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Ich esse nicht unter dem Porträt eines Massenmörders”, erklärte der Vater des jungen Paares kategorisch. Sie hatten ein Poster mit dem berühmten Mao-Bild von Andy Warhol in ihrem Esszimmer. Das galt in den 70er Jahren als schick, das war provokant und progressiv.

Wer es sich damals leistete, zu noch bezahlbaren Preisen Andy Warhol zu kaufen, könnte heute ein Supergeschäft machen. In der vergangenen Woche wurde im Auktionshaus Christie's in New York ein Porträt aus der zehnteiligen Mao-Serie von 1972 für sagenhafte 17 Millionen Dollar versteigert, der bisherige Auktionsrekord für den Pop-Art-Künstler. Käufer war der Hongkonger Milliardär Joseph Lau.

Warhols „Orange Marilyn” (1962) ging für gut 16 Millionen Dollar an einen anonymen Bieter. Die in Chicago und New York ansässige Richard Gray Gallery kaufte seine „Sixteen Jackies” (1964) für 15'7 Millionen.

Wer also glaubt, der Erfolgsboom des vermutlich weltweit bekanntesten Pop-Künstlers und Filmemachers Andy Warhol habe sich totgelaufen, der irrt. Schon in einigen Monaten, zum 20. Todestag des Idols am 22. Februar 1987, werden Galerien und Museen die halbe Welt mit Warhol– Werken überschütten.

Das Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst Es Baluard in Palma zeigt schon ab 1. Dezember eine große Werkschau des Künstlers mit Werken aus den Jahren 1957 bis 1986: Porträts von Marilyn Monroe und Mao Tse-Tung, Lenin und Liza Minnelli, Joseph Buey und Mick Jagger, grafische Arbeiten der Serien „Gold Book” und „Flowers”; die Konsumsymbole „Shopping Bag” und „Campbell's Soup Can-Tomato”; die Serie „Jazz”, die in Zusammenarbeit mit Keith Harring entstand. Die Exponate stammen aus Privatsammlungen in Italien, auf Mallorca und in den Vereinigten Staaten.

Zugang zur Person Andy Warhol ermöglichen Fotos von Hans Namuth und Mimmo Jodice sowie die Fotoserie „Anticamera con Andy Warhol” von Dino Pedriali.
Andy Warhol – geboren am 6. August 1928 in Pittsburgh, gestorben am 22. Februar 1987 in New York – war ein Meister der Selbstinszenierung, er arbeitete hart am „Mythos Warhol”. Er gab sich schrill und provokant – als Person und in seiner Kunst. Er nutzte alles, um Aufmerksamkeit zu erringen. Selbst ein seltene Pigmentstörung seiner Haut, die er später noch durch silbrig gefärbte Haare verstärkte. Er war schwul, lebte seine Homosexualität niemals aus, bestritt sie aber auch nicht.

Eine Weile lebte er mit dem Model Edie Sedwick zusammen, er genoß die schöne Frau an seiner Seite. Er galt als schüchtern und introvertiert, war aber gleichzeitig das „party animal” in New Yorker Nightclubs schlechthin, gruppierte in seinen „Factory” genannten Ateliers, Filmstudios und Party-Räumen Stars und Sternchen um sich: Bob Dylan, Mick Jagger, Jim Morrison gingen hier ebenso ein und aus wie Salvador Dalí oder Marcel Duchamp.

Warhols Themen waren in seinen Bildern die Beliebigkeit, die Verfügbarkeit, die Reproduzierbarkeit. Daher auch seine Leidenschaft für Film und Fotografie. Themen waren Alltägliches, Triviales, Banales, vor allem in den anfänglichen Serigrafien. Als Ausgangsmaterial dienten oft Bilder aus den Medien, auch Polaroidaufnahmen. Er amüsierte sich über Fälschungen seiner eigenen Werke: „Ich fertige sie in jeder Farbe an, solange sie nur zu den Gardinen passen”, sagte er und führte damit künstlerische Neigungen wohlbestallter Bildungsbürger ad absurdum.

Er liebte die Persiflage, die sexuelle Provokation, vor allem in seinen Filmen und Performances. Er war immer auf der Suche nach neuen Techniken und Ausdrucksformen, etwa in seinen „Piss Paintings”, mit Urin „gemalte” Bilder, bei denen die Kupferfarbe durch die Harnsäure oxydiert. Später benutzte er Diamantstaub in seinen Arbeiten. Alles diente ihm dazu, künstlerisch verarbeitet zu werden, einfach nur, weil es da war. Er eröffnete für die Kunstgeschichte die Diskussion über die allgemeine Verfügbarkeit von Kunstwerken, die sich durch ihre Einzigartigkeit auszeichnen. Eine seiner letzten Arbeiten war die Auseinandersetzung mit Leonardo da Vincis „Abendmahl” im Kloster Santa Maria delle Grazie in Mailand. Warhol machte daraus einen riesigen Gemäldezyklus mit über hundert Bildern. Als Vorlage diente ihm nicht etwa das Original, sondern eine kitschige Gipsplastik aus einem Ramschladen in Little Italy in New York.

Andy-Warhol-Ausstellung im Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst Es Baluard, Palma, Plaça Porta Santa Catalina. Die Vernissage findet am 1. Dezember um 20 Uhr statt. Danach ist die Schau bis zum 14. Januar täglich von Dienstag bis Samstag von 9 bis 20 Uhr geöffnet.