In der Strandbar Pelícano Beach in Cala Major ist Helmut Helms oft anzutreffen.

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Bis mittags schlafen, den ersten Kaffee des Tages mit Blick aufs Meer genießen, dann runter zum Strand, eine Bahn im Mittelmeer schwimmen bis es schon wieder Zeit fürs Mittagessen wird. So stellen sich wohl viele Menschen den Lebensabend auf Mallorca vor. „Joh, so ungefähr sieht mein Tag auch aus. Nur fürs Schwimmen ist es noch zu kalt”, lacht Helmut Helms. Der Senior hat gemacht, wovon andere nur träumen: Er ist ausgewandert, verbringt die Rente auf einer Insel, macht quasi Urlaub für immer. Nur im Gegensatz zu den anderen war das nie sein Traum: „Das hat sich irgendwie so ergeben! Ich habe nie daran gedacht, mal auf Mallorca zu leben, aber ich möchte auch nicht mehr tauschen. Auch jetzt nicht.”

„Hola Elmut”, ruft eine junge südamerikanische Frau ihm zu und winkt freudig. Der blonde große Norddeutsche winkt zurück, ruft zurück: „¿Qué tal?” und erklärt, das sei Maria, seine Schneiderin. Man kennt sich eben. „Die Menschen auf Mallorca sind einfach toll, das Essen ist so gut und das Wetter erst! In Bremen sind es heute nur sechs Grad!” Der ehemalige Reedereikaufmann versinkt entspannt im bequemen Stuhl der Strandbar während er das sagt und deutet dabei mit einer dezenten Geste auf das tiefblaue Meer vor ihm. Das Pelícano Beach in Cala Major gehört zu seinen Stammlokalen, wie eigentlich jedes Café, jede Bar und jedes Restaurant in diesem Stadtteil von Palma. Als Rentner habe er ja auch genügend Zeit, die Nachbarschaft genau unter die Lupe zu nehmen: „Vor allem jetzt! Man kann ja auch sonst nicht viel machen.”

Eigentlich ist der gebürtige Bremer ein sehr aktiver Mann, der sich gerne unter Leute mischt. Eigentlich. Erst zwei Jahre ist es her, als sich Helms beim wöchentlichen Seniorentreff in seinem Viertel angemeldet hat. Die mallorquinische Gemeinschaft hat den 68-Jährigen herzlich aufgenommen, gemeinsam haben sie Ausflüge gemacht, wie Stadtführungen durch Palma, haben gebastelt oder einfach zusammengesessen bei Kaffee und Kuchen.

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Seit über einem Jahr hat es keine Treffen mehr gegeben, auch seinen Sprachstammtisch gibt es derzeit nicht. Wann es weitergeht, ist noch nicht bekannt: „Wohl erst, wenn alle geimpft sind. Schade, dass es gegen Langeweile noch keinen Impfstoff gibt.” Langeweile, die nervt den Senior am meisten, gerne würde er diese mit einer Frau an seiner Seite teilen. Nur jemanden kennenzulernen, das ist gerade für die Risikogruppe in Pandemiezeiten nicht einfach. Doch er möchte sich nicht beschweren: „Hier haben ja wenigstens viele Läden noch geöffnet und wir haben über 20 Grad. Es ist gerade nicht einfach, aber es könnte viel schlimmer sein.” 193.325 Balearenbewohner sind über 65 Jahre alt, von ihnen leben 43.600 alleine, zu ihnen gehört auch der Witwer. „Ich habe ja noch einige Bekannte auf der Insel und meine Tochter. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie es wohl denen geht, die ganz alleine sind.”

Sein einziges Kind ist 2011, zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau, nach Mallorca ausgewandert. Helms hat seine heute 32-jährige Tochter daraufhin regelmäßig besucht: „Ich habe dann eigentlich jeden freien Tag auf der Insel verbracht und mich jedes Mal in ein Hotel eingebucht. Irgendwann haben wir gedacht, dass ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft viel günstiger ist.” So ging es los, das Auswandern light. Nach dem WG-Zimmer folgte 2014 die eigene Wohnung und 2015 der Ruhestand. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Pensionär noch ein Haus in Bremen, das er 2017 verkaufte. Seitdem lebt Helms ganzjährig auf Mallorca und verlässt die Insel nur zu besonderen Anlässen wie zum Hochzeitstag seiner Schwester, zur Taufe der Großnichte, oder zum Tanzen.

Seit neun Jahren tanzt Helmut Helms leidenschaftlich Tango, war regelmäßig auf Tanzabenden, ist zu internationalen Events gereist, war bei jedem Mallorca-Tangofestival dabei. Und das fehlt ihm am meisten. „Wenn irgendwo auf der Insel eine Milonga stattfindet, dann selten ohne mich”, grinst er. Vor Corona war der Single mehrmals in der Woche auf dem Parkett, auch zu Tanzkursen hat man ihn gerne eingeladen: „Es kommt oft vor, dass sich für einen Kurs mehr Frauen als Männer anmelden. Da bin ich gerne als Tanzpartner eingesprungen”, erzählt der Resident mit leuchtenden Augen: „Aber am besten sind die Open-Air-Milongas im Sommer. Direkt am Hafen unter dem Sternenhimmel zu tanzen – das ist einfach fantastisch. Ich hoffe so sehr, dass sie dieses Jahr wieder stattfinden.”

Dann schaut er auf die Uhr: „Ach, so spät schon! Ich muss dann mal los!” Er sagt das so wie ein tüchtiger Geschäftsmann zwischen zwei wichtigen Meetings. Dabei sind es noch zwei Stunden, bis sein Spanischkurs beginnt. „Ich möchte mich einfach nicht beeilen müssen. Ich habe mich 45 Jahre lang beeilt. Jetzt möchte ich trödeln. Dafür ist man doch Rentner.”