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Das neue Leben von Heike Stijohann auf Mallorca begann anders als geplant. Einer der ersten Wege führte die neue Pfarrerin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde auf den Balearen zum deutschen Konsulat in Palma. Es ging um ihre Papiere, die mitsamt Geldbörse in Sevilla aus der Handtasche geklaut worden waren. Mit Ach und Krach hatte Stijohann es geschafft, dass sie überhaupt aus der andalusischen Metropole zu ihrem neuen Wirkungskreis fliegen durfte ...

Die 53-Jährige und ihr Mann Paul waren fünf Wochen in Sevilla, um sich mit einem intensiven Sprachkurs auf ihre Zeit auf den Balearen vorzubereiten, die voraussichtlich sechs Jahre dauern wird. "Es kann eine Verlängerung bis zu neun Jahre geben, aber sechs Jahre ist der Normalfall", meint die Pfarrerin, die sich in einem öffentlichen Auswahlverfahren gegen zwei Konkurrenten durchsetzen konnte. Über dieses "Casting" für die Nachfolge von Pfarrer Klaus-Peter Weinhold hat MM vor einigen Monaten ausführlich berichtet.

Im Garten des Gemeindehauses in Arenal, ihrem neuen Zuhause, sitzt Heike Stijohann am Pool, macht einen fröhlichen und wachen Eindruck. Sie freue sich, dass ihr Paul vieles abnimmt und den Rücken freihält, erzählt sie. Hündin Skrollan entspannt sich derweil auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt.

In den vergangenen Monaten hat sich Stijohann so gut es geht auf den neuen Job vorbereitet. Denn als Auslandspfarrerin in der deutschen Gemeinde auf Mallorca zu arbeiten, das ist etwas anderes, als in ihrer bisherigen Pfarrstelle in Bad Meinberg am Teutoburger Wald zu wirken, wo die zweifache Mutter bisher tätig war. "Alles, was ich finden kann, lese ich. Ich weiß Bescheid über die Problematik von Menschen, die herkommen, zum Teil obdachlos sind, neu anfangen wollen, aussteigen wollen - und es vielleicht auch nicht schaffen. Ganz wichtig finde ich den Gefängnisbesuchsdienst und den Krankenhausbesuchsdienst. Da spitzt sich die Situation zu. Menschen, die einen Unfall hatten. Die Reisegruppe ist weg und einer bleibt hier. Oder Menschen, die keine Brücken zur Heimat mehr haben."

Zu den Schwerpunkten der Arbeit von Heike Stijohann in den kommenden Jahren wird seelsorgerische Tätigkeit gehören. "Außerdem möchte ich Angebote für junge Menschen und Familien schaffen." Offiziell im Amt ist die Pfarrerin seit 1. September.

In der frühesten Jugend der späteren Theologin hätte wohl kaum jemand geahnt, dass Klein-Heike eines Tages Pfarrerin werden würde. Die in Mainz aufgewachsene Berlinerin war begeistert von den Naturwissenschaften. Schmunzelnd erinnert sie sich an ihre Konfirmandenzeit: "Ich wollte meinem Pfarrer immer beweisen, dass er unrecht hat. Aber dann saß ich da, hörte bei den Predigten zu und dachte, irgendwie hat er recht."

Sie wollte Medizinerin werden und begann folgerichtig nach dem Abitur auch ein Medizinstudium. Das hat sie abgebrochen. Stijohann schloss früh den Bund der Ehe und begann später das Studium der Theologie. Ihre erste Pfarrstelle war auch vor Mallorca ihre letzte. 17 Jahre in Bad Meinberg. Dort hat man den Abschied und Neuanfang der langjährigen Pfarrerin mit großem Bedauern aufgenommen. "In der langen Zeit sind natürlich ganz viele Beziehungen gewachsen. Die Leute waren traurig", erinnert sich Stijohann. Sichtlich gerührt lässt sie die letzten Wochen in der kleinen Stadt vor dem geistigen Auge vorüberziehen. "Bei der Verabschiedung haben die Leute Spalier gestanden, 800 sind in die Kirche gekommen. Das war Wahnsinn! Wenn ich in der letzten Woche im Ort war, sind manche mit ihrem Auto einfach auf der Straße stehen geblieben und ausgestiegen."

Für das Paar Stijohann hätten sich die meisten gefreut. Ein Neuanfang in schöner Umgebung. Vom Timing her möglich geworden war dieser, weil Paul Stijohann, Sozialarbeiter und als Reha-Berater tätig, jetzt in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ist. Der Gedanke, mal als Pfarrerin ins Ausland zu gehen, sei bei Heike Stijohann immer mal wieder da gewesen. "Es passte aber nicht." Als sie dann die Stellenausschreibung für Mallorca las, passte es. "Ich habe mich auch nur auf diese Stellenausschreibung beworben. Ich wollte ja nicht weg aus Bad Meinberg, da musste schon etwas Tolles kommen", meint die Theologin, die Mallorca schon von einigen Urlaubsreisen kennt.

Ehemann Paul will seine Sozialkompetenz ebenfalls in die Gemeindearbeit einbringen. Für ihn und Heike ist es die zweite Ehe, die nun schon zwölf Jahre existiert. Zusammen haben die beiden sechs Kinder und sechs Enkel. Auch zu den Ex-Partnern besteht ein gutes Verhältnis. Eine moderne Patchwork-Familie.

Für Heike Stijohann beginnt jetzt der neue Alltag. Konfirmandenwochenende, dann ein Wochenende mit der Gefängnisseelsorge, dann ein Wochenende auf Ibiza. Stijohann lässt im Gespräch durchblicken, dass sie ihren Beruf als Berufung versteht. Sie will versuchen, den Dienstag nach Möglichkeit terminfrei zu halten. Aber eine Pfarrerin ist immer im Dienst. "Es gibt keinen freien Tag. Wenn was ist, dann ist was."

(aus MM 35/2014)