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Der Kofferraum des kleinen silbernen Autos, das an Palmas beliebter Markthalle Olivar parkt, steht offen. Darin liegt ein großer Generator, an den ein Schleifgerät angeschlossen ist. Vom Besitzer des Autos fehlt jede Spur. Nach einigen Minuten steuert ein Mann auf das Auto zu. Unter den Arm trägt er einen Pappkarton, darin zwei große Messer. Mit dem rechten Arm stützt er sich auf eine Gehstütze. Der kleine, gebräunte Mann ist Don Ramón, der Messerschleifer des Olivar-Marktes.

„Seit 40 Jahren schärfe ich Messer”, erzählt er. Als Autodidakt brachte er sich die Schleifkunst selbst mit der Hilfe von zwei Steinen bei. Einem anderen schaute er auf dem Markt in Pere Garau beim Messerwetzen diskret über die Schulter und merkte sich wichtige Details. Das kann ich auch lernen, dachte sich Ramón. „Mein Ziel war, der ‚König der Messerschleifer’ zu werden”, lacht er.

Also baute er sich jahrelang einen Kundenstamm auf, verfeinerte seine Technik und „putzte Klinken” bei Metzgern direkt auf den Märkten. Früher fuhr er mit einem Moped durch die Gegend, das typische Pfeifen, das einen Messerschleifer ankündigt, ließ die Hausfrauen aus den Wohnungen eilen. „Früher habe ich fast alle Stände auf dem Olivarmarkt bedient”, sagt er. Ein Geschäft für Messer und Zubehör ganz in der Nähe machte ihm in den letzten Jahren das Geschäftsleben schwer.

Die beiden Messer, die er soeben aus der Markthalle trägt, stammen vom Metzgereibetrieb Miguel Sastre. Ein langes, mit breiter Schneide, ideal zum Zerteilen von Rind und ein kleineres, rechteckiges, ähnlich einem Beilchen.

Die Messer sind täglich stundenlang im Einsatz, der Verschleiß ist entsprechend hoch. Ramón dreht morgens, wenn die Metzger ihre Läden öffnen, seine Runde. Ein Witz hier, ein netter Gruß dort. Man kennt den Mann. Carolina Sastre nimmt seinen Service gerne in Anspruch. „Die Messer sind danach astrein geschliffen”, bestätigt sie. „Ich bin quasi hier am Stand aufgewachsen, meine Wiege stand unter der Theke, mein Großvater war Schlachter im ehemaligen Schlachthof S’Escorxador. Der Markt und seine Mitarbeiter, das ist ein bisschen wie Familie. Man hilft sich gegenseitig. Ramón gehört für uns dazu, deswegen lassen wir unsere Messer bei ihm schleifen.”

Derweil hat sich Ramón draußen vor der Markthalle auf die Kante seines Kofferraumes gesetzt, der angeworfene Generator brummt, die Schleifsteine beginnen sich zu drehen. Er nimmt das imposante Messer und hält es schräg an den Stein. Kleine Funken sprühen, achtsam bewegt er die Schneide über den rotierenden Stein. „Um die fünf Minuten pro Stück brauche ich, zirka zehn langsame Bewegungen von rechts nach link”, erklärt er. Eine Schutzbrille verhindert, dass ein Funke ins Auge gerät. Dann kommt die zweite Runde mit dem grobkörnigeren Schleifpapier. Wieder behutsames Schleifen des Messers, langsame Bewegungen von rechts nach links. Er stellt die Maschine aus, hält den Daumen an die Klinge und drückt vorsichtig darauf. Ein letzter Blick, ein Streichen über die scharfe Kante. Er nickt zufrieden. Jetzt kommt noch der letzte Schliff mit der Handfeile.

Ramón ist ein Lebenskünstler, sein „Atelier” besteht aus dem Nötigsten. Er wurde so gut, dass sogar der Koch des spanischen Alt-Königs Juan Carlos in der Sommerresidenz Marivent unweit des Hafens davon Wind bekam. „Ich wurde angesprochen, ob ich auch Messer für ihn schleifen könnte”, erinnert er sich. Einen kleinen Preisaufschlag erlaubte er sich bei der monarchischen Prominenz. Fast drei Jahre brachte er die Messer für die königliche Küche auf Vordermann, 5000 Peseten verlangte er damals für den Service. Aufgrund strengerer Regularien musste er seinen lukrativen Job aufgeben.

An diesem Mittwochmorgen sind es insgesamt fünf Messer, die er scharf machen soll. Seine Preise möchte er zuerst nicht verraten, dann rückt er doch damit heraus. Gute Kunden erhalten natürlich Sonderkonditionen. Pro Messer verlangt er hier zwei Euro.

Carolina ist sichtlich zufrieden. „Wir ziehen die Messer täglich selbst über den Schleifstab, aber so wie Ramón können wir das nicht.” Wie durch Butter gleitet das Messer durch das Huhn auf ihrem Tresen. Ramón schnappt seine leere Kiste, klemmt sich die Gehhilfe unter die Achsel und geht nach draußen zu seiner mobilen Schleifwerkstatt. Nächsten Mittwoch, pünktlich bei Marktöffnung, wird er wieder hier sein.