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Es ist ein Termin von bedeutungsschwangerer Tiefe. Dass die Gäste an diesem Sonntag, 24. April, auf der Basis der spanischen Luftwaffe in Pollença in feinem Zwirn unterwegs sind, überrascht den MM-Abgesandten denn auch nicht.

175 Zivilisten sind gekommen, um mit einem Kuss auf die Fahne unverbrüchliche Verbundenheit mit ihrem Vaterland zu bekunden. Erschienen sind zudem mehr als 100 Verwandte, die dem Eid auf die Nationalfarben – „jura de bandera” heißt er – von einer Tribüne aus beiwohnen sollen.

Die Teilnehmer in edlem, schwarzem Zwirn schritten einzeln zur Fahne und küssten die spanischen Nationalfarben emotionsgeladen. Fotos: Ingo Thor

Auf der 1937 auf Initiative des Flugpioniers Ramón Franco, dem Bruder des späteren Diktators, ausgebauten und im Spanischen Bürgerkrieg auch von Angehörigen der deutschen Legion Condor genutzten Anlage wurde extra der Springbrunnen angeschaltet. An einem Tag wie diesem soll halt der Blick auf die berühmte Bucht noch heimeliger sein. „Ich mache das, um die Einheit Spaniens zu untermauern”, sagt José. In seinen Augen sind ansatzweise Tränen zu erkennen, während er entrückt im schwarzen Anzug auf das tiefblaue Meer hinter der riesigen Betonfläche blickt, wo normalerweise mehrere Löschflugzeuge vom Typ Canadair CL-215 stationiert sind.

Als das Spektakel mit dem Aufmarsch paradierender Soldaten seinen Anfang nimmt, sitzt José wie alle anderen, die schwören wollen, in einem abgegrenzten Bereich im Publikum. Alle Teilnehmer – sie zählen 18 bis 83 Jahre – sind mit einem kleinen spanischen Fähnchen am Revers erschienen.

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Bei einem steifen Wind aus dem Nordwesten und brennender Sonne blicken sie auf die Musikkapelle, die unter anderem die Nationalhymne und das Lied der Luftwaffe so laut schmettert, dass man die Töne im angrenzenden Illa-d’Or-Hotel und auf der Festung Sa Fortalesa hören dürfte. Manch einer der Fahnen-Schwörer nimmt angesichts der erhabenen Szenerie Haltung an.

Zwischendurch erschallen knapp und schneidend formulierte Befehle und kurze klangvolle Trompetenstöße. Standortkommandant Oberst Carlos Pérez Salguero und Luftwaffenchef General José Ángel Troceño García wohnen dem „acto”, umgeben von Kommandeuren unter anderem der Guardia Civil, bewegungslos wie Salzsäulen bei. Nicht nur einmal erschallt der Ruf „¡Viva España!”

Das Ereignis ist in zweierlei Hinsicht ein denkwürdiges: Zum einen wurde seit den 1950er Jahren kein Fahneneid mehr auf dieser Basis geleistet. Zum anderen war diese Prozedur früher nur Angehörigen der Streitkräfte vorbehalten, nicht aber Zivilisten.

Und so wabert ein ungewöhnliches Pathos über der Basis, als die Bürger hintereinander auf die Fahne zuschreiten und sie küssen. Dann rauschen ein Wasserflugzeug und ein Helikopter im Tiefflug über die Anwesenden, um der Zeremonie noch mehr Bedeutung zu verleihen.

Die Militärbasis wurde 1934 errichtet und 1937 erweitert.

Beim anschließenden Mittagessen im Stehen, bei Empanadas, Wein, gebackenen Garnelen und würziger mallorquinischer Coca-Pizza im Hangar, weichen Steifheit und Welternst rasch einer gewissen Geselligkeit. Diese wiederum macht brennender Neugier, ja Aufgeregtheit Platz, als die noch vor einigen Minuten tief fliegende CL-215 fast majestätisch auf dem Wasser landet und anschließend die abschüssige Zementplattform langsam aufwärts rollt. Der Tag des großen Eides ist halt in jeder Hinsicht erfüllend.