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Mallorca Magazin: Herr Meaney, welchen Eindruck hatten Sie vom jüngsten Evolution Mallorca Film Festival?

Colm Meaney: Ich bin sehr beeindruckt. Das Festival ist erst vier Jahre alt und wird von Jahr zu Jahr besser und größer. Es ist gut, dass es so organisch wächst und nicht versucht, zu schnell zu groß zu sein. Es gibt schon private Sponsoren, und ich hoffe, dass die Stadt Palma und die Regierung der Balearen das Festival auch unterstützen werden, damit wir es weiterhin wachsen sehen.

MM: Für wie bedeutend halten Sie dieses Festival?

Meaney: Palma ist ein idealer Ort für ein Filmfestival und Mallorca ein idealer Ort für Filmproduktionen. In der Vergangenheit hat man nicht viel für die Insel als Drehort getan, während alle anderen europäischen Länder Filmemachern steuerliche Anreize boten. Es wäre großartig, wenn das Festival dazu beitragen würde, dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Die Entscheidung liegt natürlich bei der Regierung.

MM: In der Western-Serie "Hell On Wheels", die in den USA sehr erfolgreich war, spielen Sie den Eisenbahn-Unternehmer Thomas Clarke Durant. Wie geht es mit der Serie weiter?

Meaney: Wir haben Ende September die Dreharbeiten für die fünfte und letzte Staffel beendet. Der erste Teil wurde in den USA bereits ausgestrahlt, der zweite wird nächstes Jahr folgen. Also, mit der Eisenbahn und Durant habe ich abgeschlossen.

MM: Sie müssen mit der Figur Durant sehr vertraut geworden sein.

Meaney: Unbedingt, das hat richtig Spaß gemacht. Denn Durant war eine historische Persönlichkeit, über die in den Geschichtsbüchern ziemlich wenig steht. Und man erhält nicht so oft eine so breit angelegte Rolle, in diesem Fall die eines verwegenen Visionärs, der sich für seine Ideen über die Moral hinwegsetzt. Auch die Dialoge waren richtig anspruchsvoll. Für einen Schauspieler ist das wunderbar.

MM: Mit "Hell On Wheels" haben Sie in einem erfolgreichen Western gespielt, mit "Star Trek" in einer legendären Science-Fiction-Serie. Wie erklären Sie sich die Beliebtheit dieser beiden Genres, die ja beide epochale Werke hervorgebracht haben?

Meaney: Beide Genres geben den Raum, um Charaktere und Themen zu entwickeln, die in gewisser Weise größer als das Leben sind und Extremsituationen darstellen. Ich bin kein großer Fan von Science-Fiction, aber mir wurde klar, dass sie Möglichkeiten bietet, die Spielfilme der Gegenwart nicht haben. In "Star Trek" ging es um Dinge wie Gentechnik und Heimatlosigkeit, die man sich in Gegenwartsfilmen nicht erlauben kann. Dasselbe gilt auch für Western. In einem normalen Gegenwartsfilm gibt es keine Kerle, die durch die Wüste irren oder auf Pferden dahinjagen.

MM: Immer wieder hört man Menschen sagen, dass Sie vom Wahrheitsgehalt eines Spielfilms überzeugt sind.

Meaney: Ich weiß. Durch die historischen Romane wurde historische Fiktion sehr populär. Ich lese diese Geschichten auch gern. Sie machen historische Figuren in gewisser Hinsicht sehr lebendig. Aber man muss sich trotzdem darüber im Klaren sein, dass dies keine Dokumentationen sind.

MM: Bringt es eine gewisse Verantwortung mit sich, eine historische Figur in einem Spielfilm darzustellen?

Meaney: Ja, man kann die Tatsachen nicht übergehen und im Widerspruch zu ihnen stehen. Aber man kann auf ihrer Grundlage etwas entwickeln, kann Situationen fortschreiben und sich vorstellen, was passiert wäre, wenn die Figur dies oder jenes gemacht hätte.

MM: Sie spielen sowohl in Filmen als auch in Fernsehserien. Macht das einen Unterschied in der Herangehensweise?

Meaney: Wenn man über fünf oder sechs Jahre eine Rolle spielt, geht es nicht mehr um die Figur, sondern nur noch darum, die Texte zu lernen. Bei jedem Film muss man sich dagegen in eine neue Rolle hineindenken. Als ich am 28. Dezember die Rolle von Durant beendete, ging es direkt von Calgary (in Kanada, d. Red.) nach Belfast, um einen Film über den Friedensprozess in Irland zu drehen. Ich spielte darin Martin McGuiness (Politiker der nordirisch-republikanischen Partei Sinn Féin und amtierender Erster Minister von Nordirland, d. Red.), also eine historische Figur, die noch quicklebendig ist.

MM: Wie haben Sie sich darauf eingestellt?

Meaney: Auch dieser Film stellt zwar eine Situation dar, die nicht ganz den historischen Fakten entspricht. Aber weil dieser Mann noch lebt, muss man in so einer Situation sehr sorgfältig mit allem umgehen, was er sagte. Man will so akkurat und wahrheitsgetreu wie möglich sein. Deshalb war es sehr wichtig für mich, bei allem, was er im Film sagt, darauf zu achten, ob er dies auch wirklich sagen würde.

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MM: Haben sich die Dreharbeiten mit dem Wechsel von analogem Film zu digitalen Aufnahmen verändert?

Meaney: Das ist meine große Klage. Wir haben jahrelang darüber diskutiert, ob die digitale Technik qualitativ genauso gut ist wie Film. Aber niemand fragte danach, wie sich das auf den Prozess des Drehens auswirkt.

MM: Wie wirkt es sich denn aus?

Meaney: Eine Filmkassette ergab rund vier Minuten Film. Und wir drehten etwa zwölf bis 15 Kassetten am Tag, wenn es dick kam, auch mal 20. Das sind rund 50 Minuten Material. Mit digitaler Technik nehmen drei Kameras alles auf, und dann kommen pro Tag vielleicht zehn Stunden heraus. Beim Schnitt muss man das alles anschauen. Wie soll das denn funktionieren?

MM: Was bedeutet diese Veränderung für die Schauspieler?

Meaney: Früher probten die Schauspieler vor dem Drehen erst mit dem Regisseur. Man probierte aus, was man tat und wie man sich bewegte, und der Regisseur dachte über Einstellungen, Perspektiven und Beleuchtung nach. Bei Bedarf passte man die Dinge an, und dann wurde mit Kamera geprobt. Wenn schließlich gedreht wurde, wusste jeder genau, was er zu tun hatte und wo die Kamera stand.

MM: Wie laufen die Dreharbeiten heute ab?

Meaney: Jetzt wird nicht mehr geprobt, und die ganze Zeit über laufen drei Kameras, weil das nichts kostet. Wissen Sie, ein Teil der Schauspielkunst besteht darin, in die Kamera zu spielen. Man muss also wissen, wo sie steht und wie sie eingestellt ist. Aber jetzt wissen wir oft nicht, wo die Kameras stehen. Früher war auch die Struktur anders. Zuerst wurde ein Master in der Totalen aufgenommen. Danach griff man sich Teile der Szene heraus. Der Regisseur entschied, bei welchem Satz er eine Nahaufnahme machte, ob er von hinten über die Schulter filmte und so weiter. Die Szene wurde also aus Teilen aufgebaut, und das war großartig. Jetzt tun wir das nicht mehr. Man weiß nie, was aufgenommen wird.

MM: Schauen Sie sich die Filme an, in denen Sie spielen?

Meaney: Ja, ich sehe die Filme am liebsten, bevor sie herauskommen. Bei TV-Serien verpasse ich oft eine Episode.

MM: Arbeiten Sie derzeit an einem neuen Film?

Meaney: Nein, ich habe gerade erst den erwähnten Film in Belfast beendet. Und ich sollte einen Film in Jordanien drehen. Aber im Westen liegt Israel, im Norden Syrien, im Osten Irak. Deshalb fand ich, dass im Moment Jordanien für ein Bleichgesicht wie mich nicht der beste Ort ist. Und nachdem ich dieses Jahr viel unterwegs war, und erst Ende Januar, Anfang Februar wieder Dinge anstehen, entschied ich mich, zunächst einmal einen schönen, langen Urlaub zu machen.

MM: Leben Sie das ganze Jahr auf Mallorca?

Meaney: Nein, mit Ausnahme eines dreitägigen Aufenthaltes im Juni war ich seit Mai nicht hier. Wegen "Hell On Wheels" war ich in Calgary. Das ist nicht allzu weit von Los Angeles entfernt, wo wir auch ein Haus haben.

Die Fragen stellte Martin Breuninger.

ZUR PERSON: COLM MEANEY

Colm Meaney? Bei den meisten fällt der Groschen, wenn sie an Miles O‘Brien denken, den Chefbeamer und Chefingenieur in den Star-Trek-Serien „Das nächste Jahrhundert“ und „Deep Space Nine“. Bei anderen, wenn sie das Gesicht des 1953 in Dublin geborenen Schauspielers sehen. Denn Meaney wirkte seit 1978 bei mehr als 40 Spielfilmen und einem Dutzend TV-Serien mit, darunter „The Commitments“, „The Snapper – Hilfe ein Baby“, „Hell On Wheels“ oder der Streifen „El perfecto desconocido“ des mallorquinischen Regisseurs Toni Bestard. Wenn Meaney nicht bei Dreharbeiten unterwegs oder zu Besuch in Dublin ist, pendelt er zwischen Santa Maria del Camí und Los Angeles.

(aus MM 47/2015)