Der aus Worms stammende Herztat-Gründer Roland Werner (l.) und die Freiwillige Jeanine Charpentier (r.) wohnen bereits seit Jahren auf Mallorca. | P. Lozano

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Kaum jemand kennt wahrscheinlich so detailgetreu die Nöte und Sorgen deutscher Senioren und älterer Residenten auf Mallorca wie Roland Werner, der Gründer der Stiftung Herztat. Vor etlichen Jahren ging der aus Worms stammende frühere Manager aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente und etablierte 2017 in enger Zusammenarbeit mit der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde der Balearen die Wohltätigkeitsorganisation, deren Schirmherrin die bekannte TV-Moderatorin Birgit Schrowange ist.

Zahlreiche Ehrenamtliche engagieren sich nun in dem Verein (herztat.de), der sich der Aufgabe verschrieben hat, sozial isolierten Menschen, deren Traum, den Lebensabend unter der Sonne auf der Insel zu genießen, in Elend, Armut oder Einsamkeit endete. Neben gemeinsamen Freizeitaktivitäten und Beistand in schwierigen Situationen bietet Herztat auch besondere Aktionen, wie beispielsweise das Telefonherz-Projekt, bei dem Freiwillige ihr Ohr hilfsbedürftigen Senioren leihen.

Neben Roland Werner stand auch die Ehrenamtliche Jeanine Charpentier, die zu einem speziellen Experten-Team in Sachen Kranken- und Pflegeversicherung der Hilfsorganisation gehört, MM bei einem Gespräch Frage und Antwort.

Mallorca Magazin: Herr Werner, eigentlich ist die Insel mit ihrem milden mediterranen Klima ein idealer Ort, um hier den Ruhestand zu verbringen. Was müssen deutsche Rentner beachten, bevor Sie hier herziehen?
Roland Werner:Es zieht vor allem viele nach ihrer Pensionierung auf die Insel, die hier ihre freie Zeit genießen wollen. Doch werden vor dem Umzug viele Fehler begangen. Das beginnt leider oftmals mit einer völligen Fehl-einschätzung der eigenen finanziellen Rahmensituation. Man muss dabei beachten, dass neben der hohen Miete hohe Lebenshaltungskosten auf Mallorca hinzukommen. Man versucht dann zu sparen, etwa an der Versicherung – und bei einem Notfall, wenn einer des Rentnerpaares krank wird oder stirbt, ist die fehlende Absicherung der große Knackpunkt, der zum Verhängnis werden kann.

MM: Kommen viele ohne einen durchdachten Plan fürs eigene Leben auf die Balearen?
Werner: Ja, zahlreiche kommen zu blauäugig hier her, ich bezeichne das als „Wishful Thinking”. Man muss sich, wenn man auf den Lebensabend hinsteuert, auch Gedanken um den eigenen Tod machen – das gehört zu einer sorgsamen Planung einfach dazu. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Von den auf der Insel lebenden Deutschen ist die Hälfte im Rentenalter. Und von diesen Senioren sind rund 20 bis 30 Prozent alleinstehend. Sobald die finanziellen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, ist diese zuletzt genannte Gruppe die am stärksten gefährdete.

MM: Wie sollte im Idealfall eine Aufstellung der monatlichen Kosten aussehen bei Senioren, die auf die Insel ziehen möchten? Mit was für einem Budget muss man rechnen?
Werner: Es ist kein Geheimnis, dass besonders viele Gutsituierte nach Mallorca ziehen. Allgemein gilt die Faustregel, dass die Miete nicht mehr als 40 Prozent des Einkommens, also in dem Fall der Rente, ausmachen sollte. In Palma und generell auf Mallorca ist unter 1000 Euro im Monat kaum noch eine Wohnung zu finden. Das bedeutet, das Senioren-Ehepaar sollte zusammen eine Rente von mindestens 2500 Euro beziehen. Doch bei wem ist das schon der Fall?

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MM: Heißt das in etwa, dass die monatlichen Ausgaben genauso hoch sind wie in der deutschen Heimat?
Werner: Bei unserer präventiven Arbeit, die wir ja auch leisten, lautet unser Appell stets: „Mallorca ist kein Billigland mehr wie vor zig Jahren! Rechnet es euch bis auf den Cent genau aus, ob ihr euch ein Leben auf der Insel leisten könnt!” Die Balearen gehören mittlerweile zur teuersten Region Spaniens, die stetig steigenden Mieten sind im Vergleich genauso hoch wie in München.

MM: Frau Charpentier, wie verhält es sich aus Ihrer Sicht? Mit welchen Problemen sind Deutsche, die auf der Sonneninsel ihren Lebensabend verbringen wollen, in ihrer neuen spanischen Wahlheimat konfrontiert?
Jeanine Charpentier: Viele deutschsprachige Senioren auf der Insel verfügen über eine Art „Halbwissen” bezüglich Versicherungen und dem Sozialsystem, was aus unserer Sicht gefährlich ist. Es kommen auch sogenannte „Best Ager” hierher, also Menschen, die über 55 Jahre alt sind, sich jedoch noch nicht im Ruhestand befinden, und geben dabei ihre Versicherung in Deutschland auf – was ein fataler Fehler ist. Es ist wichtig, genau darüber Bescheid zu wissen, was für eine Rente man zu erwarten hat. Das hängt auch davon ab, in welchem Land, ob in Spanien oder in Deutschland, man über Jahre hinweg in die Sozialkasse und Rentenversicherung eingezahlt hat.

MM: Was ist, wenn jemand Hilfe benötigt? Kann diese Person dann etwa bei Ihnen Informationen einholen?
Charpentier: Bei Herztat haben wir ein dreiköpfiges Experten-Team, das bei diesen speziellen Fragen, die oftmals sehr komplex sein können, unentgeltlich berät. Dabei können sich Hilfesuchende telefonisch oder über unsere Website bei uns melden. Manchmal gibt es auch Verständigungsschwierigkeiten aufgrund fehlender Spanischkenntnisse mit den Behörden. Dass Mallorca als das 17. Bundesland abgetan wird, ist völliger Unsinn, und die Wichtigkeit der Sprachkenntnisse wird bei Deutschen völlig unterschätzt. Es gibt auch einige, die sich aufgrund ihres hohen Alters nicht mehr in der neuen digitalen Welt zurechtfinden. Auch in diesen Fällen helfen wir und überwinden gemeinsam technische Barrieren

MM: Ist ein „Scheitern” hier auf der Insel, fern der Heimat, der Familie und Freunden, eher möglich oder sogar wahrscheinlich?
Werner: Tatsächlich suchen viele oftmals erst Rat bei uns, nachdem es beinahe schon zu spät ist. Wir beobachten, dass es bei vielen Scham auslöst, sich einzugestehen, dass man mit dem eigenen Lebensentwurf gescheitert ist und etwa die eigene finanzielle Situation falsch einschätzte. Umso wichtiger ist, sich rechtzeitig bei uns zu melden und sich Hilfe zu holen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

MM: Wie schätzen Sie die Gesundheitsversorgung auf der Insel ein? Verfügt Mallorca über ausreichend gute Krankenhäuser und Arztpraxen?
Werner: Vor allem dieser Aspekt der Krankenversicherungen wird von vielen Auswanderern komplett vernachlässigt. In Spanien gibt es für Arbeitnehmer die Möglichkeit, über eine Pflegeversicherung die öffentlichen Gesundheitszentren, die sogenannten PACs, in Anspruch zu nehmen. Bei diesen medizinischen Leistungen handelt es sich jedoch nur um rudimentäre Basisbehandlungen. Sollte ich jedoch eine Betreuung durch einen deutschsprachigen Arzt wünschen, ist eine Zusatzversicherung unabdingbar. Viele Fragen diesbezüglich beantworten wir hier.

MM: Betreuen Sie auch Fälle, die besonders kritisch sind?
Charpentier: Selbstverständlich. Wir betreuen einige Senioren, die komplett unter dem Radar bleiben. Die kommen beispielsweise mit einem vermeintlichen Jobangebot, das dann platzt, auf die Insel, und wissen nicht weiter. Sie haben dann keine finanziellen Bezüge, wie etwa in Deutschland durch das Bürgergeld. Hinzu kommt, dass es mit der Wohnung nicht klappt, und schnell befinden sich diese Menschen in einer prekären, randständigen Situation. Einige davon haben bereits schwierige Biografien. Auch bei einer Rückführung nach Deutschland hätten sie in ihrer alten Heimat kaum ein soziales Netz, da der Kontakt zur eigenen Familie oder den Kindern abgerissen ist. In einem Fall lebt der ältere Senior, den ich betreue, bereits seit 15 Jahren auf der Insel. Zuletzt wohnte er in einem Wald bei Bendinat. Spanische Behörden kontaktierten uns, ob wir etwas tun könnten. In der Pandemiezeit verhalfen wir ihm dazu, einen Platz in der „primera acogida”, der Obdachlosen-Unterkunft, zu erhalten. Ich habe ihn darin unterstützt, eine örtliche Buskarte zu erlangen sowie sich einen neuen Reisepass zu besorgen, der abgelaufen war.

MM: Am Fall des schwerstkranken Schauspielers Heinz Hoenig sieht man, wie wichtig eine ausreichende Krankenversorgung ist. Der Schauspieler muss sich einer lebenswichtigen Herz-OP unterziehen, die schätzungsweise bis zu 100.000 Euro kostet. Was zeigt dieses prominente Beispiel auf?
Werner: In seinem Fall ist die Krankenversicherung absolut lebensnotwendig, und ich bin darüber erstaunt, wie es so weit kommen konnte. Deutsche Krankenversicherungen etwa kündigen nur bei Betrugsfällen oder wenn man bei Vertragsabschluss Vorerkrankungen nicht angegeben hatte. In Spanien hingegen ist eine medizinische Notversorgung selbst für deutsche Staatsangehörige gewährleistet.