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Aufmerksamen MM-Lesern wird ihr Name ein Begriff sein, an ihrem Gesicht kommt man als deutscher Mallorca-Auswanderer kaum vorbei. Grund genug, einen Einblick ins Leben einer ganz besonderen Persönlichkeit zu geben: Doris Kirch begleitet Auswanderer beim Schritt in ein neues Leben und hat dabei selbst einiges riskiert, um auf ihre Trauminsel zu kommen.

Die 55-Jährige könnte durchaus als rassige Spanierin durchgehen: Schwarzes langes Haar, figurbetontes feuerrotes Kleid, gebräunte Haut und ein strahlendes Lächeln. Doch die Kölnerin ist eine waschechte rheinische Frohnatur. Scheinbar immer gut drauf und immer ein liebes Wort übrig. Ihre Facebook-Gruppe „Auswandern nach Mallorca (Anregungen und Tipps von Auswanderern)” ist zur Anlaufstelle Tausender Mallorca-Fans und Menschen geworden, die sich nach einem Leben auf der Balearen-Insel sehnen.

Mehr als 15.000 Mitglieder gehören der Gruppe mittlerweile an. Und Kirch ist darin oft der „Kummerkasten”, kümmert sich auch nachts noch um persönliche Probleme der Mitglieder, übersetzt in Notfällen sogar am Telefon auf Spanisch. Und das eigenen Angaben zufolge alles, ohne Geld zu verlangen. Diese Anfragen gehen eigentlich über ihr normales Beratungsangebot hinaus, doch die Kölnerin hatte sich vor mehr als 15 Jahren geschworen, anderen helfen zu wollen, wenn sie es selbst auf Mallorca schafft, sagt sie.

Nur mit einer kleinen Reisetasche ist Doris Kirch im Jahr 2002 nach Mallorca gekommen. Um Schutz zu suchen vor ihrem gewalttätigen Ehemann. „Ich würde niemandem empfehlen, so überstürzt auszuwandern”, sagt die 55-Jährige und wird dabei wehmütig. „Ich habe alle persönlichen Sachen zurückgelassen.” Persönlich habe ihr dieser Schritt enorm geholfen. „Mallorca hat mich tough gemacht, denn hier muss man kämpfen”, sagt Kirch. „Früher war ich schüchtern und hatte kein gutes Selbstbewusstsein.”

Mit Jobs wie Spanischunterricht hielt sich die Mittdreißigerin damals über Wasser. „Dass ich bereits Spanisch konnte, war ein großer Vorteil auf der Insel.” Nach und nach habe sie ihr „Helfer-Syndrom” dann zum Beruf gemacht. Seit gut zehn Jahren hilft sie Menschen nun hauptberuflich beim Aufbau einer Existenz auf der Baleareninsel. Vorrangig zeigt sie, was zum hiesigen Alltag gehört und welche Basis notwendig ist, um hier ein geregeltes Leben zu führen. Ihre Tage seien terminlich eng getaktet. Schon während des Frühstücks wird die Facebook-Gruppe kontrolliert. Zwischen Gassigehen mit Hund Chico und dem Mittagessen beantwortet sie Mails und Nachrichten oder erledigt ihre Abrechnungen. Der Vormittag ist meistens für Termine beim Ausländeramt reserviert, um für ihre Kunden die Steuernummer NIE oder die Residentschaft auf der Insel zu beantragen.

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Vor allem ihre freundliche Art, die Spanischkenntnisse und der gute Draht zu den Behörden tragen wohl dazu bei, dass die Deutsche für ihre Kunden auch mal schneller einen Termin bekommt als andere. Am Nachmittag führt sie via Videotelefonie oder auch auf der Insel vor Ort Beratungsgespräche und empfiehlt Dienstleister auf der Insel - nach eigener Aussage, ohne dafür Provisionen zu bekommen. Man unterstütze sich hier gegenseitig mit einem guten Ruf. Diskretion sei zudem ihr oberstes Gebot – besonders, weil sie auch Prominente begleite. „Ich kenne viele Insel-Geheimnisse”, sagt sie mit einem Schmunzeln.

Ihr Ehemann Jürgen, den sie vor 15 Jahren in einem Café in Palma kennenlernte, ist vor allem bei Behördenterminen immer dabei, hilft bei der Gruppen-Betreuung oder der Organisation von Events wie dem monatlichen Auswanderertreff an der Playa de Palma. „Ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft”, sagt die 55-Jährige. Wenn die Kölnerin wie in der vergangenen Woche mal wieder von einem deutschen TV-Team begleitet wird, bleibt der gebürtige Wuppertaler eher im Hintergrund.

Als Tipp fürs Überleben auf der Insel gibt sie mit: „Schau, was du in Deutschland an Lebenshaltungskosten hattest und multipliziere es mit sechs oder acht, um ein Polster zu haben.” Weil sie schon einige hat scheitern sehen, habe sie ein großes Sicherheitsdenken. „Das soziale Netz in Spanien ist nicht so engmaschig wie in Deutschland”, sagt Kirch. Auswanderer sollten ihrer Meinung nach beruflich flexibel sein und außerdem bereit, mehr für ein geringeres Gehalt zu arbeiten. „Einigen Menschen rate ich bewusst davon ab, nach Mallorca zu kommen”, sagt sie offen.

Die vielen persönlichen Schicksale, an denen Kirch in ihrem Job mit ihrer einfühlsamen Art Anteil nimmt, müsse auch sie mental verarbeiten. Auf ihre berufliche Entwicklung sagt die Kölnerin, die auch Mandarin-Chinesisch spricht, dennoch rückblickend: „Wie Konfuzius schon sagte: Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten.”

(aus MM 16/2019)