Der damalige Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth bei seiner Festnahme im Juli 2013 in Palma. Auf seiner Wade ist die Tätowierung "Mallorca" zu sehen. | Alejandro Sepúlveda

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Der amerikanische Journalist Hunter Stockton Thompson konnte sich seiner Faszination von den Hells Angels in Kalifornien nicht entziehen und schrieb in seinem 1967 erschienen Insiderbericht: „Der harte Kern, die Outlaw-Elite, das waren die Hell’s Angels. Sie trugen einen geflügelten Totenkopf hinten auf ihren ärmellosen Jacken, und sie setzten ihre Mamas hinter sich auf die Chopped Hogs.” Der Kontrast zu den Anfängen der berüchtigtsten Motorradgang der Welt, ihrer damals gepflegten Arroganz und dem Lebensgefühl von „Titten, Technik, Tattoos, Testosteron”, zu dem, was die Rockerbande heute samt ihrer dubiosen Machenschaften verkörpert, scheint beträchtlich zu sein. Das jedenfalls lässt der Fall des Hells-Angels-Bosses Frank Hanebuth vermuten.

Dem berüchtigten 58-jährigen Rockerchef sowie anderen mutmaßlichen Helfern der Hells Angels werden unter anderem Drogenhandel und Zuhälterei vorgeworfen. Knapp zehn Jahre nach seiner Festnahme im Juli 2013 bei einer spektakulären Razzia im Dorf Lloret de Vistalegre in der Inselmitte muss sich Hanebuth in Madrid vor Gericht verantworten. Damals wurden auch 23 weitere mutmaßlichen Motorrad-Rocker verhaftet, wobei es sich vorwiegend um Deutsche handelte, doch waren auch Türken, Luxemburger und Spanier darunter.

Der Gruppe wird vorgeworfen, an der Playa de Palma zwischen 2009 und 2013 zahlreiche Straftaten begangen zu haben. In dem offiziellen Bericht des Madrider Ermittlungsgerichts von 2018, der dem Mallorca Magazin vorliegt, werden auf 58 Seiten die Strukturen der Rockerbande und ihre Aktivitäten auf der Baleareninsel dargelegt. Von einer „kriminellen Vereinigung” ist hier die Rede, deren Mitglieder in Zusammenhang mit Prostitution, Drogenhandel, dem Tragen von und Handel mit Waffen, Erpressung bis hin zu Mord stünden. Zudem würden sich die Hells Angels als perfekt strukturierte Organisation mit einer internen Kontrolle, einem stark hierarchischem Charakter und einer eisernen Disziplin ihrer Mitglieder auszeichnen.

Am 23. Januar könnte es nun vor dem Gerichtshof Audienca Nacional in der spanischen Hauptstadt für Hanebuth ernst werden. Die Staatsanwaltschaft fordert für den Ex-Rockerboss und seine Komplizen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fast 300 Jahren – für Hanebuth könnte das im Falle einer Verurteilung 13 Jahre Haft bedeuten. Insgesamt 15 Verhandlungstage sind bis zum 10. Februar 2023 angesetzt, wobei sich auch 47 weitere Mitangeklagte vor der Justiz verantworten müssen.

Frank Hanebuth, der vor Gericht von der spanischen Rechtsanwältin Ana Madera verteidigt wird, bestritt von Beginn an die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Prof. Dr. Michael Nagel, der ihn zudem als deutscher Verteidiger begleitet, sagte diesbezüglich auf MM-Anfrage: „Die Anklage ist dünn und trägt die Vorwürfe aus meiner Sicht nicht. Meiner Auffassung nach stehen die Chancen für einen Freispruch gut.”

Als Frank Hanebuth bei seiner Verhaftung 2013 die Handschellen angelegt bekam, soll er mit erstaunlicher Kaltblütigkeit reagiert haben. Auf dem Weg zum Gerichtsgebäude in Palma bezeichnete er seine Situation Reportern gegenüber scherzhaft als „Urlaubsverlängerung”. Über seinen damaligen Anwalt ließ der einstige Hannoveraner Bordellbetreiber zu dem Zeitpunkt ausrichten: „Ich vertraue der spanischen Justiz. Wir warten jetzt die Akteneinsicht ab. Ich habe mir aber nichts zuschulden kommen lassen, deshalb habe ich nichts zu befürchten.”

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Nach seiner Festnahme saß Hanebuth bereits zwei Jahre in Untersuchungshaft in einem Gefängnis im südspanischen Cádiz ein, in das nur Schwerverbrecher und Terroristen kommen. Gegen eine Kaution von 60.000 Euro wurde er im Juli 2015 entlassen. Danach kehrte er wieder nach Mallorca zurück. Hier hieß es für ihn zunächst Fahrradfahren, anstatt auf einer schweren Harley Davidson zu sitzen, da ihm während seiner Haft der Führerschein entzogen worden war. Aufgrund strenger Sicherheitsauflagen musste er sich täglich bei der Polizei melden. Erst 2017 durfte er Spanien verlassen und kehrte nach Deutschland zurück.

Überhaupt ist der 1,96 Meter große und 130 Kilogramm schwere Hells-Angels-Boss stark mit der Baleareninsel verbunden. Als Zeichen hierfür hat sich der muskelbepackte Hanebuth eine Tätowierung mit dem Wort „Mallorca” in roten Großbuchstaben in den Unterschenkel stechen lassen.

Den Ermittlern zufolge versuchten die Hells Angels ihre Geschäfte auf der Insel vorwiegend auf die Playa de Palma zu konzentrieren und am sogenannten „Ballermann” ihre Macht auszubauen. Bereits 2009 hatte der Rockerclub hier ein eigenes Chapter gegründet. Doch spätestens 2012, mit der Auflösung der Hells Angels in Hannover, der damals mächtigsten Motorradgang Deutschlands, wurde Mallorca zu ihrem neuen Dreh- und Angelpunkt.

Die Hells Angels und Frank Hanebuth sollen auf der Insel ein Leben in Saus und Braus geführt und mit zwielichtigen Geschäften finanziert haben, so die Vorwürfe. Sie seien in ein Geflecht aus Bordellen, Prostitution und Geldwäsche verwickelt gewesen. Hanebuth habe sich auch unternehmerisch engagieren wollen. Spanischen Medien zufolge wollte er sogar das Partylokal „Bierkönig” kaufen und mit Schwarzgeld eine Formel-1-Strecke auf der Insel bauen. Heute ist von den Aktivitäten der berüchtigten Rockerbande nichts mehr zu spüren.

Ein weiteres Projekt Hanebuths an der Playa de Palma war ein Boxstudio, in dem auch Kampfsportarten wie Kick- und Thaiboxen praktiziert wurden. Doch auch der „Powerhouse Fight Club” ist mittlerweile seit zwei Jahren geschlossen. Im Stadtteil Porto Pi, wo die Hells Angels an einem Bordell beteiligt gewesen sein sollen, sagte der Kellner eines benachbarten Cafés: „Ja, ich erinnere mich an diese Razzia vor zehn Jahren in dem Bordell. Da war viel los.”

Auch das ehemalige Pizzeria-Restaurant Casablanca, ein früherer Treffpunkt der mallorquinischen Rockerbande in El Arenal, existiert nicht mehr. Es hatte Pate gestanden für den Namen der damaligen „Operation Casablanca” der Guardia Civil und der Kriminalpolizei, die zur Verhaftung Hanebuths und seiner Rockerbande führte. Der Inhaber eines Lokals in unmittelbarer Nähe sagte MM hinter vorgehaltener Hand: „Ja, es war hier zwei Häuser weiter, wo sich das mit der Rockerbande abspielte.”