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Pere Caminals bittet den Sicherheitsmann um den Schlüssel. Flotten Schrittes steigt der Uhrmacher die Stufen des Rathauses von Palma nach oben, er dreht den Schlüssel im Schloss und schiebt die Tür zu einer schmalen Kammer auf. "Vor dem Jahreswechsel komme ich immer um die Mittagszeit hierher", erzählt der 59-Jährige und öffnet eine Flügeltür, die auf eine Terrasse führt. Sonnenstrahlen fallen auf das historische Uhrwerk. Seit zehn Jahren ist Pere Caminals für "En Figuera", für die Uhr und die Glocke des Rathauses zuständig.

Der Mallorquiner stammt aus einer Uhrmacherfamilie: "Auch mein Urgroßvater und mein Großonkel sind dieser Arbeit schon nachgegangen", erzählt er. Doch warum schaut Caminals gerade jetzt so häufig nach der Rathausuhr? "Sie kündigt den Jahreswechsel an", erzählt er. En Figuera läutet in Palma das neue Jahr ein und die Blicke von Hunderten Menschen, die sich jährlich auf dem Rathausplatz treffen, richten sich auf die Uhr, kurz bevor sie Mitternacht schlägt. "Ich stelle sicher, dass die Uhr auch richtig tickt", scherzt er. Denn im Winter zieht sich das Metall durch die Kälte zusammen, so dass der Zeitmesser eine Minute vorgehen kann. Pannen habe es am Silvesterabend noch nicht gegeben, seit Pere Caminals die Rathausuhr pflegt, berichtet er.

Leise tickt das 152 Jahre alte Uhrwerk. Caminals ölt bei Bedarf das Getriebe und achtet darauf, ob die Zahnräder richtig ineinander greifen. Anhand seiner Armbanduhr mit Satellitensteuerung überprüft Caminals, ob En Figuera richtig geht. Vor einigen Tagen musste er ein Relais austauschen. Nach den Feiertagen stehen weitere kleine Reparaturarbeiten an. "Dieses Uhrwerk ist quasi für die Ewigkeit gemacht", schwärmt der Uhrmacher über die Qualität der französischen Produktion. Zu seinen Aufgaben gehört auch, den Mechanismus der Rathausglocke zu überprüfen, damit sie das neue Jahr einläutet.

"Ich bin zwar nervös, ob Silvester alles klappt, doch Albträume habe ich deswegen nicht", erzählt der Uhrmacher. Ein Privileg können er und seine Familie am Jahresende wegen seines Berufs genießen: "Wir stoßen hier oben auf der Terrasse an." Vom Dach des Rathauses hat er einen wunderbaren Blick über die Stadt. Einen Blick auf die Uhr wird Caminals in der letzten Nacht des Jahres dennoch werfen: "Wenn die Rathausuhr versagt, werde ich die Glocke manuell läuten", verrät er.

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Ist der Spuk der Festtage vorbei, schaut der Uhrmacher alle zwei Wochen bei En Figuera nach dem Rechten. Ansonsten repariert er kleinere Uhren in der "Relojería Española", die direkt am Rathausplatz liegt. Kann denn ein Uhrmacher überhaupt ohne Zeitmesser leben? "Am Wochenende lege ich meine Uhr ab, es ist doch schön, mal ohne Zeit den Tag zu verbringen."

Wertarbeit aus Paris

Seit 152 Jahren zeigt die Rathausuhr „En Figuera“ nun schon die Zeit an. Das Uhrwerk stammt aus dem Hause Collins in Paris und wurde 1862 installiert. Erstmals tickte die Uhr im Oktober 1863 anlässlich des Geburtstags der spanischen Königin Isabel II. 1964 restaurierte der damalige städtische Uhrmacher Fernando Fernández Andrés die Uhr. Im Uhrenmuseum in La Chaux-de-Fonds (Schweiz) befindet sich die Schwester des Uhrwerks. Zu „En Figuera“ gehört auch die historische Glocke des Rathauses, sie stammt aus dem Jahr 1680. Ihr Name rührt von dem Silberschmied Pere Joan Figuera, der 1386 den Vorgänger des heutigen Modells goss.

(aus MM 52/2015)