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Mallorca Magazin: Frau Serra, Sie führen einen Verlag mit rund 300 Mitarbeitern und Ihr Handy klingelt ständig. Wie gehen Sie mit Stress um?

Carmen Serra: Indem ich verreise: auf das spanische Festland, nach Ägypten oder Frankreich. In den Urlaub zu fahren, lässt mich am besten abschalten. Oder ich arbeite noch mehr.

MM: Wie bitte?

Serra: Es gibt für mich die Arbeit für die Firma und die für die Familie. Ich habe zwei Enkel, einen Jungen und ein Mädchen. Ansonsten koche ich gerne für andere. Aber dazu habe ich zu wenig Zeit.

MM: Deutschland haben sie zuletzt vor Corona besucht. Was beeindruckt Sie an 
„Alemania”?

Serra: Mich macht neidisch, wie kompromissbereit die Deutschen sind. Davon kann Spanien eine Menge lernen. Gerade jetzt nach der Bundestagswahl zeigt sich diese Mentalität. Die politischen Akteure verhandeln über die Zukunft des Landes und ich habe den Eindruck, dass sie ihre persönlichen Ziele hinten anstellen.

MM: Und was können Deutsche von Spaniern lernen?

Serra: Vielleicht weniger effektiv zu sein? Nein, das ist nur ein Spaß. Ich schätze die deutsche Effektivität sehr. Aber die Deutschen könnten weniger arbeiten. In Spanien arbeitet man mit weniger Stress, glaube ich.

MM: Was motiviert Sie, jeden Tag aufzustehen?

Serra: Dass ich die Arbeit meiner Eltern bewahren und weiterführen darf. Das gilt nicht nur für mich, sondern auch für meine Schwester Paula (zuständig für Audiovisuelles in der Gruppe) und meinen Bruder Miquel (Chefredakteur von „Ultima Hora”) . Wir sind stolz auf unsere Produkte, zum Beispiel die Zeitungen „Ultima Hora” für Mallorca, „Ultima Hora - Periódico de Ibiza y Formentera”, „Majorca Daily Bulletin” und das Mallorca Magazin.

MM: Inwiefern war Ihr Weg zur Präsidentin der Mediengruppe vorgezeichnet?

Serra: Nachdem sich mein Vater 2013 aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte, wurden die Rollen neu verteilt. Mein Bruder interessierte sich besonders für die Produktion der gedruckten Zeitung, meine Schwester für digitale Kommunikationsformate. Und ich, na gut, ich bin ein bisschen das Mädchen für alles. Das Unternehmen leite ich nicht von oben herab, wir drei entscheiden gemeinsam. Zu unserem Team gehört auch einer meiner zwei Söhne, Pedro Rullán.

MM: Welche Erinnerungen haben Sie aus der Kindheit an das Mallorca Magazin?

Serra: Mein Vater hatte es stets zu Hause. Beim Mittag- und Abendessen ging es häufig um die Arbeit. Da wird man schnell in die Geschäfte eingeweiht.

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MM: MM war 1971 nicht die erste Zeitung, die Ihr Vater herausgebracht hat.

Serra: Neun Jahre zuvor kam schon das englischsprachige Mallorca Daily Bulletin auf den Markt. Dann war da noch eine Sportzeitung, die sonntagabends erschien. Sie informierte die Menschen über die Fußballergebnisse des Tages. Die wurden sonst nur in Radio und Fernsehen bekanntgegeben. Außerdem fanden die Spiele damals noch zum selben Zeitpunkt statt. Den Grundstein für diese Publikationen hatte mein Vater 1950 gelegt, als er im Carrer Sant Feliu die Druckerei Atlante schuf.

MM: Bis 1975 war Spanien eine Diktatur unter Francisco Franco. Inwiefern unterlagen die Zeitungen der Zensur?

Serra: Das kann ich nicht beurteilen, aber generell dauerte es zwei, drei Tage bis Zeitungen vom Festland auf Mallorca ankamen. Wenn sie aus welchen Gründen auch immer nicht kommen sollten, kamen sie eben nicht. Insgesamt war Unternehmergeist in dieser Zeit nicht gern gesehen. Als die ersten Urlauber in den 70ern nach Mallorca kamen, änderte sich das. Die einen bauten Hotels, die anderen eröffneten Transportunternehmen, meine Familie informierte die Menschen.

MM: Das Mallorca Magazin feiert dieses Jahr 50-jähriges Bestehen. Was ist Aufgabe des Blatts?

Serra: Dieselbe wie vor 50 Jahren auch: Brücken zwischen der deutschen und der mallorquinischen Gesellschaft bauen. Es soll die Vielfalt Mallorcas abbilden: Welche Kunstausstellungen, Galerien, Museen gibt es? Welche neuen gastronomischen Trends etablieren sich? Früher gab es zum Beispiel nur drei Weingüter auf der Insel, heute sind es 120 Bodegas. Dann sind da noch der Sport, die Strände, das Meer, die Landschaft im Landesinneren, der Schutz der Umwelt. Das Mallorca Magazin soll seinen Lesern Zugang zur Insel und ihren Menschen schaffen.

MM: Das Mallorca Magazin richtet sich nicht nur an Urlauber, sondern besonders an Residenten. Wie würden Sie die deutsche Community auf der Insel beschreiben?

Serra: Vorab: Man kann da nicht generalisieren und manche Deutsche lieben die Insel mehr als Mallorquiner selbst. Es gibt sicher diejenigen, die 30 Jahre auf Mallorca leben und weder Spanisch noch Mallorquinisch sprechen sowie sich nur mit Landsleuten aufhalten. Andere integrieren sich, sprechen den lokalen Dialekt, bauen ein prosperierendes Geschäft auf – wie zum Beispiel mein Freund Franz Kraus mit seinem Lebensmittelvertrieb Fet a Sóller.

MM: Wie gelingt der Spagat, kulturelle Dinge Mallorcas zu vermitteln und negative offen zu legen?

Serra: Das Mallorca Magazin hat sicher keinen sensationalistischen Anspruch. Aber wenn etwa ein Deutscher im Verdacht steht, Geld veruntreut zu haben, informieren wir darüber. Auch wenn es ein Spanier ist. Aufgabe von MM ist, das, was passiert, einzuordnen.

MM: Wie sehen Sie die Zukunft gedruckter Zeitungen?

Serra: Vor 15 Jahren hat jemand auf einem Medien-Kongress gesagt, dass in zehn Jahren keine Zeitungen mehr gedruckt werden. Es gibt sie immer noch. Vielleicht werden überregionale Zeitungen wie „El País” und „El Mundo” in ein paar Jahren dazu übergehen, nur noch Wochenendausgaben mit hintergründigen Artikeln in Papierform herauszugeben und die Aktualität auf der Homepage anzubieten. Lokale Zeitungen haben eine bessere Perspektive.

MM: Inwiefern?

Serra: Sie stehen für Nähe. Nehmen wir den Vulkanausbruch auf der Kanareninsel La Palma. Nachrichten darüber bekommen die Menschen bei allen Medien. Wir berichten auch, wo sich die Lava gerade befindet und wie viele Häuser bereits zerstört worden sind. Wir versuchen darüber hinaus, Mallorquiner zu finden, die sich gerade auf La Palma aufhalten. So stellen wir lokalen Bezug her.

(Aus MM 41/2021)