José María Ojeda ist Barbier in Palma. Er sagt: "Längst nicht alle Kunden kommen mit einem richtigen Vollbart, die meisten tragen nur das Drei-Tage-Modell." | P. Czelinski

TW
0

"Gauner und Edelmann", so in etwa übersetzt José María Ojeda den Namen seines Barber Shops "Truhán y Señor" in der Altstadt von Palma, den er gemeinsam mit seinem Kompagnon Marcos Vich betreibt. "Beide Begriffe stehen für Männlichkeit - zu welcher Gruppe unsere Gäste gehören, dürfen sie sich selbst aussuchen", so der Barbier, der in seinem Salon ausschließlich Kunden männlichen Geschlechts bedient. Den Laden zieren alte Frisör- beziehungsweise Barberstühle mit anschraubbarem Fuß- und Kopfteil, um die Bartträger in eine angenehme Liege-position zu befördern. "Man soll sich hier ja wohlfühlen", so Ojeda.

Der Hype um den Bart habe etwa vor drei bis vier Jahren begonnen, erzählt er. "Bärte hat man natürlich immer getragen, aber die waren dann eher zottelig und trocken, alles in allem also ungepflegt. Heute kaufen sich die Kunden Öle, Crèmes, Shampoos und Bart-Kämme, um ihr Gesichtshaar zu pflegen. Es ist auch in Spanien ein ganze Industrie um die 'Barba' entstanden."

Dass es auf Mallorca genügend potenzielle Kunden für das umfangreiche Bartpflegeangebot gibt, weiß Carlos Martín, der ebenfalls in der Altstadt von Palma einen Barber Shop betreibt. "Manche Jungs lassen sich Monate im Voraus in regelmäßigen Abständen Termine zur Bartpflege geben, damit sie ja nicht Gefahr laufen, mit einem Zottelbart gesehen zu werden." Eigentlich, so der Coiffeur, seien Bartträger auch nur Blondinen, die schreien und kreischen, wenn man ihnen zu viel ihrer Pracht abschneidet. "Sie wollen auffallen mit ihrem Bart." Grundsätzlich, so der Experte, könne die Haarpracht im Gesicht zweierlei Aufgaben erfüllen. Zum einen ihrem Träger zu mehr Charakter verhelfen, zum anderen seinen Gesichtszügen mehr Harmonie verleihen.

"Der Charakterbart gibt dem Mann etwas Außergewöhnliches, etwas Einzigartiges", so Martín. Beim "Harmonie-Bart" gehe es eher darum, Ordnung im Gesicht zu schaffen. "Männer mit eher fliehendem Kinn können sich beispielsweise einen Bart stehen lassen, der um den Hals eher kurz geschnitten, im Bereich des Kinns hingegen länger gelassen wird. So entsteht der Eindruck von kantigeren Gesichtszügen, die einfach für mehr Männlichkeit stehen." Wer ein langes, schmales Gesicht hat, könne es mit einem längeren Bart an den Seiten "verkürzen", genauso funktioniere es auch umgekehrt.

"Das ganze Geschäft um Bärte und ihre Pflege ist ja eine Millionenindustrie", erklärt Martín. "Kaum entsteht ein neuer Trend, der irgendwas mit Bärten zu tun hat, gibt es schon das passende Pflegeprodukt. Deswegen glaube ich auch nicht, dass dieser Trend so schnell wieder verpuffen wird. Da verdienen viel zu viele Menschen Geld mit."

Er selbst verlangt in seinem Barber-Shop 15 Euro für eine klassische Bartpflege, die Preise bei den anderen Barbieren liegen ähnlich. In dem Lokal hat er kleine Separées eingerichtet. "Bartpflege kann ja auch etwas sehr Intimes sein. Nicht jeder möchte dabei gesehen werden, die Kunden sollen sich wohlfühlen hier und weiterhin ihre Privatsphäre haben."

Für die tägliche Pflege rät Barbier Ojeda zu einem Bart-Öl, das morgens und abends einmassiert wird. "Das ist gut für die Hygiene und der darin enthaltene Thymian kann sogar das Wachstum anregen." Dass es aber bei zu wenig Bartwuchs kein wirkliches Wundermittel gibt, weiß Carlos Martín: "Manche Kunden fragen mich, was sie tun können, damit der Bart auch an kahlen Stellen besser wächst, aber da kann man leider nichts machen, außer ihn so zu schneiden, dass es nicht auffällt." Ab einer Länge von zwei Zentimetern sollten Bartträger spezielle Seife und einen Conditioner verwenden. "Die Seife reinigt den Bart und bekämpft Bakterien, die sich entgegen vieler Gerüchte nicht im Bart selbst, sondern auf der darunterliegenden Haut festsetzen", so Martín.

Ein wahres Männerparadies hat sich Bob van den Hoek im Santa-Catalina-Viertel eingerichtet. Bei ihm begleitet Musik vom Plattenspieler die Bartpflege, dazu wird auf Wunsch Whisky gereicht, manchmal brutzelt im Sommer sogar Fleisch auf dem Grill im Innenhof.

"Ich habe lange im Mode-Business gearbeitet, meine wahre Leidenschaft war aber immer das Schneiden, weniger das Föhnen und Färben", so der Frisör, der auch eine Barbier-Ausbildung genossen hat. Der Clou an seinem Barber-Shop: Frauen haben keinen Zutritt. "Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich liebe Frauen, aber eben nicht in meinem Shop. Das hier ist ein Rückzugsort für Männer." Mit einem Schild vor seinem Geschäft weist van den Hoek auf die Zutrittsbeschränkung hin und hat deswegen auch schon Ärger mit den Behörden bekommen. "Sogar einen Brief aus dem Frauenministerium in Madrid habe ich schon erhalten", erzählt der Niederländer. "Und jemand hat das Wort 'Machistas' auf das Schild gekritzelt."

Van den Hoeks Spezialität ist der sogenannte Hot-Towel-Shave, eine Rasiertechnik, bei der mit heißen Handtüchern gearbeitet wird - "die Jungs sollen sich bei mir entspannen." Er bietet aber auch klassische Bartpflege an. "Das kommt auf die Länge des Bartes an. Wenn hier einer reinkommt mit ein paar Stoppeln und die pflegen lassen will, dann sage ich ihm: 'Be a man - geh nach Hause und mach das selbst', aber ich zeige ihm natürlich, wie es funktioniert."

(aus MM 22/2016)