Kunst und Natur sind oft auf wunderbare Weise verbunden, sei es durch die Schaffenskraft der Natur selbst oder durch den Menschen. Skulptur von Michael Prentice. Mit freundlicher Genehmigung des Museums Sa Bassa Blanca in Alcúdia. | tco

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Der folgende Text ist der MM-Kolumne "Unter vier Augen" von Talia Christa Oberbacher entnommen. Die Autorin ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic auf Mallorca.

In den vergangenen Tagen hatte ich Urlaub und habe meine Zeit im Wesentlichen damit verbracht, aufzutanken. Natürlich mit Sonne, mit Entspannung durch süßes Nichtstun, aber auch mit Kultur. So habe ich bei einem Ausflug nach Deutschland/Österreich die Generalprobe von Madame Butterfly auf der beeindruckenden Seebühne in Bregenz und im Schloss Belver in Palma unter dem Sternenhimmel die großartige, konzertante Aufführung der Oper Lucia di Lammermoor erlebt.

Ich konnte mich außerdem einfühlen in das Werk und Leben van Goghs, das derzeit in Palma mit einer multimedialen Darstellung präsentiert wird. Dort kann man nicht nur die Bilder ansehen, unter gleichzeitiger musikalischer Untermalung. Nein, es ist sogar möglich, die Aromen und Gerüche wahrzunehmen, die passend zu den Bildern verströmt werden. Das Kontrastprogramm bestand aus einem Konzert der französischen Musikerin Zaz, das mich zum Tanzen und lauten Mitsingen brachte: „Je ne regrette rien”, ich bereue nichts. Na, sagen wir fast nichts.

Zum Abschluss gab es dann noch einen Abend im Auditorium Palma mit Filmmusik berühmter Komponisten wie Hans Zimmer und Ennio Morricone, die von einem klassischen Orchester gespielt wurde. Dabei hätte ich noch unzählige andere Events besuchen können, Ausstellungen, weitere Konzerte, Theateraufführungen und vieles mehr. Das kulturelle Angebot auf der Insel ist einfach sensationell.

Immer, wenn ich eine solche Veranstaltung verlasse, bin ich schwer beeindruckt. Ich habe große Hochachtung vor den Künstlern, vor deren Arbeit und deren Talent. Wie viel Aufwand und Mühe macht es, einen solchen Abend zu organisieren? Bei dieser Hitze für den Auftritt zu proben? Manches muss choreografiert und arrangiert werden. Wie viele Menschen sind daran beteiligt, dass alles rund läuft und die Besucher begeistert, oft sogar beseelt wieder nach Hause gehen? Und dabei scheint es, als wären es nur flüchtige Augenblicke, kurze Momente, in denen wir lauschen, staunen, wahrnehmen, uns mitreißen lassen, um dann wieder ins Alltagsbewusstsein zurückzukehren.

Aber Kunst kann und ist so viel mehr. Sie kann unsere Stimmung massiv beeinflussen, kann uns dazu anregen, selber aktiv zu werden. So stieg beispielsweise das Interesse an Tanzkursen massiv an, nachdem Filme wie Dirty Dancing oder Flashdance im Kino liefen. Ob solche oder Filme überhaupt als Kunst bezeichnet werden können, lassen wir mal dahingestellt. Schließlich lässt sich bekanntlich darüber nicht streiten.

In Kanada gibt es, nach einem Artikel der Zeitschrift „Psychologie Heute” aus dem Jahr 2020, sogar folgendes: „Bei kleineren Beschwerden nehmen Sie bitte ein Aspirin und zwei Claude Monets. Kein Witz: Auf Rezept ihres Arztes bekommen Kanadier im Montrealer Musée des beaux-arts freien Eintritt. […] Die Initiative geht unter anderem auf eine in Montreal durchgeführte Studie zurück. Darin ging es um die Wirkung von Kunst auf das seelische und körperliche Wohlbefinden: Manche Teilnehmer, die ihre Verfassung zunächst als „fragil“ eingestuft hatten, bezeichneten sie nach dem therapeutisch verordneten Kunstgenuss als „robust“.“

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Weiter geht es in dem Artikel noch um andere Bereiche, in denen Kunst hilfreich ist. Beispielweise wird ausgeführt, dass Kunst auch eine beruhigende Wirkung haben kann: „Wissenschaftler in Paris unternahmen in Zusammenarbeit mit dem Louvre und dem Pariser Hôpitaux Universitaires de Paris Seine-Saint-Denis eine originelle Studie: Die Forscher organisierten eine Kunstausstellung im Krankenhaus und boten dortigen Patienten Führungen an.

In diesem Projekt namens Le Louvre à l’hôpital konnten die Patienten die Kunstwerke aus der Nähe bewundern und diskutieren. Das hatte nennenswerte psychische Folgen: Das Gros der Ausstellungsbesucher berichtete hernach, sie fühlten sich jetzt weniger ängstlich. Die Studie wird nun zu einem Langzeitprojekt ausgebaut und auch in anderen Pariser Krankenhäusern übernommen. Sogar die Weltgesundheitsorganisation hat das Potenzial von Kunst bereits entdeckt und möchte es weitflächiger nutzen.”

Es werden in dem Artikel auch Studien angegeben, die belegen, dass Kunst gut sei für die Umwelt (Kunst aus recyceltem Müll kann dazu anregen, sich mehr Gedanken über den Erhalt der Natur zu machen), die kognitiven Fähigkeiten stärke (das Gehirn kann leichter über sinnliche Erfahrungen lernen und abspeichern), ja, einfach für mehr Lebensqualität sorge (beispielsweise bei Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer). Hier geht es sowohl um das Betrachten, Erfahren von Kunst als auch das eigene künstlerische Schaffen.

Auch in der Therapie wird Kunst seit Mitte des 20. Jahrhunderts erfolgreich eingesetzt. Die Kunsttherapie arbeitet hauptsächlich bildend, sei es durch Malen, Zeichnen, plastische Gestaltung aber auch Fotografie. Es geht dabei im Wesentlichen darum, die eigenen Gefühle und Gedanken ohne Worte darzustellen. So kann beispielsweise ein Bild, das in Zeiten akuter Trauer gemalt wird, auf eindrucksvolle Weise ausdrücken, dass den Trauernden, neben Schmerz und Traurigkeit, auch Wut und Ärger belasten, weil Dinge noch nicht geklärt waren oder kein Abschied möglich war.

Auch der Verlauf der Trauer kann durch gemalte Bilder gut erkennbar werden: In meiner Begleitung Trauernder ist das Malen eines Bildes „Meine Trauer” eine wichtige Intervention. Oft ist nach einiger Zeit für die Trauernden anhand des Bildes eine deutliche Veränderung der Gefühlslage sichtbar. Dies kann das Vertrauen stärken, dass das Leben weitergeht und die anfangs oft übermächtigen, schweren Gefühle mit der Zeit etwas leichter werden. Auch das Hören von zur Stimmung passender Musik, im Radio oder aus dem eigenen Fundus, kann uns sowohl in schweren Zeiten unterstützen, als auch die Freude und Euphorie in guten Zeiten noch verstärken (MM 40/2021).

So hat Kunst, sowohl konsumiert als auch selbstgemacht, unbestritten einen rundum guten, hilfreichen Einfluss auf uns. Vielleicht konnte ich Sie ein wenig anregen, sich (mehr) mit Kunst im weitesten Sinne und dem kulturellen Angebot Ihrer Region zu beschäftigen. Sie finden sicher auch etwas, das Sie interessiert. Es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten und schließlich – üben wir uns mit „ars vivendi” nicht alle jeden Tag in der Kunst zu leben?

Talia Christa Oberbacher ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic.
E-Mail: coaching@palma-clinic.com
Web: palma-clinic.com

(aus MM 34/2022)