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Wenn Wilfredo Boemeleit aus seinem Leben erzählt, reiht sich eine Geschichte an die nächste. Mit blitzenden, meeresblauen Augen erzählt der 73-jährige Deutsche, der in Venezuela geboren wurde und als Jugendlicher nach München kam, vor allem eine Geschichte besonders gerne, nämlich die vom ersten Treffen mit seiner Frau Karin. "Das war 1966 hier am Flughafen von Palma. Wir warteten beide auf den Flug nach München, und ich habe sie einfach an die Hand genommen und sie zu einem Kaffee eingeladen." "Er kam, sah und siegte, im wahrsten Sinne des Wortes", lacht Karin Boemeleit bei der Erinnerung an dieses erste Treffen.

Ähnlich wie mit seiner Frau verhielt es sich bei Wilfredo übrigens mit fast allem, was er an oder in die Hand nahm. "Ich hatte immer gute Ideen, habe versucht, stets das zu machen, was es noch nicht gab. Ende der 60er Jahre war Cala Figuera ein Hotspot auf Mallorca, viele Veranstalter schickten besonders ihre junge Klientel in den kleinen Hafenort", erinnert sich Boemeleit. Aber nach dem Motto "Reiseleiter kann jeder" hatte er noch eine andere Idee. Der damals 24-Jährige eröffnete im Sommer 1967 in Cala Figuera die erste Tauchschule Europas, die den Kunden auch ihre komplette Taucherausrüstung zu Verfügung stellte. "Am Tag vor der Eröffnung war ich nervös, aber am nächsten Morgen standen 40 Leute vor der Tür, ohne dass wir das Ganze groß beworben hätten." Und schon im darauffolgenden Jahr boomte der "Club Nautilus" auf Mallorca dermaßen, dass der Bruder als Tauchlehrer angestellt wurde.

Schnell kam die zweite Tauchschule in Portocolom hinzu, der dritte und vierte Club Nautilus wurde in Cala Rajada und Cala Blava eröffnet. "Wir hatten einfach eine echte Marktlücke entdeckt, denn bis dahin mussten Hobby-Taucher immer ihre gesamte Ausrüstung mit auf die Reise nehmen - nicht sehr bequem."

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Von Mallorca expandierte Boemeleit, der selbst als Elfjähriger das Tauchen erlernt hatte, erst nach Griechenland und Afrika und später in die ganze Welt. Mitte der 80er Jahre besaß er insgesamt 17 Tauchschulen weltweit. "Wir haben immer neue Tauchreviere gesucht, vor Tansania, in der Karibik, am Roten Meer oder auf Kuba."

Beim Stichwort Kuba kommt Boemeleit in Fahrt. "Das war eine unserer genialsten Aktionen", erinnert er sich heute. Als junger Mann hatte er in Havanna Che Guevara kennengelernt und über ihn immer Kontakt zur Insel gehalten. "Ich hatte 1979 ein Auge auf die Insel 'Isla de la Juventud' geworfen. Dort gab es nur ein altes, verwahrlostes Hilton-Hotel, und vor dem Strand das zweitgrößte Riff der Welt, 12.000 Kilometer lang." Um die lange Geschichte abzukürzen: Boemeleit schaffte es, der kommunistischen Regierung das Vermarktungsrecht für das Hotel Colony abzuschwatzen, was ihn viel Überredungskunst und viel Rum gekostet haben soll. "Dort haben wir jahrelang unseren erfolgreichsten Club Nautilus betrieben, und später alle unsere anderen Tauchschulen verkauft. Unsere Kunden kamen aus der ganzen Welt dorthin, flogen mit einer kleinen Maschine von Havanna auf die 'Schatzinsel', wie wir sie nannten. Die Flugzeuge waren winzig und wackelten oft. Einmal war Roberto Blanco dabei, der wurde ganz weiß."

Doch immer neue Taucherreviere mussten her, und das Unternehmerpaar entdeckte die Insel Sokotra vor Südjemen. Der Haken an der Sache: Hotel, Tauchschule und Gästebuchungen waren perfekt, und zwei Tonnen Ausrüstung sollten als Fracht mit einer Lufthansa-Maschine nach Aden geflogen werden. „Doch dummerweise waren zu der Zeit scheinbar Mitglieder der Rote Armee Fraktion ständig im SüdJemen, und die Lufthansa, die unsere Fracht kostenlos mitnehmen wollte, stellte plötzlich ihre Flüge ein.” Und die ägyptische Ersatz-Airline wollte mehr als 10.000 Mark für den Transport. Also mietete Boemeleit kurzerhand einen Unimog, besorgte im Schnellverfahren Transit-Visa für die Türkei, Syrien, Jordanien und Nord-Jemen und fuhr mit einem Freund in 14 Tagen von München bis Aden. „Das war bestimmt meine verrückteste Unternehmung in all den Jahren. Wir kamen morgens dort an, die Gäste mittags.”

Heute leben die Boemeleits seit mehr als 20 Jahren überwiegend auf Mallorca, nachdem sie um die Jahrtausendwende alle ihre Unternehmen - darunter auch eine Firma für Taucheruhren - verkauft hatten. "Wir sind jetzt im Unruhestand" sagt Wilfredo, der sich manchmal langweilte und vor 17 Jahren hier "Mallorca-Concerts" gründete, und unter anderem Max Raabe und das Palast-Orchester auf die Insel holte. Und während Wilfredo die Geschichten aus seinem Leben erzählt, hat man das Gefühl, dass dies noch lange nicht das Ende ist.