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Mit einem reinen Mozartprogramm gastiert am kommenden Donnerstag, 2. Februar, der österreichische Dirigent Leopold Hager im Auditorium bei den Sinfonikern. Die späte g-Moll-Sinfonie KV550 und die c-Moll-Messe KV427 hat der 87-jährige Wiener Klassik-Spezialist im Gepäck. Wer seine zahlreichen Einspielungen kennt, weiß, dass Mozart bei ihm in allerbesten Händen ist. In diesem ersten Teil meiner Konzerteinführung möchte ich Ihnen die „große“ g-Moll-Sinfonie, wie sie im Vergleich zu Mozarts frühem Gattungsbeitrag in dieser Tonart (KV183, Sie kennen den Anfang vielleicht aus dem Film Amadeus) oft genannt wird, etwas näherbringen.

Die Älteren unter Ihnen erinnern sich sicher noch an „Mozart40“; unter diesem Titel brachte Waldo de los Rios, der „spanische James Last“, 1971 eine Popversion des ersten Satzes heraus, auf etwa die Hälfte gekürzt und mit viel Gitarren- und Schlagzeug-Humptata. Der Titel rangierte in den Charts ziemlich weit oben, und durch ihn kamen viele zum ersten Mal mit der Sinfonie, ja vielleicht sogar mit Mozart überhaupt in Kontakt.

Aber schon vorher war die g-Moll-Sinfonie die meist aufgenommene und beliebteste aus dem Triptychon vom Sommer 1788, in dem sie innerhalb weniger Wochen zusammen mit der späten Es-Dur-Sinfonie (KV543) und der großartigen Jupitersinfonie (KV551) entstanden war. Über den Kompositionsanlass ist nichts bekannt, über die Uraufführung gibt es nur Gerüchte. Eines davon will wissen, dass es im Hause des Barons Gottfried van Swieten eine Aufführung im Beisein Mozarts gegeben habe, die aber so schlecht ausgefallen war, dass der Komponist es vorzog, den Raum zu verlassen.

Der Anfang des ersten Satzes ist so oft vereinnahmt worden, unter anderem als Handy-Klingelton, dass ihn fast jeder kennt. Wer einen Deutschlehrer hatte, dessen Steckenpferd die klassischen Versmaße waren, erkennt sofort, dass es sich hier um einen Anapäst handelt. Kurz kurz lang, kurz kurz lang.

Sie können spaßeshalber mal versuchen, einen Kinderreim zu diesen Anfangstakten zu singen. (Wir mussten das im Musikunterricht tatsächlich tun!) Das Kind beim Bäcker: „Meine Mu, meine Mu, meine Mutter, meine Mut-te-er schickt mi-ich her: Ob der Ku, ob der Ku, ob der Kuchen, ob der Ku-che-en fer-ti-ig wär“. Passt in die Melodie rein, und ich garantiere Ihnen, wenn Sie’s ein paarmal gesungen haben, wissen Sie bis an Ihr selig Ende, wie ein Anapäst funktioniert. Zugleich prägt sich Ihnen dieser Grundrhythmus so ein, dass sie ihn im Schlaf im weiteren Verlauf des Satzes wiedererkennen. (Er kommt ziemlich oft vor!) – Hören Sie sich nun an, wie das im Orchester und ohne Mutter und Kuchen klingt, nämlich so. Das war übrigens Ferenc Fricsay mit den Wiener Sinfonikern in einer historischen Aufnahme. So klingt der ganze erste Satz. Versuchen Sie doch mal herauszuhören, welche Instrumente Mozart im Orchester verwendet.

Haben Sie alles herausgehört? Hier ist die Auflösung. – Im gleichen, etwas stotternd wirkenden Anapäst singt sich übrigens Cherubino in „Figaros Hochzeit“ seine pubertären Nöte von der Seele: „Non so piú, cosa son, cosa faccio“ (Ich weiß nicht, wer ich bin, was ich tue). Hören Sie, wie das mit Cecilia Bartoli klingt! – Aber in beiden Fällen wird aus dem anfänglichen Stottern ein geschmeidiger musikalischer Fluss, Mozart eben! In der Sinfonie als Sonatensatz, mit einem zweiten Thema in Dur, dessen Anfang man als Daktylus, also das Gegenteil des Anapäst hören kann: lang kurz kurz.

Der zweite Satz steht ebenfalls in Dur, genauer gesagt in Es-Dur und in einem langsamen 6/8-Takt. Der Musikwissenschaftler Neal Zaslaw weist darauf hin, dass Haydn in seinem Oratorium „Die Jahreszeiten“ das Hauptthema daraus zitiert, in der Arie Nr.38 „Erblicke nun, betörter Mensch“. Er schreibt dazu: „Es ist das schwärmerisch-empfindsame Es-Dur, das oft in Siciliano-Arien…begegnet. Von Kantabilität ist daher auch der ganze Satz durchtränkt“.

Als Kontrast dazu folgt an dritter Stelle ein fast schroffes Menuett, das so gar nichts Tänzerisches hat und streng polyfon gearbeitet ist. Das Finale beginnt mit einer sogenannten „Mannheimer Rakete“, ein aufsteigender gebrochener Dreiklang, der später fast tongleich Beethovens erste Klaviersonate einleitet. Auch im Scherzo seiner 5. Sinfonie begegnen wir ihm wieder.

Aus der langen Rezeptionsgeschichte von KV550 möchte ich nur zwei Zitate herausgreifen. Robert Schumann sah in der Sinfonie „griechisch schwebende Grazie“. Bernhard Paumgartner, Gründungsmitglied der Salzburger Festspiele und Gründer des Mozarteumsorchesters, dessen Chefdirigent übrigens auch Leopold Hager von 1969-1981 war, äußerte sich 1957 so. „Tragischer Pessimismus verströmt in allen Sätzen dieser Sinfonie, vollends bis zum letzten Atemzug im lodernden Brande des Finales. Selbst aus der Wehmut des Andante leuchtet dieselbe Flamme, nur zu dunklerem Zwielicht, zu milderem Leben gedämpft.“

Den zweiten Teil meiner Einführung können Sie demnächst an dieser Stelle lesen. Dann geht es um die große c-Moll-Messe. Karten für das Konzert gibt’s wie immer hier.