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Es ist ein Gegensatz wie Tag und Nacht: Während sich oben auf Palmas Fußgängerzone Calle Sant Miquel die Menschen zu Hunderten an den Boutiquen vorbeischieben und auf der angrenzenden Plaça Major flanieren, herrscht unten gähnende Leere. In einer unerwartet höhlenartigen Umgebung befindet sich ein Shoppingcenter mit im Prinzip über 60 Läden, die alle 40 bis 60 Quadratmeter groß sind.

Doch wer neugierig wird, auf der nicht mehr funktionierenden Rolltreppe herabsteigt und glaubt, hier wie oben auch auf Deutsch angekündigt auf geschäftiges Treiben zu stoßen, wird schnell eines anderen belehrt. Kommt man unten an, umgeben einen beklemmende Dunkelheit und eine unheimliche Stille. Alles sieht aus, als wäre es fluchtartig verlassen worden: Im Innern des geräumten Friseurs „Peluquería Que Cambio” etwa liegen hinter Fensterscheiben noch Rasierutensilien, neben dem Ex-Porzellangeschäft „Nadal” stapeln sich Teller zu Hunderten hinter einer Glasscheibe. Sie waren möglicherweise für den Verkauf bestimmt.

Aus übervollen Briefkästen quillt Papier, an einigen Stellen tropft Wasser aus Leitungen auf den Boden, Gestalten huschen durch die Gänge. Nur ein Sexladen, der mit dem Spruch „Love is all you need” für sich wirbt, einige Nippes-Geschäfte und ein leuchtend heller Eroski-Supermarkt haben noch geöffnet. Dass hier noch vor nicht allzu langer Zeit mehr Leben war, lässt ein Werbeplakat für den Sommer-Auftritt des deutschen Rockers Uli Jon Roth auf Mallorca vermuten.

Der Deutsche Holger Becker hatte in dieser beklemmenden Unterwelt bis Ende August einen Lego-Laden. „Wir hatten nicht gedacht, dass das hier so still ist”, so der Unternehmer, der im Jahr 2016 eingezogen war, zu MM. Man habe es dennoch geschafft, sich einen Kundenstamm aufzubauen, freut er sich. „Ums Geld verdienen ging es ohnehin nicht.”

Dass dieses etwa 4000 Quadratmeter große Areal ein irritierendes Territorium im alten Stadtzentrum ist, hat einen Grund: Mitte September lief die Konzession für die Ladenbetreiber ab, die Stadt Palma übernahm damit die Oberhoheit über den im Jahr 1969 geschaffenen und wegen seiner unvorteilhaften Optik jahrzehntelang kritisierten Bereich. Was künftig damit passieren soll, ist bislang nicht genau gesagt worden, von einer etwaigen kulturellen Nutzung war zwischenzeitlich die Rede. Das stickige und im Sommer sehr heiße Parkhaus darunter jedenfalls wird weiterbestehen.

Die Ladenbetreiber protestierten nach dem Konzessions-Aus zunächst. „Doch die wussten doch seit langer Zeit, dass im September 2019 Schluss ist”, so Holger Becker. „Die lebten halt in den Tag hinein.” Und dann seien sie ganz überrascht gewesen. Nun verlangen die Mieter, dass die Stadt ihre 300.000 Euro Schulden übernimmt.

Das Shoppingcenter war im Rahmen eines großen Umbaus der einstmals mehr als ansehnlichen Plaça Major eingerichtet worden, was, wie man heute sieht, grundlegend schiefging. Denn auch der rechteckige Platz ist seit Jahrzehnten ein eher kaltes Geviert, wo naive Touristen von Lockvögeln in dubiose Restaurants hineinbugsiert werden und illegale Händler gefälschte Taschen feilbieten.

Und so ist der ganze Bereich eine Art schwarzes Loch mitten im feschen alten Palma-Zentrum. Es verwundert daher nicht, dass durch das früher permanent und heute nicht mehr so intensiv bewachte Einkaufszentrum inzwischen Obdachlose schlurfen. Die muffig-dunkle Riesen-Höhle schläft halt bis auf Weiteres.