Juan Miguel Ferrer will die Playa de Palma kräftig umkrempeln. | P. Bota/P. Lozano

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Mallorca Magazin: Herr Ferrer, zu Beginn der Saison haben Sie auf einer Pressekonferenz an der Playa de Palma davon gesprochen, dass ein neuer Typus des High-End-Touristen nach Mallorca komme. Was ist Ihre heutige Position dazu?
Juan Miguel Ferrer: Nach der zweijährigen Pause bedingt durch die Corona-Pandemie war es klar, dass der Exzesstourimsus wieder auf die Insel kommen würde. Es ist ja auch durchaus verständlich, dass die Leute wieder Lust haben, zu feiern. Nur hat das Ausmaß an Urlaubern und Ausschweifungen unsere Erwartungen komplett übertroffen.

MM: Hat sich diese Zone des sogenannten „Ballermanns” im Laufe der Zeit negativ gewandelt?
Ferrer: Ja, leider steht allein das Wort „Ballermann” für eine primitive Art der Sommersause. Die Frauen kommen ja nicht in einem eleganten Cocktail-Kleid hierher, oder gar im Flower-Power-Hippie-Look. Allein schon die Kleidung ist rudimentär, sie tragen Fußballtrikots und Badelatschen. Die Playa de Palma ist zu einem kleinen Las Vegas von Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen Ländern geworden.

MM: War das früher anders?
Ferrer: Dieser Wandel zum Negativen hat sich erst in den vergangenen zehn bis 15 Jahren vollzogen. Ich bin hier aufgewachsen und kann mich daran erinnern, dass in den 70er und 80er Jahren die Touristen mit anderen Urlaubszielen nach Mallorca reisten. Es gab Gruppen, die kamen zum Frühschoppen und zum Tennisspielen. Diese Negativspirale, die ich beobachte, fand ihren Höhepunkt in dem Vorfall mit den Kegelbrüdern und dem Brand der beiden Lokale im Mai dieses Jahres, ob sie nun schuldig gesprochen werden oder nicht. Das sind alles Nebenwirkungen des Exzesstourismus.

MM: Also ein Luxus-Reiseziel wird die Playa de Palma dann nicht mehr werden? Haben Sie nicht den Vorschlag gemacht, dass man sich an Orten wie Cannes, Miami oder Tel Aviv orientieren sollte?
Ferrer: Dieses schlimme Stigma des „Ballermann” ist hier noch allgegenwärtig und in den Köpfen der Menschen sitzt es fest, dass wir der Party-strand der Deutschen sind. Doch wir könnten uns definitiv zu einem Ort wie Cannes oder Mykonos entwickeln, wo High-End-Tourismus geboten wird. Beispielsweise haben wir dieselben mediterranen und klimatischen Gegebenheiten wie Mykonos, und eigentlich sogar dreimal so schöne Strände. Dort wird ein Lifestyle-Gefühl verkauft. Hier könnten wir dieselben Bedingungen für Urlauber schaffen, die Frage ist nur: Wie? Es gibt zwar auch High-End-Touristen auf der Insel, doch sind diese eher in Port d’Andratx und Puerto Portals angesiedelt oder ziehen sich auf ihre Yachten und Fincas zurück. Am „Ballermann” findet sich eher die Mittelschicht wieder.

MM: Auch die Nachbarschaftsvereinigung von s’Arenal und der Playa de Palma beschwert sich über die Zustände.
Ferrer: Ja, selbstverständlich. Es geht hier in Zukunft darum, eine Art des Tourismus und Feierns zu etablieren, bei dem die Nachbarn nicht gestört werden, niemand um drei Uhr morgens durch Megafone brüllt, oder um 10 Uhr morgens betrunken herumtorkelt und auf öffentliche Plätze uriniert. Das ist alles ein asoziales Verhalten, was andere, „normale” Urlauber abstößt. Die Behörden haben in dieser Saison komplett die Kontrolle über die Playa de Palma verloren.

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MM: Was ist die Lösung? Ein höheres Polizeiaufgebot?
Ferrer:Auch 100 Polizisten zusätzlich hätten womöglich keinen Unterschied gemacht, sondern die Situation möglicherweise noch verschlimmert.

MM: Hat die Politik in dem Fall versagt, für Ordnung und ein gesittetes Verhalten an der Playa de Palma zu sorgen?
Ferrer: Die Politiker zeigen einen guten Willen. Doch seit Jahren wird nur geredet und kaum gehandelt. Wobei die Balearen-Regierung und der Tourismusminister in manchen Punkten mehr Initiative zeigten als der Bürgermeister von Palma.

Juan Miguel Ferrer will die Playa de Palma kräftig umkrempeln.

MM: Funktionieren eigentlich die strengeren Gesetze zum Alkohol-Konsum? Und was ist aus dem Ethik-Kodex von „Abone” geworden?
Ferrer: Bei vielen ist nur eine oberflächliche Bereitschaft da, etwas anders machen zu wollen. Letztendlich sind diese Mechanismen des Geschäftes mit dem Tourismus so stark, dass es schwer ist, etwas zu verändern – es herrscht ein Opportunismus vor, statt kreativ neue Angebote zu schaffen. Das schnelle Geld lockt, und so macht man routiniert immer wieder dasselbe. Das ist alleine bei den über Hundert Souvenir-Geschäften oder Imbissbuden mit derselben Ware und den gleichen Curry-Würsten zu sehen. Auch bei der Musik herrscht eine Mono-Kultur im Schlager-Bereich vor. Das Feiern und das Open-Air-Feeling sollen ja nicht verschwinden. Jedoch ist es momentan so, dass diese Trinkgelage, die 20 Prozent ausmachen, alles andere überlagern und zerstören. Wir brauchen eine nachhaltige Playa de Palma, etwa einen „Ballermann 2.0”.

MM: Was genau ist mit dem Begriff „Ballermann 2.0” gemeint?
Ferrer: Ich habe eine Evolution des „Ballermanns” vor Augen, in dessen Diskotheken noch andere Musikgenres gespielt werden, zum Beispiel elektronische Musik. Oder dass Besucher ein diverses Angebot an Clubs, Konzerten, E-Bike-Verleihern vorfinden. Und dass sie zwischen den besten Stränden, Hotels und hochwertigen Restaurants wählen können. Auch der Transport zum Flughafen muss verbessert werden. Mit Palma Beach fahren wir weiter unseren „Qualitäts-Kurs”. Doch für einen kompletten Wandel der Playa de Palma müssen alle, auch die Politiker und Gastronomen, an einem Strang ziehen. In seiner jetzigen Form wird der „Ballermann” nur noch sehr wenige Jahre Bestand haben.

MM: Der „Ballermann” feiert ja in diesem Jahr auch seinen 50. Geburtstag, richtig?
Ferrer: Das stimmt nicht ganz. Zwar haben wir diese Form des Feierns der Deutschen seit bestimmt über 50 Jahren gesehen. Meine Familie hat 1979 die „Bierstraße” gegründet, und da hat niemand vom „Ballermann” gesprochen. Und als Kind bin ich die Carrer Pare Bartomeu Salvà, die heute als „Schinkenstraße” bekannt ist, zur Schule gefahren, als es dort noch keine Lokale und Etablissements gab. Das Wort „Ballermann” hat sich als Wortneuschöpfung erst frühestens im Jahr 1984 eingebürgert – und zwar von Deutschen, die das spanische „Balneario” nicht aussprechen konnten.

Mit Juan Miguel Ferrer sprach MM-Redakteur Dominik Sarota