Der Katalanische Atlas von 1375 ist der Ausgangspunkt der Ausstellung. Gezeigt wird aber nicht das Original aus Paris, sondern ein Faksimile aus der Spanischen Nationalbibliothek. | Bibliothèque Nationale de France

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Eine Weltkarte sollte es sein. Der Infant und spätere König Juan I. von Aragón schenkte sie im November 1381 dem gerade mal zwölfjährigen König Karl VI. von Frankreich. Dieser sogenannte Katalanische Weltatlas aus dem Jahr 1375 gilt als eines der bedeutendsten kartografischen Werke des Mittelalters. Er ist die erste Karte mit Windrose und der erste Atlas, in dem die geografischen Erkenntnisse Marco Polos eingeflossen waren. Als Autor gilt der jüdische Kartograf Cresques Abraham, der von 1325 bis 1387 auf Mallorca lebte.

Der Katalanische Atlas ist Ausgangspunkt einer Ausstellung im Museum Es Baluard in Palma, die am Donnerstag, 2. Februar, um 19 Uhr eröffnet wird. Gezeigt wird in Palma allerdings nur ein Faksimile aus der spanischen Nationalbibliothek – das Original befindet sich in der französischen Nationalbibliothek.

"Sin rumbo. Confrontar el Imago Mundi" (Ziellos. Das Weltbild konfrontieren), lautet der Titel der Schau, bei der es nicht um die Kunst mittelalterlicher Kartenmalerei geht. Dabei ist der Katalanische Atlas durchaus betrachtenswert: Die Kontinente werden durch die verschiedenen Länder mit den Figuren ihrer Führer, Flaggen und Bannern dargestellt, darüber hinaus finden sich biblische und historische Szenen und Tiere, die für jeden Kontinent repräsentativ sind.

Eben dieses Bild der Welt wird anderen Bildern 42 zeitgenössischer Künstler gegenübergestellt, von Joan Miró und Robert Motherwell bis Andrea Büttner und Iman Issa. Die Werke stammen aus dem Fundus des Es Baluard, ergänzt durch Leihgaben aus Privatsammlungen der Insel. Unter dem Aspekt der Darstellung und Projektion der Welt will Kurator Agustin Pérez Rubio die Museumssammlung einer neuen Lesart unterziehen.

Stellt sich die Frage, was es mit ihr auf sich hat. Folgt man der Ausstellungsankündigung, dann gründet sie „auf der Vorstellung von Desorientierung und Dislokation als Strategien, die bewusst eingesetzt werden, um die Konstruktion der Geschichte der Menschheit und die überlieferten Darstellungen des Weltbildes zu demontieren”.

Das Konzept ist radikal. Entsprechend dem herrschenden akademischen Identitätsdiskurs ist die Rede davon, "die koloniale, imperiale, rassistische und sexistische Matrix des eurozentrischen Denkens nicht länger zu verewigen und aus unseren schriftlichen Konzepten und Bildern zu tilgen".

Zur Strategie dieses Lernprozesses gehöre es, "sich zu verirren, nicht in eine konkrete Richtung zu kommen". Diese Ziellosigkeit solle „das Schiff des Wissens und der Überzeugungen” von der Vertreibung der Araber und Juden aus Spanien über die Eroberung Amerikas, die neue Weltwirtschaftsordnung und die Aufklärung in Richtung einer größeren Rationalität führen – einem vernunftbasierten Denken und Handeln, das zusammen mit dem Empirismus andere Formen des Glaubens und des Verständnisses der Welt hinter sich ließ, um eine eindeutige Form anzunehmen.

Im Rahmen dieser Reise soll auch hinterfragt werden, was etwa das Künstlerische eines Objekts oder Kunstwerks ausmacht, welche Funktion Kunst heute in Museen oder gar als Teil von Plünderung und Gewalt hat. Und weiter gefasst, welche Mechanismen bis heute die globalen sozialen und politischen Ungleichheiten des – identitätspolitisch ausgedrückt – „kolonialen cisheteropatriarchalen Regimes” aufrechterhalten.