So werden bei Huguet Kacheln hergestellt. | Ultima Hora

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Das kleine handwerkliche Design Label „Con Alma Design” aus Binissalem ist mittlerweile über die Grenzen von Mallorca hinaus bekannt. Vor allem für die Schneidebretter aus alten mallorquinischen Fliesen und lokalem Olivenholz. In vielen Geschäften findet man die Bretter, aber auch Restaurants und Event Locations nutzen alte mallorquinische Bodenfliesen und Kacheln mittlerweile zum Servieren von Speisen. Besucht man in Llucmajor den Gin Produzenten Gin Eva, sieht man viele der bunten Fliesen auf den Tischen des Verkostungsraums verteilt. Im Restaurant Miceli in Selva, einer aktuell sehr angesagten Adresse für Gourmets, werden auf den Kacheln Kürbiscanneloni serviert. Ein kulinarisches Highlight der Herbstsaison. Doch was hat es auf sich mit den Kacheln?

Es scheint unzählige Muster und Farbvarianten zu geben, von klassisch über Modernismo bis hin zu Contemporary findet man alles. Sie sind ein gefundenes Fressen für Sammler von ästhetischen Designobjekten und Menschen, die scheinbar zwecklosen Alltagsgegenständen wieder Leben einhauchen wollen. Kenner identifizieren einige Modelle schnell und können sie der Firma Huguet, einem in Campos ansässigen Familienunternehmen, zuordnen. Und dieser kleine Handwerksbetrieb kann mit einer 90-jährigen Geschichte aufwarten, ein Jubiläum, dem wir etwas Aufmerksamkeit dedizieren wollen:

Biel Huguet, der Enkel des Gründers, leitet das Unternehmen in der dritten Generation und ist sehr stolz darauf, dass die Familie es geschafft hat, Traditionen wie beispielsweise die rein handwerkliche und hydraulische Fertigung zu bewahren sowie das Unternehmen dennoch fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

In Valencia, London und Barcelona hat Biel Huguet in den 90er Jahren Architektur studiert und stets darüber gegrübelt, wie die Materialien des Familienbetriebs einsetzbar wären. Spätestens als der britische Stararchitekt David Chipperfield anfing, wieder mit Terrazzoplatten zu arbeiten, wurde Huguet klar, dass es eine Zukunft für den Familienbetrieb aus Campos gab. Terrazzo war zwar bereits in der Antike bekannt, fiel spätestens in den 1990er Jahren aber total aus der Mode. Die modernen industriellen Betonwerkplatten hatten einfach nicht den Charme der ursprünglichen Handwerksprodukte.

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Aber Huguets Bauchgefühl war richtig, heute stellt die kleine Manufaktur Sonderanfertigungen für eben erwähnten David Chipperfield her, die europaweit verbaut werden. Man findet die Produkte von Huguet in den coolen Designmetropolen unserer Zeit, in Kopenhagen, Mailand und auch in New York. Und natürlich auch in Berlin, dort gelang der Firma ein ganz besonderer Marketing-Clou, als nämlich der weltweit berühmte Sportartikelhersteller Nike bei dem kleinen Betrieb in Campos anfragte, ob man nicht abverkaufte Sneaker zu Fliesen recyceln könne. Diese seien für die neue EMEA-(Europe, Middle East, Africa)- Zentrale in Berlin.

Das Team um Biel Huguet stellte sich der Herausforderung bravourös, und betritt man heute das Foyer des Megakonzerns in Berlin, so läuft man über handwerklich und hydraulisch gefertigte Fliesen aus Mallorca. Und damit nicht genug, auch im Berliner Hotel Casa Camper, einem Projekt des mallorquinischen Schuhherstellers Camper aus Inca, wurden Fliesen und weitere Produkte wie Waschbecken von Huguet verbaut. Über die Geschichte eines solchen Waschbeckens berichtete MM im März 2021, denn eines der beliebten Werbevideos der Firma ging damals viral. Unter der Regie von Miquel Àngel Raió und Musik von Miquel Serra konnte man in die Geschichte eines Waschbeckens, einem Alltagsgegenstand, der Jahrhunderte überdauern kann, eintauchen. Zugleich erfährt der Betrachter dabei viel über den Herstellungsprozess und mediterrane Traditionen.

Das virale Video veranlasste das renommierte „Pentagram Magazine” aus London, sich mit Huguet zu beschäftigen, was schlussendlich in einer Sonderausgabe über den kleinen Familienbetrieb von Mallorca endete. Und die hat es in sich, denn darin finden sich Entwürfe und Prototypen, die Huguet fertigte und die von Designern wie Astrid Stravo, Giorgia Lupi, Sascha Lobe oder Yuri Suzuki entworfen wurden, allesamt etablierte Größen in der Designwelt.

Besonders angetan hat es mir dabei ein Schreibtisch von Matt Willey, einem britischen Stardesigner. Dieser Schreibtisch passt farblich ganz ausgezeichnet zu den alten Huguet Fliesen in meinem Arbeitszimmer, die hier wohl vor 70 Jahren verlegt wurden. Da es sich bei dem Tisch um ein Einzelstück handelt, werde ich vorerst wohl auf ihn verzichten müssen. Zum Glück habe ich jedoch einige besonders schöne alte Fliesen von Huguet in meiner Küche. Darauf richte ich regelmäßig mallorquinische Genüsse an, die ich dann gemeinsam mit Freunden und Familie im Garten genieße. Und jedem, der mich auf die schönen Fliesen anspricht, erzähle ich nun die Geschichte der kleinen Firma aus Campos. Glückwunsch zu 90 Jahren, auf weitere 90 Jahre!

Der Autor ist ehemaliger Investmentbanker und gelernter Gourmetkoch mit Wohnsitz auf Mallorca