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Die musikalischen Strömungen des 20.Jahrhunderts haben eins gemeinsam: die Abkehr von der gefühlsbetonten Romantik und damit den endgültigen Abschied von der Welt eines Robert Schumann und eines Johannes Brahms. Diese Abkehr hat viele Gesichter : neben der radikalen Avantgarde mit ihrer Verachtung der Tonalität, mit seriellen Techniken und der Emanzipation des Geräuschs als musikalische Ausdrucksform waren es vor allem der Neoklassizismus und der Impressionismus, die zu dieser Zeitenwende führten. Einen Einblick in diese beiden Welten bot das gestrige Konzert der Sinfoniker im Auditorium von Palma. Pablo Mielgo hatte dazu den französischen Starflötisten Emmanuel Pahud eingeladen. Und indem er junge Musikerinnen und Musiker von der Acadèmia Simfònica mit einbezog, schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: die Youngsters hatten eine Möglichkeit, ihr Können einem großen Publikum zu präsentieren – und letzteres erschien deutlich verjüngt. Sogar zahlreiche Kinder kamen, vielleicht, weil sie selbst Flöte spielten und nun einmal einen Meister dieses Instruments live erleben wollten.

Die Reise in die erste Hälfte des 20.Jahrhunderts begann mit dem spätesten Werk, mit Francis Poulencs 1958 entstandener Flötensonate, kongenial für Orchester arrangiert von Lennox Berkeley. Zeitgenossen haben Poulenc nachgesagt, er fühle sich eher in „charmanter Vulgarität(!) als in romantischer Gefühlstiefe“ wohl. Dabei darf man vulgär natürlich nicht mit ordinär gleichsetzen, wie man das landläufig tut; der Duden lässt auch "einfach“ und „oberflächlich“ als Übersetzung zu. Charmant ist Poulencs zum Teil neoklassizistische Musik allemal. Seine Begeisterung für Mozart scheint immer wieder durch. (In seinem Ballett „Les Biches“ zitiert er ihn sogar mehrmals!) Und charmant virtuos wurde seine Musik gestern Abend auch musiziert. Pahud glänzte mit überragender Technik, Mielgo schuf mit seinem Orchester dazu einen heiter-lichten Rahmen, mit geschmeidig aufspielenden Streichern und delikaten Tupfern der Bläser. – Auch das Flötenkonzert von Carl Reinecke, ein Alterswerk aus dem Jahr 1908, verströmte klassischen Geist. Die allesamt liebenswürdig-melodiösen drei Sätze gerieten zu heiterer, geistreicher Unterhaltung vom Feinsten. Für den enthusiastischen Beifall bedankte sich Pahud mit „Density“ von Edgar Varese. Über den spottet Georg Kreisler zwar in seinem Song „Der Musikkritiker „Hindemith, Strawinsky und Varese sind zwar gut, doch ich bin bese“. Aber allzu böse brauchte man nicht zu werden. „Density“ ist, wie der Name sagt, ein dichtgepacktes Kompendium virtuosen Flötenspiels, mit dem Pahud noch einmal die ganze Bandbreite seines Instruments vorführen konnte.

Nach der Pause konnte man dann in die raffiniert ausgetüftelte Klangwelt Maurice Ravels eintauchen. Zunächst mit dem Welthit „La Valse“. Vom bedrohlichen Grummeln der Bässe über (persiflierte) Walzerseligkeit à la Johann Strauß bis hin zum durch Marschrhythmen konterkarierten Schluss führte Mielgo die „Demontage“ eines Walzers vor, klanggewaltig mit einem (einmal mehr) bestens aufgelegten Orchester. – Die zweite Suite aus „Daphnis et Chloé“ erklng abschließend in der ganzen Pracht impressionistischer Instrumentation: verträumt das „Erwachen des Tages“, furios mitreißend der „Danse générale“ am Ende. Stürmischer Applaus auch dafür. Am Ende bedankte sich ein strahlender Pablo Mielgo bei Orchester und Publikum.

Das nächste Konzert (am 21.03. im Auditorium von Palma) beschert uns ein Wiedersehen mit der französischen Starpianistin Lise de la Salle. Sie wird das Klavierkonzert von Edward Grieg spielen, im Anschluss erklingt die 7.Sinfonie von Anton Bruckner. Beides unter der Leitung von Christoph Koncz. Auch auf das Osterkonzert darf ich hier schon hinweisen: am Ostermontag dirigiert Pablo Mielgo das Requiem von Mozart in der Kathedrale von Palma.