Jakub Pieniazek und Velimira Ivanova in ihrem Lokal.

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Welche Perlen sich für eine Auszeit links und rechts von Palmas befahrenen Hauptstraßen verstecken, zeigt „The Workshop“. Einen großen Schritt durch die offenen Fensterläden geht es hinein in das moderne helle Café. Hingucker sind die umherstehenden und -hängenden Fahrräder, die verkauft werden. Man kann hier aber auch seinen eigenen Drahtesel reparieren lassen oder sich über die Leidenschaft Radfahren austauschen. Der Laden ist nicht nur so eine Idee – die Liebe zum Fahrrad und die Verbindung zu Deutschen ist bei den beiden Besitzern tief verwurzelt.

Das aufgeweckte Ehepaar ist das Herz des Ladens, und ihre Geschichte ist so multikulturell wie Mallorcas Inselhauptstadt Palma selbst. Der Pole Jakub Pieniazek und die Bulgarin Velimira Ivanova lernten sich vor rund zwölf Jahren auf einer Karibikinsel kennen, bevor sie mehrere Jahre ihre Zeit gemeinsam in Key West in Florida verbrachten. Sie, die Journalistin mit der Idee, von überall schreiben zu können, er der immer gut gelaunte Abenteurer und Fahrrad-Fanatiker, der schon damals einen Hang zu preisintensiven Carbon-Modellen hatte. Gemeinsam sind sie um die Welt gezogen, um sich schließlich vor einigen Jahren auf Mallorca niederzulassen.

„Ich bin von Natur aus neugierig und aufmerksam und habe mir die Szenerie hier eine Weile angeschaut“, sagt Velimira Ivanova. „Dann kam mir das Konzept für unseren Laden in den Sinn. Mallorca ist eine Fahrrad-Insel und die Community hat auch besondere Ansprüche wie etwa gesundes Essen.“ Mittlerweile betreiben die beiden den Laden im dritten Jahr und sind beliebt bei Fahrradfahrern und „local expats“, wie sie sagen, gleichermaßen. In der Nachbarschaft kennt man sich und die privaten Geschichten der Auswanderer.

Die viel besprochene Lebensqualität hat die Familie nach Mallorca verschlagen, denn mit den beiden Kindern, zwölf und acht Jahre alt, sei es in den USA bald schwierig und sehr teuer geworden, alles zu managen. Freelancing gestaltete sich für die 39-Jährige, die in Bulgarien ein englischsprachiges Studium an der American University abgeschlossen hat, schnell zur Mammutaufgabe.

Ehemann Jakub Pieniazek, der in Polen Sportwissenschaften studierte, wollte zudem mitten in der europäischen Radsportszene sein, denn der 43-Jährige hat sich zu einem bekannten Trainer entwickelt. In seinem polnischen „CCC Team“ sind auch drei Deutsche: Simon Geschke, der 2015 eine Etappe der „Tour de France“ gewann, Jonas Koch, Rad-Bundesliga-Zweiter 2015, und Bergspezialist Georg Zimmermann. Die trainieren abwechselnd auf Mallorca und in Deutschland. Die Infrastruktur für Radfahrer auf Mallorca bewertet der Trainer als sehr gut. Bei Inca, Binissalem oder selbst am Paseo Marítimo in Palma richte man neue Wege ein und investiere in den Ausbau der Straßen. Pieniazek: „Obwohl einige Radfahr-Gruppen sehr rücksichtslos die halbe Straße einnehmen, gehen die Autofahrer hier sehr respektvoll mit ihnen um. Das habe ich in keinem anderen Land der Welt so gesehen. Da wird eher aggressiv vorgegangen.“ Das gemeinsame Laden-Projekt des Ehepaares in Palmas Calle Magalhaes ist auch zum Treffpunkt für Seminare und Austausch geworden.

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„In unserem Laden begrüßen wir sehr viele deutsche Gäste, das ist eben eine Radfahr-Nation. Und sie verstehen das Konzept“, sagt Velimira Ivanova. Besonders viele Münchner seien unter den Gästen. Die suchen sich gezielt aus, wo sie hinwollen, und kommen oft in der Nebensaison hierher. Die ist für das sympathische Unternehmerpaar dank Covid-19 in diesem Jahr ins Wasser gefallen.

Seit März musste der Laden geschlossen bleiben, nur langsam kommen die Kunden zurück. Die meisten stammen aus dem Ausland, erzählt Jakub Pieniazek:„Eigentlich dauert es nun wieder ein ganzes Jahr, bis unsere Hauptklientel kommt.“ Ohne Covid-19 würde er jetzt gerade mit seiner Frau in Tokio Radsportler für die Olympischen Spiele vorbereiten. Auch im paralympischen Sport macht er sich verdient: Pieniazek ist Coach des mit Goldmedaillen bedachten polnischen Nationalteams im „Paracycling“, wie der Radrennsport für eingeschränkte Sportler genannt wird.

Die meisten Radfahrer haben das Problem, dass in ihren Ländern in den vergangenen Monaten ein strenger Lockdown herrschte, also auch kein Training auf den Straßen oder im Gebirge möglich war. Dennoch sei ein Coaching per Video möglich, so Pieniazek.

Seine Teams nutzen zudem ein modernes amerikanisches Messsystem, das die Daten bei jedem Training aufzeichnet und zur Leistungssteigerung Trainingspläne erstellt, die man über eine Webseite abrufen kann. Pieniazek: „Die anstehende Tour de France Ende August wird in diesem Jahr so spannend wie nie, denn da sehen wir, wie sich der Verlust der normalen Trainingsmonate auf die Leistung ausgewirkt hat.“

(aus MM 26/2020)