Als wäre es Peking: Drachen auf der Nuredduna-Straße. | Anja Schmidt

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Warum sind die Chinesen an ihrem Neujahr so aus dem Häuschen? Was haben Drachen, Hasen und andere Tiere damit zu tun? Und wie passt das ganze nach Palma? MM war für die Leser mittendrin und bringt Licht ins Dunkel.

Die mit roten Lampions geschmückte Calle Nuredduna im Viertel Pere Garau platzt aus allen Nähten, als sich ein blauer und ein goldener Drache durch die Masse schlängeln. Sie schwenken ihre farbig glitzernden Köpfe blitzschnell dicht vor einigen Gesichtern des überraschten Publikums und reißen ihre Mäuler ganz weit auf. Die Zuschauer können so schnell gar nicht das Handy zücken, jubeln aber dennoch vor Schreck und Freude.

An jeder Ecke gibt es kulturtypische Leckereien, die den Besuchern beim Kosten ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen zaubern. Seien es Jiaozi, die gefüllten Maultaschen, oder Baozi, die gefüllten Hefeteigtaschen, aufgespießte karamellisierte chinesische Weißdornfrüchte, Mondkuchen oder in einer Marinade aus schwarzen Teeblättern gekochte Eier. Wer nichts essen möchte, kann sich seinen Namen hübsch in chinesischer Kalligrafie schreiben lassen, Tänze beobachten, multikulturellen Klängen auf der Bühne lauschen oder zuschauen, wie ein Chinese aus geschmolzenem Zucker Hasen zum Anbeißen kreiert. An diesem 29. Januar hat das chinesische Neujahr gut angefangen.

Aber wieso beginnt es nicht wie bei uns am 1. Januar eines Jahres und wieso bestimmen Tiere und nicht die Sterne das Horoskop?

China und viele andere asiatische Länder berechnen ihre Tage, Monate und Jahre nach dem Mondkalender. Es gibt einen Zwölf-Jahres-Zyklus, bei dem jedem Jahr ein Tier zugeordnet wird. Nach zwölf Jahren beginnt der Zyklus von neuem. Jedes Tierkreiszeichen hat bestimmte charakterliche Eigenschaften, die sich mit anderen Faktoren auf alle in diesem Jahr Geborenen übertragen. Wie die Reihenfolge zustande kam?

Laut Legende lud der Jadekaiser die Tiere zu sich ein. Es erfolgte ein Wettkampf um Schläue und Gerissenheit, um die ersten zwölf Plätze. Die clevere Ratte gewann, das faule Schwein nahm zu viele Pausen, verlor und kam so auf den zwölften Platz. Der Hase war übrigens vierter und ist (nach 1999 und 2011) nun 2023 wieder an der Reihe. Die im Jahr des Hasen Geborenen erfreuen mit ihrer geduldigen, wachsamen und friedlichen Art die Gemüter. Die negativen Eigenschaften wie übertriebene Angst, Launenhaftigkeit und Neid sind so leichter zu verschmerzen.

In China bringt es dem Volksglauben nach extremes Glück, wenn die im jeweiligen Tierkreis Geborenen in ihrem Jahr rote Unterwäsche und Socken tragen. MM ging mit der Recherche aber nicht so weit, als die Traditionstreue der herumlaufenden Hasen zu prüfen ...

Warum gehören zum Frühlingsfest tanzende Drachen und Löwen? Drachen sind nicht wie in unserer Kultur bedrohliche, gefährliche Fabelwesen. Als Urahn der Chinesen repräsentieren sie sogar reines Glück, Stärke, Wohlstand und Intelligenz. Klar, dass sie bei dem wichtigsten Event des Jahres nicht fehlen dürfen. So ähnlich sieht es auch mit den Löwen aus. Neben Glück stehen sie für Macht, Kraft und Schutz. Während die in Palma ansässigen Drachen Montse und Pep von Kindern getragen werden, stecken in einem Löwenkostüm zwei flinke und akrobatische Personen, die einige Kunststückchen vorführen.

Chinesisches Essen ist ein großer Bestandteil der Kultur, sodass am Neujahr bestimmte Speisen Tradition haben. Ohne Jiaozi, die chinesischen Maultaschen, wäre ein neues Jahr undenkbar. Die Form der Leckerei entspricht absichtlich chinesischen Goldbarren, die im alten China als Zahlungsmittel dienten. Kein Wunder, dass die Leckerei Wohlstand und Glück symbolisiert. Es gibt einen Brauch, bei dem in einer prall gefüllten Nudeltasche eine Münze oder ähnliches versteckt wird. Der Fund ist wie ein theoretischer Sechser im Lotto, denn Glück und Reichtum in der Zukunft sind zumindest wahrscheinlicher geworden.

Die meisten der 10.000 auf der Insel lebenden Chinesen sind mit dem Verlauf des Feiertags zufrieden und erfreuen sich an dem Interesse der anderen Bewohner an ihrer Kultur. Auch Fang Ji, Präsident der chinesischen Vereinigung auf den Balearen (ACHINIB) zeigte sich überwiegend zufrieden. MM verriet er, dass sich im Lauf der Jahre der Ablauf des Frühlingsfestes zwar stetig verbesserte, für das nächste Jahr aber Organisation, kulturtypischere Deko, Beleuchtung, sanitäre Anlagen und die Technik verbesserungswürdig seien. MM fand es jetzt schon „hasenstark”!