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Nur weil die jungen Rennfahrer eben noch junge Rennfahrer sind, heißt das nicht, dass sie ihren Idolen aus der Formel 1 in Sachen Kampfgeist und Ehrgeiz in irgendetwas nachstehen.

Es ist das Jahr 2019 und wir befinden uns in Deutschland, genauer auf der Rennstrecke Wackersdorf. Das Gokart mit der Startnummer 33 steht nach dem Qualifying auf der Pole-Position. Unter dem Vollhelm hinter dem verspiegelten Visier schauen die leuchtend blauen Augen von Konstantin Titze konzentriert und fokussiert auf die Strecke. Die Hände des Nachwuchsrennfahrers greifen fest um das Lenkrad. Kurz vor dem Start klopft sich der 10-Jährige mit der Faust auf den Helm. Eine Geste, die er im Laufe seiner jungen Rennfahrerkarriere schon zu einem Ritual gemacht hat.

Die Ampel springt auf Grün, die Hightech-Gokarts röhren los. Konstantin kann seinen ersten Platz in diesem seinem ersten Rennen 2019 bis zur ersten Kurve behaupten. Dann passiert es: Der Zweitplatzierte verliert die Kontrolle über sein Kart, berührt Konstantins Hinterreifen, wird dadurch ausgehebelt, in die Luft gehoben und Gokart sowie Fahrer marschieren geradewegs über Konstantin hinweg und touchieren dabei seinen Helm. Durch den Aufprall kommt Konsti, wie ihn seine Freunde nennen, ins Schlingern, er dreht sich und bleibt verkehrt herum in der Mitte der Fahrbahn stehen. Der Motor seines Gokarts stirbt ab. Mit einer riesigen Schramme auf dem Helm muss er zuschauen wie seine Gegner auf ihn zu und schließlich an ihm vorbeischießen.

„Das war mein erstes Rennen überhaupt in Deutschland.”, erzählt der junge Mann mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Konstantin und seine Eltern sind nach Mallorca ausgewandert als er gerade mal vier Jahre alt war. Mit sechs saß er hier auf der Insel das erste Mal in einem Gokart. Ziemlich kurz danach verkündete er Mama Kristin Geisshirt-Titze und Papa Frank Titze: „Ich werde Formel-1-Fahrer.”

Beide Eltern, die Familie wohnt in Puig de Ros, unterstützen die Ambitionen ihres Nachwuchses. „Ja es ist ein gefährlicher Sport”, gibt Kristin Geisshirt-Titze zu, „aber fahr bitte vorsichtig, macht in diesem Sport eben einfach keinen Sinn. Außerdem kann man auch beim Reiten vom Pferd fallen und sich verletzen und beim Rennsport wird alles Mögliche für die Sicherheit der Kinder getan.” Die Gokarts, mit denen Konstantin und seine Konkurrenten in diesem Jahr wieder bei den ADAC Masters in der Klasse „Mini” an den Start gehen, sind absolutes Profi-Gerät und dementsprechend teuer. „Eine Rennsaison kostet zwischen 50.000 und 80.000 Euro”, erklärt Papa Frank Titze. „Die Gokarts, das Equipment, die Reisekosten, Mechaniker, die Anmeldungen zu den Rennen und so weiter, das kostet richtig Geld.” Deshalb wollte die Familie, allen voran Konstantin, wissen, ob der Rennsport ein Hobby bleibt oder ein Beruf werden kann. Die Zeichen stehen nicht schlecht für den jungen Nachwuchssportler, denn nicht nur hier auf der Insel haben Experten vor seinem Speed und seinem Biss den Hut gezogen.

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In diesem Jahr tritt er bei den ADAC Masters für das amtierende Meisterteam Ebert Motorsport an und für dieses Team darf nicht jeder an den Start gehen. „Ich weiß, dass es viel Arbeit ist, so gut wie meine Idole Max Verstappen oder Michael Schumacher zu werden, aber ich will das unbedingt”, erklärt Konstantin mit entschlossener Miene. An einem harten Trainingstag sind 500 Runden auf der Kartbahn keine Seltenheit. Im Prinzip lebt er schon das Leben eines Profi-Rennfahrers. Er ernährt sich gesund, macht Sport und hat mittlerweile sogar einen Mental-Coach, der ihm dabei hilft, sich auf seine Rennen zu konzentrieren.

„Ich mache vor dem Start immer so Atemübungen und Meditation, das hilft mir, ganz bei der Sache zu sein. Da will ich auch vorher nichts mehr von meinen Eltern hören”, grinst der Nachwuchsathlet und ergänzt „im Prinzip gibt es kaum Unterschiede zwischen uns Minis und den Stars der Formel 1. Auch wenn wir uns gut verstehen und vorher vielleicht sogar gemeinsam die Strecke ablaufen – unsere Gokarts fahren um die 115 km/h Spitzengeschwindigkeit, da gibt es keine Freunde auf der Strecke.”

„Wir glauben Konstantin kann es schaffen, an die Spitze zu fahren, er hat das Zeug dazu. Jetzt zur Saisonhalbzeit ist er vorne mit dabei und das freut uns natürlich”, erklärt die Mama stolz und der Papa ergänzt „nach der Mini-Klasse müsste Konstantin den Sprung in die OK-Junioren-Klasse schaffen und dann so mit 14 oder 15 Jahren den Schritt in die Formel 4. Wenn er das hinbekommt, hat er eine realistische Chance auf die Formel 1”. Bis sich Konstantin bei den Vettels und Hamiltons dieser Welt einreihen kann, braucht er neben einem starken Willen viel Unterstützung von Menschen, die ebenfalls an seinen Einzug in die Königsklasse glauben. „Rennfahrer werden ist ein teurer Traum, deshalb suchen wir noch nach Sponsoren. Wir haben schon ein paar, aber wie gesagt, Motorsport ist kein günstiger Sport.”

Zurück auf der Rennstrecke in Wackersdorf. Konstantin steht noch immer verkehrt herum auf der Strecke. Die Motorengeräusche seiner Konkurrenten entfernen sich und werden immer leiser. Der damals Achtjährige atmet tief durch, greift noch einmal fest ins Lenkrad und schmeißt den Motor wieder an. Er dreht das Gokart mit der Startnummer 33, derselben, die Max Verstappen auf seinem Rennwagen hat, wieder in die richtige Richtung und gibt Gummi.

In den darauffolgenden Runden kämpft er sich mit dem sprichwörtlichen „Messer zwischen den Zähnen” auf den zweiten Platz. In der letzten Runde klebt er an der Hinterachse des jungen Rennfahrers, der zwischen ihm und seinem Sieg steht. Die beiden schießen wie Pfeile über den Asphalt. Konstantin klemmt sich in den Windschatten seines Gegners, behält die Nerven, geht volles Risiko und kassiert den Konkurrenten nur wenige Kurven vor der Ziellinie. Er sieht die schwarz-weiß-karierte Fahne als erster, reißt die Faust hoch wie Michael Schumacher in seinen besten Zeiten und schreit seinen Jubel in den geschlossenen Vollhelm.