Auch im Winter darf der Strandbesuch nicht fehlen: Spaziergänger, Radfahrer und Surfer genießen das Wetter. | Patricia Lozano

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Die meisten Hotels haben geschlossen, es kommen nur vereinzelt Urlauber auf die Insel, im Winter wird es ruhiger auf dem Eiland. Vielen gilt gerade der Winter als Zeit, in denen Mallorca sein ursprüngliches Gesicht zeigt. Doch von Winterschlaf keine Spur. Mallorca-Deutsche verraten, wie sie den Winter erleben, was sie jetzt genießen und was nicht.

Viel Zeit für sein Hobby hat Danyel André derzeit: Der Fotograf hat nämlich im Garten eine Räucherhütte stehen. Er versorgt sich und seine Familie mit selbst geräucherter Wurst und Schinken. "Ich esse sowas einfach gern, lege aber Wert auf ordentliches Fleisch", erzählt er. Reichlich Zeit nimmt die Vor- und Nachbereitung in Anspruch. Die Zutaten sind weitestgehend Bio, dafür fährt er zu ausgewählten Fleischern. Der 44-Jährige betreibt mittlerweile eine Webseite (raeucherwiki.de) für andere Hobby-Räucherer. "Ich habe sogar Tipps von Dirk Abel bekommen", erzählt der Fotograf.

Doch auch in der Natur hält er sich im Winter gern auf: "Die Tramuntana ist toll zu dieser Jahreszeit. Wenn ich in Sóller bin, geht mein Herz auf." Seine liebste Wandertour führt von Banyalbufar zum Port d'es Canonge.

Die Arbeit spielt sich für ihn derzeit größtenteils am Schreibtisch ab, Kundenanfragen wollen beantwortet werden, Fotos archiviert. Das Gegenstück zum Sommer, wenn er ständig auf Hochzeiten und Events unterwegs ist.

Es sei zwar ruhiger auf der Insel, aber keinesfalls langweilig. "In Palma geht das Leben weiter, die Geschäfte haben geöffnet. Nur an der Ostküste, da sind wirklich die Bordsteine hochgeklappt", sagt Danyel André und lacht.

Reichlich Arbeit gerade im Winter hat Astrid Prinzessin zu Stolberg-Wernigerode. Sie ist als Wanderführerin auf der Insel tätig. "Die Touren sind jetzt natürlich besonders schön", erzählt sie. Die Sicht, das Licht, die Temperaturen, alles stimme. "Im Juli und August hingegen habe ich mehr frei, das ist natürlich schön", sagt die 59-Jährige. Denn im Sommer ist es für Touren in der Tramuntana zu heiß: "Ich arbeite also gegen die Strömung der Hauptsaison."

Im Gegensatz zu vielen anderen Inselbewohnern bekommt sie sogar recht häufig Schnee zu Gesicht: "Ich stand auf den Bergen schon hüfttief im Schnee", erzählt Astrid zu Stolberg. Einige Kunden würden gerade dann eine Tour buchen, wenn die weiße Pracht in der Tramuntana liegt.

Aus ihrer Sicht ist der Wintertourismus gut bedacht, da brauche es nicht noch mehr Werbung. In 22 Jahren auf der Insel habe sie allerdings gelernt, wie sich die Touristenströme umgehen lassen. "An einem bewölkten Tag im Sommer würde ich nie nach Palma fahren."

In ihrem Wohnort Binissalem sei der Unterschied zwischen Sommer und Winter gar nicht so groß. "Das Leben geht seinen Gang und jeden Tag sitzen die gleichen alten Leute zum Plausch auf der Straße", erzählt sie. Das echte Mallorca erlebe sie in Binissalem das ganze Jahr über.

Für die Mallorca-Deutsche hat jede Jahreszeit auf der Insel ihren Reiz. Sie mag die Hitze im Sommer und kommt auch mit dem Klima im Winter gut zurecht. "Doch dem Besuch aus Deutschland ist es in unserem Haus oft zu kalt", sagt Astrid zu Stolberg. Den dunklen, kalten Winter in der Heimat jedenfalls wünscht sie sich nicht zurück.

Die Dunkelheit des deutschen Winters vermisst auch Maria Sickmüller nicht. "Ich brauche das Licht hier auf der Insel", erzählt sie. Im Sommer verkauft sie handgemachte Bikinis in Ses Covetes. Dann hat die Arbeit Priorität und es bleibt kaum Zeit für Hobbys, Freunde und die alltäglichen Aufgaben des Lebens. "Jetzt habe ich Gelegenheit, mit Freunden und den Hunden an den Strand zu gehen, für Familienbesuch, fürs Reiten am Es Trenc, zum Wandern und Inlineskaten", erzählt sie. Aber auch Notwendiges wie die Durchsicht des Fuhrparks und die Steuererklärung erledigt sie in der kalten Jahreszeit.

Doch nach der Saison ist vor der Saison: Auch Maria Sickmüller bereitet den kommenden Sommer vor, bestellte Stoffe und überwacht Fotoshootings für die neuen Bikinimodelle. "Dennoch kann ich endlich mal durchatmen, das tut gut", sagt die 50-Jährige, und ganz ohne Arbeit würden sich die Wintermonate auch sehr lang ziehen.

In ihrem Wohnort Campos geht das Leben sommers wie winters entspannt zu: "Doch jetzt kann man auch mal mitten auf der Straßen anhalten, um einen kleinen Schwatz zu halten, ohne dass einer von hinten hupt", erzählt sie und lacht, "das ist mein Mallorca, wie ich es liebe."

Für die Insel ist der Winter auch eine Zeit der Reinigung, wie Maria Sickmüller es beschreibt: Es kommen weniger Touristen, viele Saisonarbeiter gehen in ihre Heimat zurück, die Natur kann sich erholen. "Mallorca ist eigentlich viel zu schön, um nur als Sommerinsel beworben zu werden, doch ich finde es auch toll, wenn wir mal wieder 'unter uns' sind."

Die Vorteile des Wintertourismus sieht Kathrin Amberg: "Den Wintertourismus zu fördern, wird der Insel bestimmt zugutekommen. Der Arbeitsmarkt könnte sich stabilisieren, damit viele Arbeitnehmer ganzjährig arbeiten", sagt die IT-Expertin, die sich in Manacor niedergelassen hat. Sie selbst hat das ganze Jahr über Arbeit, in der kalten Jahreszeit sogar ein wenig mehr als im Sommer. Dennoch bleibt Zeit für Sport und lange Spaziergänge mit dem Hund.

"Ich mag die Insel im Winter wie auch im Sommer sehr, sehr gern", erzählt Kathrin Amberg. Allerdings sei der Winter auf Mallorca gefühlt kälter als in Deutschland. Die Häuser seien oft schlecht isoliert und sie kühlen schnell aus. Hinzu komme die höhere Luftfeuchtigkeit.

Das nasskalte Klima auf Mallorca macht auch Illustrator George Riemann zu schaffen. "Die lange Unterhose ist derzeit mein bester Freund", scherzt der Hamburger. Ein Butanöfchen heize die Altstadtwohnung in Palma von elf auf 16 Grad. "Dennoch hatte ich seit zwei Jahren keine Erkältung mehr." Riemann bezeichnet sich als Sommer-Hitze-Typ, den Winter bringt er mit Wander- und Radtouren über die Runden. "Beim Aufstieg auf den Galatzò kommt man echt an seine Grenzen, aber dort oben ist es fantastisch", schwärmt der 56-Jährige.

Jetzt in der kühleren Jahreszeit zeichnet er weniger: "Das Licht ist derzeit nicht so gut." Außerdem bieten die vielen Touristen im Sommer ihm oftmals eine Steilvorlage für Karikaturen. Doch in diesem Sommer sei das Geschubse und Gedränge in Palma zuviel gewesen, alte Geschäfte schlossen, Souvenirläden öffneten. "Aus reinem Egoismus halte ich nichts von der Förderung des Wintertourismus", sagt er, ein wenig Ruhe müsse nämlich auch mal sein.

"Die Insel ist für Bewohner im Winter wesentlich lebenswerter", sagt Residentin Alice von Gayling-Westphal. Die Temperaturen lassen viele Aktivitäten zu, man steht nicht im Stau und die Geschäfte in Palma haben dennoch geöffnet. "Im Sommer fahre ich nicht in die Innenstadt und gehe nicht an den Strand", erzählt die Unternehmerin und Turnierreiterin.

"Wir Inselmenschen leben gegen den Jahresrhythmus." Im Sommer, wenn andere Menschen Urlaub machen, wird voll gearbeitet. Erst im Winter können Insulaner auch mal Ferien machen. In der kühlen Jahreszeit hat sie Zeit für Freunde und Strandspaziergänge, auch die Turniersaison ruht. "Man denkt, die Insel schläft, doch dem ist nicht so", sagt die 45-Jährige. Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen. Für ihre Eventagentur bereitet sie Veranstaltungen vor, nimmt Kontakt zu den Kunden auf, vereinbart Probeessen.

Auf Urlaubsmodus im Winter ist Radverleiher Thomas Dern aus Can Pastilla eingestellt. "Ich war jetzt schon zweimal auf der Aida", erzählt er. Auf der Fahrt durchs Mittelmeer trifft er so manchen anderen Mallorca-Residenten. Ein bisschen flüchtet er auch vor dem kalt-nassen mallorquinischen Winterklima. Außer auf Kreuzfahrtschiffen hält er sich auch in seinem Geschäft auf: Der Laden wird neu gestrichen, die kommende Saison vorbereitet.

"Im Sommer geht gar nichts, da bin ich nur hier in Can Pastilla am Arbeiten", sagt er. "Jetzt habe ich mal Zeit für Ausflüge, aber wenn ich dann nach Alcúdia fahre, ist dort alles zu."

Thomas Dern ist der Ansicht, dass der Wintertourismus weiter florieren wird: "Der Vorgänger meines Ladens erzählte, dass früher die Hotels das ganze Jahr über geöffnet waren", sagt der 53-Jährige. Denn manchmal sei zu viel Ruhe auch etwas langweilig.

(aus MM 3/2018)