Der Maskenball im "Maskenball”, 3. Akt.

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Verdi hat wie kaum ein anderer das wahre Leben auf die Opernbühne gebracht: Liebespaare, Machthungrige, Einzelgänger, Versager und Helden. Viele seiner 28 Opern sind wie psychologisch klug konstruierte Gesellschaftsromane. Wie seinerzeit Gluck stellte er die Musik ganz in den Dienst des Dramas, für das ihm als Vorlage literarische Größen wie Shakespeare oder Schiller gerade gut genug waren.

Im „Maskenball“ war es immerhin noch der französische Dramatiker Eugène Scribe, nach dessen Stück „Gustave III ou le bal masqué“ ihm Antonio Somma ein Libretto schrieb. Ein Königsmord in Europa missfiel der Zensurbehörde der Bourbonen, sodass die Handlung ins ferne Boston verlegt werden musste. In dieser Version erlebte der „Maskenball“ schließlich am 17. Februar 1859 in Rom seine Uraufführung. Und sie war auch Grundlage der Coproduktion des Teatro Regio di Parma und des Auditorio de Tenerife, die am vergangenen Samstag im Teatre Principal in Palma Premiere hatte.

Man hatte ein mehr als repräsentables Sängerensemble aufgeboten: den italienischen Tenor Antonio Corianó (mit Verdi-Erfahrung in Nabucco, La Traviata, Il Trovatore, unter Dirigenten wie Gianluigi Gelmetti oder Valery Gergijew) als Riccardo; Oksana Sekerina als Amelia; Alisa Kolosova, die unter Dirigenten wie Zagrosek und Gardiner reüssiert hatte, als Hexe UIrica; den Bariton Krassen Karagiozov, ebenfalls Verdi-erfahren, als Renato. Von ihnen allen durfte man Großes erwarten. (Und bekam es auch.)

Eine fast sensationelle Neuentdeckung war dagegen die junge Sopranistin Mercedes Darder, geboren 1993 in Palma. Für die Hosenrolle des Pagen Oscar ist sie wie gemacht: mit ihrer jugendlichen Stimme verlieh sie der Rolle den bisweilen schalkhaften Charme, den Verdi ihr in die Partitur geschrieben hatte und meisterte auch die in dieser Oper sonst eher seltene Stimmbandakrobatik mit Bravour. (Verdi war kein Freund des Belcanto-Hochleistungsgezwitschers, wie es bei Bellini, Donizetti und Rossini die Ohren des Publikums kitzelt!) Ihre Vita – soweit sie Eingang ins Programmheft fand – weist noch wenige große Partien auf. Aber Cherubino („Figaro“), Octavian im „Rosenkavalier“ oder, später, der Champagnerflaschen werfende Graf Orlofsky in der „Fledermaus“ können ja noch kommen. Man wünscht ihr solche Rollen jedenfalls, sie wären eine Bereicherung für die Opernszene. An diesem Abend wurde sie beim Schlussapplaus überaus herzlich bedacht. Zu Recht.

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Auch wenn bei Verdi Musik nie von äußerlichen Bravoureffekten lebt, so hatte er doch ein untrügliches Gespür dafür, was „ankommt“: ob es betörende Melodien, wie er sie beispielsweise für Riccardos große Arien schrieb, oder die Aktschlüsse sind – das Publikum kommt immer auch „kulinarisch“ auf seine Kosten und quittiert solche Leckerbissen mit dem gebührenden Applaus.

Für das Bühnenbild dieser Inszenierung griff die erfolgsverwöhnte italienische Regisseurin Marina Bianchi auf die Gestaltung einer Aufführung von 1913(!) zum hundertsten Geburtstag des Komponisten zurück. Dieses historische Ambiente setzte einer allzu „modernen“ Personenführung zwar Grenzen, dennoch ist die Choreografie beispielsweise der großen „Show“, die die vermeintliche Hexe Ulrica vor ihren Gefolgsleuten im ersten Akt abzieht, in ihrer psychologischen Deutung durchaus zeitgemäß: Verdi ist auch szenisch im 21. Jahrhundert angekommen.

Bianchi schrieb im Programmheft, in ihrer Arbeit stünden immer die Darsteller im Mittelpunkt. So konnten Riccardo und Amelie zum Beispiel in ihrem – musikalisch betörend schönen – Liebesduett im zweiten Akt geradezu so etwas wie Magie auf die Bühne zaubern, die ihnen für diesen Moment allein gehörte; nichts war da, was ablenkte.

Für den Showdown am Ende des dritten Aktes, dem Maskenball im „Maskenball“, zog sie noch einmal alle Register, sowohl choreografisch als auch bei den Kostümen. So war der Schlussapplaus im ausverkauften Theater geradezu vorprogrammiert. Er galt selbstverständlich auch dem an diesem Abend glänzend aufgelegten Orchester, den Balearen-Sinfonikern, und dem Dirigenten Andrea Sanguinetti.

Die Inszenierung hat an diesem Montag, 28. Februar, sowie am 2. März weitere Aufführungen.