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„Ein Leben ohne Wagners Musik? Möglich, aber ärmer.“ – Dieses Fazit zieht der Musikwissenschaftler Joachim Mischke, nachdem er den Schöpfer des „Ring“, des „Tristan“, des „Holländers“ und des „Lohengrin“ auf vier Seiten (in seinem Buch Der Klassikkanon) auf recht unterhaltsame Weise vorgestellt hat. Wir wurden in Palma ja bislang nicht gerade üppig mit der Musik des Genies aus Bayreuth verwöhnt. Aber das ändert sich am 14.April, wenn der deutsche Dirigent Marcus Bosch im Trui Teatre unter anderem den ersten Akt der Walküre konzertant auf die Bretter, die die musikalische Welt bedeuten, bringt.

Wagner. Richtig, das ist doch der mit der archaisierenden Sprache in seinen selbstverfassten Libretti, der Stabreim-Freak, der größenwahnsinnige Egomane, der wie kein zweiter die Musikwelt spaltet. In fanatische Bewunderer (Bruckner gehörte dazu) und ablehnende Skeptiker wie Brahms, die mit seiner pantheistischen Ersatzreligion nichts anfangen konnten. Der alte Nietzsche hat, kurz bevor er in geistige Umnachtung fiel, im Ernst gefragt „Ist Wagner überhaupt ein Mensch? Ist er nicht eher eine Krankheit?“ Hitler hat ihn verehrt, vermutlich ohne allzu viel von seiner Musik verstanden zu haben. Heute pilgern Leute wie die Physikerin und Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Thomas Gottschalk (der ja nun wirklich in ganz anderen musikalischen Gefilden zu Hause ist), alljährlich nach Bayreuth zu den Festspielen. Richard Strauss hat über ihn gesagt: „Sub specie aeternitatis gesehen, hat es das deutsche Volk nur gegeben, damit es Bach, Mozart und Wagner hervorbringe. … Nach dieser Leistung hat es seine wesentliche Zweckaufgabe erfüllt. Es konnte und durfte und musste abtreten. Seit Bismarck hat es seine eigene Selbstzerstörung begonnen und hat mit der Hitlerei Selbstmord begangen.“ Starke Worte eines 81-Jährigen! Thomas Mann hat sich in seiner Novelle „Wälsungenblut“ mit dem Thema der inzestuösen Geschwisterliebe zwischen Siegmund und Sieglinde in der „Walküre“ beschäftigt. - Das sind nur drei von vielen Geistesgrößen, die sich an Wagner abgearbeitet haben.

Mit der „Krankheit“ hat Nietzsche nicht ganz unrecht, denn Wagners Musik ist eine Droge, von der manche schon nach der ersten Dosis nicht mehr loskommen, ohne ständiges Nachtanken. Das liegt im wesentlichen an der Harmonik, die nicht, wie oft behauptet wird, die Tonalität abschaffte. Wagner hat die tonalen Bezüge vielmehr bis aufs Äußerste ausgereizt und mit dem berühmten Tristan-Akkord eine harmonische Atmosphäre geschaffen, die zukunftsweisend war und eine fast narkotische Wirkung hervorrief. Und die Klänge, die er mit seinem Orchester erzeugte, kann man getrost als psychedelisch bezeichnen.

Um das raffinierte Stimmengewebe seiner Opern zu durchschauen, muss man sich mit den Leitmotiven beschäftigen , die er für jeden und alles erdacht und genial miteinander kombiniert hat. Diese Technik geht auf das Samiel-Motiv in Webers Freischütz zurück, der für Wagner eine Art Initialzündung war: es erklingt, wann immer der Schwarze Jäger auftaucht oder auch nur erwähnt wird. Hector Berlioz hat, ein knappes Jahrzehnt nach Weber, das Leitmotiv zu einem regelrechten Thema ausgebaut, der Melodie der Geliebten in seiner Symphonie fantastique. Ohne Weber und Berlioz wäre Wagners musikalischer Kosmos nicht denkbar.

Bereits in der ersten Viertelstunde der Walküre treten drei solcher Leitmotive in Erscheinung: das Siegmund-Motiv, das Sieglinde-Motiv und das Hunding-Motiv. Hören Sie einfach ein wenig in den 1.Akt rein, zum Beispiel in dieser Aufnahme unter Georg Solti.

Die Singstimmen sind bei Wagner mehr als bloße Text-Transporteure, sie verschmelzen mit dem Orchester zu einem Gesamtklang und in Verbindung mit dem zum Teil sehr lautmalerischen Text und den bühnentechnischen Mitteln lassen sie das Gesamtkunstwerk entstehen, das Wagner vorschwebte. – Karten für das Konzert gibt‘s wie immer auf der Webseite der Sinfoniker. Ab dem 13.April können Sie an dieser Stelle ein Interview mit Marcus Bosch, unter anderem über Wagner, lesen.