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In drei Jahren, dann wird er 65 sein, läuft sein Managervertrag mit der Münchner Schörghuber-Gruppe aus. Wolfgang Salewski weiß schon genau, was er dann tun wird: sein derzeit in Son Vida entstehendes Haus beziehen und schreiben. Zwei Bücher, für die er die Konzepte bereits im Kopf hat. Mag sein, dass das nicht übermäßig originell klingt. Schreiben tun viele Ruheständler. Aber wenige haben so viele interessante Erfahrungen mitzuteilen wie Wolfgang Salewksi.

Denn bevor der Honorarprofessor in das Unternehmen einstieg, das auf Mallorca unter anderem das Spitzenhotel Mardavall betreibt, hatte er einen der heikelsten Berater-Jobs der Republik. Als Verhandlungs- und Sicherheitsspezialist löste er 66 Geiselnahmen im In– und Ausland – darunter Mogadischu –, beriet Manager und Polizeikräfte ebenso wie die Kanzler Schmidt und Kohl. „Ein Mann für alle Fälle”, titelte die Welt am Sonntag über den Mann, dessen Verhandlungsgeschick als „legendär” bezeichnet wird.

Dieser Weg war nicht naturgegeben. Salewski wuchs auf einem Bauernhof im südbadischen Markgräfler Land auf, was bis heute eine gewisse Bodenständigkeit erklärt. Nach dem Abitur studierte er Germanistik und Geschichte, dann Psychologie mit den Schwerpunkten Organisations– und Wirtschaftspsychologie. Nach journalistischen Gehversuchen wechselte Salewski in die Industrie, bis ihn 1973 der Ruf erreichte, der seinem Leben diese spektakuläre Wende geben sollte: Der Münchner Polizeichef Manfred Schreiber holte ihn als Polizeipsychologen.

„Fürstenfeldbruck war gerade vorbei, und bei der Polizei überlegte man sich, wie man mit Geiselnahmen umgehen sollte”, erinnert sich Salewski im MM-Gespräch. Er analysierte Dutzende von Entführungsprotokollen, erkannte Gesetzmäßigkeiten und entwickelte daraus ein bahnbrechendes Regelwerk. Da war plötzlich einer, der empfahl, eine Geiselnahme als „Geschäftsbeziehung” zu betrachten, in der etwas ausgehandelt werden muss. Das war neu. Bis dato hatte das Konzept der Staatsmacht so geklungen: „Hier spricht die Polizei ...”

„Der Täter bestimmt!”, antwortet Salewski auf die Frage, ob sich sein Regelwerk in knappen Worten zusammenfassen lasse. „Die Täter haben eine Identitätskrise. Ich muss sie in ihrer Rolle stärken, das stabilisiert sie und schützt die Opfer.” Der Verhandler dürfe nicht den Überlegenen spielen und müsse, angesichts der Versagensangst des Täters, ihn in der Hoffnung bestärken, dass sein Ziel erreicht werden könne.

Die Praxis erwartete den Strategen in Form von Banküberfällen, Familiendramen und Terror-Anschlägen. Und da kommt erstmals Mallorca ins Spiel: Am 13. Oktober 1977 startet in Palma die Lufthansa-Maschine Landshut zu dem Flug, der Geschichte machen sollte. Salewski jettet der entführten Maschine hinterher, Endstation Mogadischu.

Als Leiter der Verhandlungsgruppe analysiert er die Situation und plant die nächsten Schritte – mit dem bekannten Ausgang. „Es hat hervorragend geklappt”, urteilt Salewski und zollt dem jüngst verstorbenen Hans-Jürgen Wischnewski („Ben Wisch”) Respekt: „Er war der beste Mann für diese Krise. Er hatte die Stärke, Fachleute arbeiten zu lassen, aber selbst die politische Verantwortung dafür zu übernehmen.”

Salewski kann nicht nur stolz darauf sein, 66 Geiselnahmen gelöst zu haben (und eine ganze Reihe von anderen Spezialaufträgen, etwa die Verhandlungen über die Freilassung von 151 Diplomaten im ersten Irak-Krieg oder die Auflösung der Colonia Dignidad in Chile). Ihm geht es auch um das Wie: Es starben keine Geiseln, es wurden alle Täter gefasst, und in den meisten Fällen fiel kein einziger Schuss. „Das hat bei der Polizei nicht nur Freude ausgelöst; da existierte zuweilen der Wunsch, mal einen richtigen Einsatz zu fahren.”

Ohne Schattenseiten kommt aber auch diese Erfolgsgeschichte nicht aus. Salewski spricht von zwei Niederlagen. Die eine: die Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer durch die RAF. Salewski war auch mit dieser Entführung betraut, bevor er nach Mogadischu eilte. „Ich war mir sicher, ihn lebend freizubekommen.”

Sein Erfolg in Mogadischu, verbunden mit den Terroristen-Selbstmorden in Stammheim, stellte jedoch das Todesurteil für Schleyer dar. „Ich habe oft darüber nachgedacht und wünschte mir, das rückgängig machen zu können.”

Nicht minder tragisch die zweite „Niederlage”. Im Herbst '89 erstellt Salewski eine Sicherheitsanalyse für Alfred Herrhausen. Am 1. Dezember soll sie dem Bankier vorgestellt werden. Die Bombe, die Herrhausens Leben beendet, wird am Tag davor gezündet. „Wir hätten auf einen schnelleren Schutz drängen müssen”, hadert Salewski mit sich im nachhinein.

Aber er arbeitete weiter als Feuerwehrmann an den Brennpunkten der Welt, obwohl er mit 45 aussteigen wollte. „Diese Aufgabe erfordert viel Kraft, Selbstbewusstsein und Mut”, sagt er, mit zunehmendem Alter überlege man zu lange.

Doch bald sollte sich eine neue Karriere nahtlos anknüpfen. Salewski hatte im Rahmen einer TV-Recherche zur Landshut-Entführung Mallorca kennen- und schätzengelernt und kam im November 1994 im Arabella-Hotel erstmals mit Josef Schörghuber zusammen. Der bat ihn, den Übergang seines Unternehmens auf den Sohn zu planen. Wieder war ein Stratege gefragt.

Nach dem Tod des Firmengründers 1995 wurde Salewski der engste Berater von Stefan Schörghuber, wechselte im Jahre 2000 auf dessen Wunsch ganz in die Firma: „Mit 57 Jahren habe ich mich wieder anstellten lassen”, schmunzelt Salewski, der 28 Jahre lang stets als freier und damit unabhängiger Berater agiert hatte.

Heute ist der 62jährige Mitglied des vierköpfigen Holding-Vorstands und außerdem zuständig „für alles, was nass ist”. Dazu hat der Geschäftsführer der Paulaner-Brauerei und Sprecher der Brauholding International als Allrounder noch ein halbes Dutzend anderer Zuständigkeiten in der Gruppe, auch bei ihren Mallorca-Ablegern.

Seine Dialogfähigkeit hat er sich freilich bewahrt. Salewski beendete etwa den Zustand, dass im Aufsichtsrat der Tochter in Südafrika keine Schwarzen saßen. „Heute sind es zwei, und das ist eine echte Bereicherung.”

Folgerichtig ist dem Manager auch keine Kritik an der Balearen-Politik zu entlocken, die so manches Schörghuber-Projekt erschwerte. „Wir sollten die Insel, auch ihre Politik, so tolerieren, wie sie ist. Wir wollen ins Gespräch kommen, nicht Politik machen.” Damit er mit den Menschen persönlich reden kann, hat er längst einen Crashkurs in Spanisch absolviert.

Nach und nach wurde aus dem früheren Südfrankreich-Fan ein Mallorca-Anhänger. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern (21/24) schwärmt von den Wander- und Segelrevieren, von Palmas Altstadt, den guten Weinen und dem guten Essen, womit er vor allem die einfache, deftige Landesküche meint.

Hierher wird er sich also mit Frau Maria in drei Jahren zurückziehen und in seinen Büchern erklären, „warum wir uns das Leben so schwer machen”. Sie werden von Gewalt und Kommunikation handeln. An Stoff kann es nicht mangeln. An Tagesaktualität auch nicht. Der Terrorismus ist zur weltumspannenden Krake geworden.

„Es wurde leider versäumt, politische Konzepte zu entwickeln”, bedauert Salewski. „Wer die Identität von Gruppen oder Kulturen in Frage stellt”, sagt er mit Blick etwa auf die Vereinigten Staaten, „beschwört damit Gruppierungen herauf, die diese Identität auch mit nicht legalen Mitteln zurückgewinnen wollen.” Die Empfehlung des Krisenmanagers: „Eine andere Art des Miteinanders.” Schade, dass der Mann nicht Politiker wurde.