen, konnten wir uns nicht sattsehen an den Farben, diesem unglaublichen Azurblau des Meeres und des Himmels, dem warmen Sonnengelb, in das die Sonne allabendlich die Sandsteinmauern der Kathedrale taucht. „Herrlich, ich werde jeden Tag ins Meer oder zumindest zum Strand gehen”, höre ich mich noch sagen und erntete damit lediglich ein müdes Kopfschütteln. ¡Vamos a ver! Wir werden sehen! „Und natürlich werde ich jeden Tag diese unglaublichen Sonnenuntergänge genießen und bestaunen. Das Leben ist wunderbar!”

So weit, so gut. Ich schätze, in meinem ersten, sehr arbeitsreichen Jahr auf Mallorca, habe ich es vielleicht fünfmal zum Strand geschafft. Zur Zeit des Sonnenuntergangs war ich entweder gerade auf dem Heimweg von der Klinik oder hockte vor dem Computer, um mit meinen deutschen Klienten online zu arbeiten. Aber ich hatte sehr schnell Kontakte. Über diverse Gruppen in den sozialen Medien ist es recht einfach, sich mit anderen auszutauschen und zu treffen. Schwierig wird es, wenn man nach einiger Zeit feststellen muss, dass es, außer der Muttersprache, kaum Gemeinsamkeiten gibt. Das kann eine Weile gutgehen, führt aber zwangsläufig dazu, dass die eigenen Interessen, Ideen und Vorlieben leiden. Dazu kommt die hohe Fluktuation auf der Insel. Wirklich tragfähige Freundschaften und Bindungen aufzubauen, wird damit zu einer echten Herausforderung.

Oft ist Einsamkeit die Folge, und zwar besonders dann, wenn man als Paar auswandert und sich die Beziehung nicht so entwickelt, wie man sich das vorgestellt hatte. Da können selbst der besondere Reiz und die Schönheit der Insel oft nicht trösten. Viele haben ihre sozialen Netzwerke in der alten Heimat zurückgelassen und stellen bald fest, dass selbst regelmäßiger Kontakt über Telefon und Video nicht gleichzusetzen ist mit persönlicher Begegnung. Und kommen dann die alten Freunde zu Besuch, stellt sich manchem bald die Frage, ob der Besuch wirklich den Ausgewanderten gilt, oder doch eher der Insel, und man einfach die gute Gelegenheit nutzt, kostenlos unterzukommen.

Auch die Sprachbarriere ist nicht zu unterschätzen und stellt für viele eine erhebliche nervliche Belastung dar. Es kann unglaublich anstrengend sein, nach jeder einfachen Frage, jeder Bitte in verständnislose Augen zu blicken. Selbst wenn man, was absolut wünschenswert ist, Spanisch lernt, dauert es doch mitunter eine ganze Weile, bis man sich einigermaßen verständlich machen kann. Das betrifft natürlich nicht nur die sozialen Interaktionen, sondern auch Arztbesuche und Behördengänge. Die ständige Anstrengung, sich sprachlich anzupassen, kann zu Stress und Erschöpfung führen.

Viele Zuwanderer stehen zusätzlich noch vor beruflichen Herausforderungen und müssen sich mit dem deutlich niedrigeren Lohnniveau als vergleichsweise in Deutschland arrangieren. Ein vielleicht sogar beruflicher Neuanfang kann das Selbstwertgefühl und die psychische Stabilität beeinträchtigen. Es braucht viel Energie, innere Stärke und Durchhaltevermögen, um sich beruflich neu zu erfinden und gleichzeitig den Lebensunterhalt zu sichern. Zumal die Mietpreise sich denen in Deutschland ziemlich gleichen, diese sogar oftmals übertreffen.

Die vielen Unterschiede in Alltag und Kultur sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. So sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sowohl während der Oster- und Weihnachtstage als auch im August das Arbeitsleben nahezu zum Erliegen kommt. Die Behörden arbeiten mit halber Kraft, sodass Verwaltungsfragen besser außerhalb dieser Zeiten geklärt werden sollten. Da nützt es wenig, sich aufzuregen und zu schimpfen. Atmen und Staunen wäre angebrachter. Manche Gepflogenheiten hierzulande finde ich dagegen richtig gut. Wenn im Supermarkt eine neue Kasse öffnet und die (aus Deutschland) Zugereisten schon in den Startlöchern stehen, um die Ersten zu sein, bleiben die Eingeweihten ganz ruhig. Hier entscheidet nämlich die Kassiererin an der neuen Kasse über die Reihenfolge und darüber, wessen Wartezeit nun zu Ende ist. Keine Hektik notwendig.

Es gibt auch Menschen, die trotz Sonne, Strand und Meer manchmal Heimweh haben nach Schweinshaxen und Sauerkraut, Schwarzwälder Kirschtorte oder Sahnehering mit Pellkartoffeln. Heimweh sollte ernst genommen werden. Zusammen mit Einsamkeit und Sprachlosigkeit bildet es eine unheilige Allianz und kann einem weiteren Problem, dem Alkohol, Tür und Tor öffnen. Nicht wenige Neu-Mallorquiner haben im Laufe der Zeit gelernt, ihren Kummer einfach herunterzuspülen.

Es gibt also etliche Herausforderungen für jeden, der seinen Lebensmittelpunkt auf die Insel verlegen möchte oder es bereits getan hat. Es gibt aber ebenso viele Möglichkeiten, diesen Herausforderungen zu begegnen, um hier ein gutes Leben zu leben. Bauen Sie Netzwerke auf: Suchen Sie aktiv nach Gemeinschaften und Gruppen, die ähnliche Interessen haben. Das kann helfen, neue Freundschaften zu knüpfen, um sich weniger isoliert zu fühlen. Lernen Sie die Sprache: Auch wenn es schwierig sein mag, ist es ein entscheidender Schritt zur Integration und zum Wohlbefinden. Selbstfürsorge: Achten Sie auf Ihre mentale Gesundheit. Sport, Hobbys und Achtsamkeitsübungen können helfen, Stress abzubauen. Professionelle Hilfe: Scheuen Sie sich nicht, professionelle psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn Sie das Gefühl haben, allein nicht weiterzukommen.

Das Leben auf Mallorca hat, neben viel Licht, auch einige Schattenseiten, denen sich jeder stellen muss, der hier lebt. Es ist wichtig, diese Herausforderungen anzunehmen und damit umzugehen. Nur so können wir ein erfülltes und glückliches Leben auf dieser wunderschönen Insel führen. ¡Viva la vida!