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Auf einer Insel über Wassermangel zu reden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Und dennoch beherrscht das Thema Jahr für Jahr die Schlagzeilen. Die Nachfrage steigt stetig, auf den Nachschub vom Himmel ist nicht immer Verlass.

Der balearische Wasserplan (PHIB), vor zwei Jahren verabschiedet, geht für Mallorca von einem jährlichen Konsum von 226 Hektokubikmetern aus. Jeweils 110 davon entfallen auf Haushalte und Landwirtschaft, sechs auf die Bewässerung der Golfplätze. Dieser Nachfrage stehen im Normalfall 277 Hektokubikmeter Wasser gegenüber, auf den ersten Blick somit kein Anlass zur Besorgnis. Ernst wird die Lage, wenn die durchschnittliche Niederschlagsmenge ausbleibt. Zuletzt war das 1999/2000 der Fall. Denn die Rechnung steht und fällt mit dem Regenwasser (220 Hektokubikmeter), das letztendlich die 21 Grundwasserspeicher der Insel erreicht. Die beiden Stauseen Cúber und Gorg Blau in der Tramuntana (7 Hektokubikmeter), die Entsalzungsanlage in Palma (30) und die Klärwerke (20) steuern lediglich rund 20 Prozent zur Wasserversorung bei.

Dass Politiker trotz der lang anhaltenden Hitzeperiode dieses Jahr die Ruhe bewahren, liegt an den überdurchschnittlich üppigen Niederschlägen des vergangenen Winters. Die Stauseen sind zwar nicht mehr randvoll wie im Februar, mit 70 Prozent aber noch immer gut gefüllt. Auch der Grundwasserspiegel erholte sich und liegt jetzt bei etwa 40 Prozent. Also alles im grünen Bereich?

"Keineswegs", sagt Antoni Rodríguez, bis zum Regierungswechsel vor wenigen Wochen Generaldirektor für Wasserfragen im balearischen Umweltministerium. Das Problem sei, dass in den vergangenen Jahren die unterirdischen Wasserspeicher jährlich ein Defizit von 25 Millionen Kubikmetern aufwiesen. "Es wird einfach mehr abgepumpt, als an Niederschlägen nachfließt. Nur 20 Prozent des Regens landen tatsächlich in den Grundwasserspeichern", sagt Rodríguez, inzwischen wieder Professor für Geologie an der Universität UIB. Insbesondere in Küstennähe dringt deshalb vermehrt Salzwasser in die Reservoirs ein. Mancherorts übersteigt der Chloridgehalt den Grenzwert für Trinkwasser (250 Milligramm pro Liter) um gut das Dreifache.

Vier Jahre war Rodríguez auf den Balearen Herr über das Wasser. In dieser Zeit erweiterte die Regionalregierung das inselweite Hauptleitungsnetz, forcierte in Kläranlagen die Aufbereitung mittels dritter Reinigungsstufe und drehte zudem an der Preisschraube. Seinem vorrangigen Ziel, den Verbrauch dauerhaft zu senken, kam der abgewählte Fortschrittspakt aber nicht näher. Einer internen Studie aus dem Jahre 2002 zufolge verbraucht jeder Inselbewohner am Tag durchschnittlich 203 Liter Wasser, 38 mehr als im spanischen Mittel. Nur mit dem Tourismus erklären, wie es der Geologe versucht, lässt sich das nicht: Die Kanaren kommen mit 118 Liter pro Kopf und Tag aus. Regelmäßige Aufklärungskampagnen und gesalzene Wasserpreise zahlen sich dort jetzt aus.

Allerdings darf die Regionalregierung nicht uneingeschränkt für alle Versäumnisse verantwortlich gemacht werden. Vielmehr fehlt nicht selten den Gemeinden der Wille zum weitsichtigen Umgang mit dem nassen Element. Denn sie sind es, die für die direkte Wasserversorgung und Instandhaltung der Leitungen verantwortlich sind. Sie sind es auch, die den Verbraucherpreis festlegen. Der ist zwar auf den Balearen schon überdurchschnittlich hoch (0'76 Cent pro Kubikmeter; Spanien: 0'53 Cent), aber Rodríguez noch nicht teuer genug. Er träumte, so sagt er heute, während seiner Amtszeit von einer Art "Wasserpfennig": "Fünf Prozent auf die Rechnung für die Instandhaltung der Leitungen aufschlagen." Durchsetzen konnte er sich damit nicht.

Sein Nachfolger, Joan Crespí Capó, wird um weitere Preissteigerungen kaum herumkommen. Nach einem Monat im Amt hört sich das so an: Die Kosten, die verschiedene Projekte verursachen, müssen aufgefangen werden. Wie schon seinem Vorgänger schwebt Crespí eine progressive Preispolitik vor: Wer viel verbraucht, solle auch entsprechend zahlen. Dafür bedarf es aber individueller Wasserzähler, und die hat auf Mallorca nur jeder zweite (55 Prozent) Haushalt. Schon Crespís Vorgänger Rodríguez will sich an dieser Tatsache die Zähne ausgebissen haben. „Von 120.000 Haushalten in Palma haben nur 40.000 einen eigenen Zähler. Die meisten Häuser rechnen über einen Gemeinschaftszähler ab.” Und das verleite nicht gerade zum Sparen, klagt er und schiebt den schwarzen Peter dem Palmesaner Versorger Emaya zu. „Die Umstellung ist denen schlicht zu teuer.” Emaya kann sich beruhigt Zeit lassen, laut Gesetz muss erst 2010 jeder Haushalt mit einem eigenen Zähler ausgestattet sein.

Auf Medienecho stoßen vor allem die vier geplanten Entsalzungsanlagen, zwei davon sollen auf Mallorca (Alcúdia und Santanyí) entstehen. Vorgängerregierung und Umweltschützer halten die 1999 in Betrieb genommene Anlage bei Palma für ausreichend. Die Idee hinter den Entsalzungsanlagen: Sie sollen die Stauseen und Grundwasserreservoirs entlasten. Crespí will in Zukunft alle drei Anlagen miteinander verbinden und an das Hauptwassernetz anschließen, das derzeit von Andratx über Palma bis Llubí reicht. „Damit könnten wir auf Engpässe in Gemeinden schnell reagieren.”

Rodríguez und Umweltschützer stoßen sich vor allem an den langen Ruhezeiten der Anlage in Palma. „Läge die nicht den ganzen Winter still, sondern produzierte durchgehend Trinkwasser, könnte man damit das unterirdische Reservoir S'Estremera auffüllen,” so Rodríguez. Stauseen und Grundwasserspeicher könnten entlastet werden und wären so auf künftige Trockenzeiten vorbereitet. Ein Vorschlag, der durchaus auch im Sinne der aktuellen Regierung ist, nur, dass sie ihr Heil in den zusätzlichen Entsalzungsanlagen sucht.

Einige sind sich die beiden Herren, nicht länger auf die jährlich zwölf Millionen Kubikmeter reinstes Quellwasser bei Sóller verzichten zu können. Nach Angaben von Crespí sollen die Bauarbeiten an der Quelle Sa Costera noch in diesem Herbst beginnen. Deren Wasser soll vor allem den Einwohnern Palmas zugute kommen, ein weiterer Teil als Reserve in S'Estremera zwischengelagert werden. Auf die nahe liegende Frage, warum man die Quelle nicht schon viel früher nutzte, zuckt Uni-Heimkehrer Rodríguez nur mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.” Auch in Sachen Abwasseraufbereitung will Generaldirektor Crespí den Kurs seines Vorgängers fortsetzen. Schließlich lautet auch sein Motto: „Die Grundwasservorräte so wenig wie möglich antasten.” 65 Prozent des geklärten Wassers werden inzwischen mit Hilfe einer dritten Reinigungsstufe aufbereitet. Für das Sprengen von Grünflächen und weite Teile der Landwirtschaft reicht die Qualität allemal. Jetzt gilt es, so Crespí, auch Landwirte und Hoteliers davon zu überzeugen. Beide Sektoren greifen bislang nur ungern auf geklärtes Wasser zurück, die Qualität sei nicht ausreichend und zu inkonstant. Etwa 25 Prozent des gereinigten Klärwassers werden momentan zweckgebunden genutzt, der Rest landet im Meer.

Doch was helfen all die modernen Kläranlagen und sprudelnden Quellen, wenn das kostbare Gut auf halbem Weg durch marode Leitungen sickert? In manchen Gemeinden, so Miquel Angel March von der balearischen Umweltschutzorganisation GOB, tröpfele die Hälfte des Wassers durch fast hundert Jahre alte Rohre. „Anstatt das Geld für weitere Entsalzungsanlagen auszugeben, sollten inselweit die Leitungen erneuert oder ausgebessert werden.” Außerdem legt er der neuen Regierung nahe, ein stärkeres Auge auf das illegale Abpumpen von Wasser zu werfen. Es sei eine altbekannte Tatsache, dass sich vor allem Privatbrunnen nach Lust und Laune aus den Grundwasserspeichern bedienten.

Was er vom neuen Generaldirektor Crespí erwarte? „Dass er mehr oder weniger da weitermacht, wo der vorige aufhörte”, wünscht sich March. Sieht man von den Entsalzungsanlagen ab, könnte sein Wunsch in Erfüllung gehen.