TW
0

Eine halbe Stunde für die Ewigkeit. Die vielleicht perfekteste Sinfonie, die je komponiert wurde. Ein Stück für die berühmte einsame Insel. Weil man es tausendmal hören kann und immer wieder Neues entdeckt. Weil es den ganzen Kosmos sinfonischer Möglichkeiten enthält. Weil es zeitlos vorführt, wozu ein genialer Geist fähig ist: nämlich mit konstruktiver Logik unvergängliche, absolute Schönheit zu erschaffen.

Fast alle Meisterwerke der Musikgeschichte bieten Ansatzpunkte für kritische Anmerkungen, sei es Stagnation in der musikalischen Entwicklung, seien es „Leerstellen“ oder instrumentatorische Details. So ließ sich zum Beispiel Sergiu Celibidache dazu hinreißen, das Chorfinale von Beethovens Neunter hinsichtlich der Orchestrierung als „scheußlichen Salat“(!) zu bezeichnen. An fast allen großen Sinfonien fanden Kritiker ein Haar in der Suppe. Nicht so an Mozarts letzter Sinfonie. Sie können das Internet auf den Kopf stellen und tagelang nach boshaften Bemerkungen über KV551 suchen – Sie werden nichts finden. Die Jupitersinfonie steht wie ein unanfechtbarer Fels in der Brandung böswilliger Beckmesserei. Stattdessen begegnen Ihnen Elogen, die schon etwas Hymnisches haben: in London wurde die Sinfonie als „höchster Triumph der Instrumentalkomposition“ gefeiert; die Allgemeine musikalische Zeitung schrieb 1846: „Die Sinfonie von Mozart mit der Schlussfuge, wie rein und klar sind alle Bilder darin! Nicht mehr und nicht weniger hat jedes, als es seiner Natur nach haben soll.“ Der Mozartbiograf Bernhard Paumgartner resümierte: „Wie ein Triumphgesang kraftbewusster Herrlichkeit hebt sich die C-dur-Sinfonie als strahlender Ausklang über alles Erdenleid zu lichten Höhen. Beglückung des Seins in kühn spielendem Bezwingen der Materiezu edler Geistesform ist ihr Sinn.“ Und Kurt Pahlen, Autor zahlreicher Werkmonografien, schrieb über das Finale: „Hier kann uns Mozart selbst als Gott erscheinen, der nach freiem Willen Sternbilder in der Unendlichkeit des Weltraums schafft, zusammenfügt und lenkt. Die Großartigkeit dieses Satzes entgeht keinem Hörer; aber sein volles Verständnis erschließt sich nur den Eingeweihten, die diesem vollendeten polaphonen Geflecht, den Stimmen und Themen folgen können.“

Bereits die ersten acht Takte des Kopfsatzes zeigen in ungeheurer Konzentration, wie Mozart arbeitet. Gegensätze auf engstem Raum: laut-leise, staccato-legato, rhythmisch-melodisch, ganzes Orchester-nur Streicher.: so ist das erste Thema, eigentlich ein ganzer Themenkomplex, konstruiert. Auf der ersten Seite der Partitur können Sie das im Notenbild sehen. Das zweite Thema stellt, wie es sich für einen Sonatensatz gehört, ebenfalls einen Gegensatz zum ersten dar: lyrischer Melos contra dramatischer Rhythmik. Wie weit Mozart über das Herkömmliche hinausgeht, zeigt sich darin, dass ihm zwei Themen nicht genügen, er führt ein drittes ein, das dann später den Hauptgedanken der Durchführung bildet. Diese Durchführung, ursprünglich der Ort, an dem die sinfonische Entwicklung der Themen stattfindet, ist kurz. Sie kann es sein, weil Mozart diese motivische Verarbeitung bereits in der Exposition teilweise vorweg genommen hat. Hören Sie sich ihren Schluss, beginnend mit dem dritten Thema, einmal an. Er khrt am Ende der Reprise, also ganz zum Schluss des Satzes, wieder, um eine dramatische Coda erweitert, die bereits das Ende der ganzen Sinfonie vorwegnimmt.

Im zweiten Satz, einem Andante cantabile, kehrt Mozart den laut-leise-Gegensatz des ersten um. Diesem Prinzip folgt auch das Menuett. Hören Sie sein Hauptthema und den Beginn des Trios. – Höhepunkt der Sinfonie ist das Finale, mehr als das: man kann diesen vierten Satz getrost als Gipfelpunkt der gesamten abendländischen Musik bezeichnen. Hier macht Mozart das schier Unmögliche möglich und überbietet alles, was davor an sinfonischer Satztechnik in Ersccheinung getreten ist. Es ist eine Versöhnung zwischen barocker Plyphonie und klassischer Homophonie, zwischen Fuge und Sonatensatzform. Nicht weniger als vier Themen setzt er dafür ein. Die vier Töne des ersten durchziehen wie ein cantus firmus den den ganzen Satz. (Diese Tonfolge taucht übrigens bereits in Mozarts allererster Sinfonie, KV16, und in zahlreichen weiteren Werken auf.) Ein zweites Thema, das später auch als Umkehrung erscheint, folgt. Das dritte Thema – man muss aufpassen, dass man es nicht verpasst – wird später mit dem vierten kombiniert – auch hier wieder Komplexität auf engstem Raum. Der Schluss des Finales ist an Genialität kaum zun überbieten: angeführt vom anfänglichen cantus firmus, jetzt in triumphalem Forte, werden noch einmal alle Register kunstvoller Polyphonie gezogen, der cantus firmus schwingt sich in steigenden Sequenzen empor in den Himmel der Vollkommenheit, bevor die Sinfonie dann homophon endet. Dieses Ende markiert den Aufbruch in eine neue Zeit. Der Themendualismus der Sonatensatzform wird für die nächsten zweihundert Jahre das musikalische Geschehen bestimmen. - Die ganze Sinfonie können Sie auf YouTube mit Lorin Maazel hören und sehen. Wenn Sie noch ein Ticket für das Konzert am kommenden Donnerstag im Teatre Principal – Francisco Fullana wird dann am Pult der Sinfoniker stehen – ergattern wollen, müssen Sie sich sputen; die guten Plätze sind so gut wie ausverkauft.