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Was in Beethovens Werkverzeichnis schlicht als „Sonate Nr.14 in cis-moll, op.27,2“ aufgeführt ist, hat als „Mondscheinsonate“ einen ungeheuren Siegszug rund um die Welt angetreten. Zu dem Beinamen verhalf ihr der Journalist und Kritiker Ludwig Rellstab, einige Jahre nach Beethovens Tod. Er lieferte eine recht poetische Deutung des ersten Satzes, sozusagen ein Programm, in dem es um ein Liebespaar in einer lauen Mondnacht ging. Die Verleger schalteten schnell und verpassten dem Werk einen Namen, Mondscheinsonate, denn als clevere Geschäftsleute wussten sie natürlich, dass das den Verkauf förderte.

Alle möglichen fantasievollen Geschichten, die die Runde machten, taten ein Übriges. Der Beiname, den der Komponist selbst in seinem Werkverzeichnis notierte, lud geradezu dazu ein: „Sonata quasi una fantasia“. Dabei bezog sich der nur auf die ungewöhnliche Form. Der langsame Satz steht nämlich am Anfang, gefolgt von einem Allegretto in Des-dur und einem furiosen Schlussatz, Presto agitato. – Der erste Satz ist auf den ersten Blick leicht zu spielen. Amateure können ihn vom Blatt spielen, wenn sie mit den vier Kreuzen der Tonart cis-moll klarkommen. Aber bei eingehender Beschäftigung mit diesem „einfachen“ Adagio sostenuto zeigt sich schnell: wer bei diesem langsamen Tempo die Spannung halten will, muss ein Profi sein. Franz Liszt verbot seinen Schülern in der Anfangsphase, diese Sonate zu spielen. Er wusste, warum… - Achten Sie bei den ersten Takten einmal auf die Basslinie. Sie durchzieht das ganze Werk. Der anschließenden Melodie liegt der typische Trauermarsch-Rhythmus zugrunde, den Beethoven auch an anderer Stelle verwendete, bispielsweise im zweiten Satz der Eroica. Natürlich ist der Satz kein Marsch, aber dieser Rhythmus verleiht ihm eine Atmosphäre linder Trauer. Vielleicht um eine unerfüllte Liebe? Wir wissen es nicht. – Der Titel und das vermeintliche Programm haben dazu geführt, dass alle möglichen Leute sich an Arrangements versucht haben, mit denen sie das Werk für die Popularmusik vereinnahmen wollten. Hören Sie sich einmal diese Bearbeitung von James Last an. Merken Sie, wie die Musik ihren ganzen Zauber verliert, das Geheimnisvolle, das großer Kunst stets innewohnt?

Der Mittelsatz beginnt rhythmisch klar, aber bald folgen Synkopen, die das Geschehen etwas komplizierter machen. Die lineare Fortführung des Themas wird schnell wieder von Synkopen abgelöst. Das Ende ist ein typischer Beethoven-Schluss: knapp und prägnant. – Das Finale beginnt mit rasenden, aus der Tiefe des Flügels aufsteigenden Figuren. Die Hauptmelodie ist durch einen scharf punktierten Rhythmus gekennzeichnet. Eine schmissige Coda beendet Satz und Sonate. – Zur Mondscheinsonate gibt es von wdr3 einen recht informativen Podcast. Der Kabarettist Michael Lohse erzählt darin äußerst kurzweilig die Geschichte des Werkes.

Die vier Scherzi von Chopin gehören zu seinen bedeutendsten Klavierwerken. Mit ihnen schuf er eine leidenschaftliche, virtuose Bekenntnismusik, die mit ihrem hohen Tempo und den zahlreichen pianistischen Herausforderungen nur großen Pianisten zugänglich ist. Matthias Kirschnereit spielt das zweite in b-moll, das wohl auch das populärste ist. Das sehr wirkungsvolle Stück besticht durch den Kontrast innerhalb des zweiteiligen Kopfthemas zwischen drohend unheimlichen Unisonofiguren, den wütenden Fortissimo-Akkorden und der kantablen Melodie des Seitenthemas. Die Triolen des Anfangs sollen laut Chopin "grabesähnlich" gespielt werden und an ein Beinhaus erinnern. Sie leiten auch den furiosen Schluss ein. – Die Gattung Nocturne ist keine Erfindung Chopins, der irische Komponist John Field hat sie als relativ harmlos-lyrische Nachtstücke erdacht. Wenn er sie selbst spielte, war er häufig betrunken, was ihm den Beinamen „drunken John“ eingetragen hat. Chopin, der insgesamt 21 dieser Solowerke schrieb, erhob die Gattung zu ganz hoher Kunst. Im Konzert werden wir die Nummer 16 hören, die so beginnt und im Wesentlichen auf diesem Hauptgedanken aufbaut.- Auch zu Chopins Nocturnes gibt es einen sehr hörenswerten Podcast, der sich allerdings auf op.9 beschränkt, die die ersten Stücke waren, die Chopin der Veröffentlichung für wert hielt. – Bliebe noch zu erwähnen, dass das Konzert mit einem „Werk ohne opus“ von Beethoven beginnt, nämlich mit dieser Polonäse. Was für ein Auftakt! Insgesamt dürfen wir uns auf eine überaus gehaltvolle Matinee freuen, vollgepackt mit ganz großer Klaviermusik.