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Der gestrige Konzertabend im Auditorium von Palma (heute wird er in Manacor wiederholt) war ganz dem Romantiker Johannes Brahms gewidmet. Einem Komponisten mithin, dessen Werke sich durch Strenge im Aufbau und den Verzicht auf zierendes Beiwerk auszeichnen. Brahms warf keine Köder in Form oberflächlicher Melodik oder gassenhauerischer Kracher aus, wie das beispielsweise Saint-Saëns tat. Virtuose Effekthascherei war ihm ebenso fremd wie exotische Instrumentierungs-Ideen. Seine Größe lag in der sinfonischen Entwicklung des musikalischen Materials. Was natürlich nicht heißt, dass er akademisch trocken komponierte. Auch er verstand es, virtuose Glanzlichter zu setzen, aber die zielten nicht auf kurzfristige momentane Begeisterung, sondern auf nachhaltige Beglückung seines Publikums.

Und so lag sein Klavierkonzert Nr.1 in d-moll, op.15, bei Gerhard Oppitz in besten Händen. Erstaunlich viele Pianisten haben es nicht im Repertoire, Martha Argerich gar mit der kühnen Begründung, Brahms sei etwas für Frauen, „die sich zu älteren Männern hingezogen fühlen“, o-Ton Big Martha! (Man darf mutmaßen, dass sie dabei weniger seine Musik im Auge hatte als vielmehr das bekannte Foto, auf dem der alte Brahms behäbig, mit Rauschebart und Zigarre, am Flügel sitzt!) - Oppitz ist mit seinen 71 Jahren selbst ein „älterer Mann“ (was in dieser Branche nichts heißen will, Horszowski hat mit 96 sein letztes Konzert gegeben, Badura-Skoda war auch schon über 90, als er zum letzten Mal in Palma auftrat.) Oppitz verfügt noch über die ganze Bandbreite seines (enormen) technischen Könnens. Dessen Ausspielung ist bei ihm aber nie Selbstzweck, er stellt es ganz in den Dienst am Komponisten. Knifflige Passagen – und davon gibt es in diesem Konzert eine Menge – „saßen“ auf den Punkt, scheinbar unbedeutende Begleitfiguren erhielten Gewicht, die bisweilen herbe Schönheit Brahms’scher Melodien spielte er mit dem Tiefgang, mit dem der Komponist sie empfunden hatte. – Zu der harmonischen Balance zwischen Solopart und Orchester, wie sie gestern Abend zu erleben war, gehören natürlich zwei: mit Pablo Mielgo hatte Oppitz einen Partner an der Seite, der dieses Konzept der Ausgewogenheit mittrug (und vor allem umsetzte!), ohne dabei die große sinfonische Form aus den Augen zu verlieren und ab und an auch einmal auf die Pauke zu hauen. Insgesamt vermittelte die Aufführung den Eindruck größtmöglicher künstlerischer Integrität.

Gleiches lässt sich über die Wiedergabe der dritten Sinfonie in F-dur, op.90, sagen. Die gegenüber dem „Sturm-und-Drang-Konzert“ abgeklärt wirkende Komposition mit ihrer lichteren Instrumentation dirigierte Mielgo sehr transparent. Der Holzbläserbeginn des zweiten Satzes erblühte in berückender Schönheit. Das Poco Allegretto strahlte trotz seiner Grundtonart c-moll verhalten-freudigen Dur-Charakter aus. Im (ebenfalls in Moll stehenden) Allegro-Finale spannte sich der Bogen von energiegeladenen Ausbrüchen bis zu den verhaltenen Schlusstakten. –

Für die Wiederholung heute Abend in Manacor gibt’s hier (noch) Karten. Im nächtsen Konzert kehrt Joji Hattori zurück ans Pult der Sinfoniker. Er hat neben dem Sommernachtstraum von Mendelssohn und dem 3.Violinkonzert von Mozart (KV216) Tschaikowskys fünfte Sinfonie im Handgepäck. Den Solopart im Mozartkonzert wird Daniel Lozakovich übernehmen. Auch dafür gibt es bereits Karten.