Peter Keglevic: Ausgezeichnet mit dem Grimme- sowie mit dem Deutschen und Bayerischen Fernsehpreis. Foto: Katharina Kehlig CULTURA BREUNINGER | kk

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Ostersonntag 1945. In Berchtesgaden wird zum 13. Mal "Wir laufen für den Führer" gestartet: Tausend Kilometer in 20 Etappen durch das Tausendjährige Reich. Der Sieger darf Adolf Hitler am 20. April persönlich zum Geburtstag gratulieren. Dank Leni Riefenstahl, die den großen Durchhaltefilm drehen soll, wird der untergetauchte Jude Harry Freudenthal, der sich als Paul Renner ausgibt, zum "Mitläufer" und entrinnt so seinen Hä-schern. Der irrwitzige Lauf nach Berlin führt Harry bis in den Führerbunker, wo er Geschichte schreibt.

So lässt sich knapp der Roman "Ich war Hitlers Trauzeuge" zusammenfassen, der 2017 bei Knaus erschienen ist. Geschrieben hat ihn der renommierte Filmregisseur Peter Keglevic. Der in Potsdam lebende gebürtige Salzburger erzählt mit großer Lust am‎ historischen Detail und Sinn fürs Absurde die Lebensgeschichte eines Juden, dessen Schicksal aufs Engste mit dem von Adolf Hitler verbunden ist. Am Sonntag, 24. März, wird Keglevic in Can Gats in Llucmajor aus seinem Werk lesen. Das Vergnügen beginnt um 12 Uhr, der Eintritt beträgt 40 Euro, Imbiss und Getränke inbegriffen. Die Teilnahme ist nur mit Anmeldung (E-Mail:iflohr.santanyi@gmail.com oder +34 690 218709) möglich.

Mallorca Magazin: Herr Keglevic, was verschlägt Sie zu einer Lesung auf Mallorca?

Peter Keglevic: Die Gastgeber sind Susanne und Karl Kases, und mit Karl Kases verbindet mich seit einem halben Leben eine Bekanntschaft bis Freundschaft. Wir kommen beide aus demselben Beruf, Regie und Kamera, und beide sind wir Österreicher. Meine Frau und ich sind regelmäßig auf Mallorca und so war es naheliegend, dass wir uns da immer wieder getroffen haben. Susanne und Karl wussten, dass ich neben meiner Tätigkeit als Regisseur und Drehbuchautor zwei Romane veröffentlicht habe und jetzt den dritten schreibe, und so hat sich das ergeben.

MM:Wie kamen Sie auf die Idee, einen untergetauchten Juden im Dritten Reich auf einen "Lauf für den Führer" zu schicken und ihn zu Hitlers Trauzeugen werden zu lassen?

Keglevic: Während einer Dreharbeit in New York entdeckte ich in einem merkwürdigen Gebäude einen 80-jährigen Mann, der ganz arm lebte und dem wohl das Haus gehörte. Wie sich herausstellte, war er ein polnischer Jude. Die Verwaltung erzählte mir, dass er jeden Tag und bei jedem Wetter 15 Kilometer zum Central Park laufe und wieder zurück. Warum lief dieser Mann? In Berlin habe ich dann von dem neuseeländischen Läufer Lovelock erfahren, der bei den Olympischen Spielen 1936 sensationell die 1500 Meter gewann. Leni Riefenstahl zeichnete diesen Lauf auf. Dann las ich beim Zahnarzt in einem Magazin einen Bericht über das Straßenrennen "2000 km durch Deutschland" (Das Rennen fand 1933 und 1934 statt; Anm. d. Red.). Plötzlich ergab sich ein Zusammenhang zwischen diesem polnischen Juden, dem neuseeländischen Läufer und dem Magazin-Bericht, und der Plot der Geschichte war für mich erkennbar.

MM: Sie sind ein renommierter Regisseur. Warum Roman und nicht Drehbuch?

Keglevic: Ich hatte es tatsächlich zuerst als eine Filmerzählung geschrieben. Das waren 18 Seiten. Aber jeder, dem man sie gegeben hat, sagte: Gib mir 80 Millionen, dann können wir das machen. Also, es war mit unseren Voraussetzungen im europäischen Rahmen vollkommen undenkbar. Und vor 20 Jahren, als für mich diese Geschichte entstand, waren nur andere Kategorien von Filmen machbar. Dann hat meine Agentin einem ihr befreundeten Lektor diese 18 Seiten gegeben, und der hat gesagt: "Ich möchte davon einen Roman."

MM:Wie lange haben Sie an dem Roman gearbeitet?

Keglevic: Alles in allem werden das vier oder fünf Jahre gewesen sein. Aber ich hatte immer ein, zwei Filme im Jahr dazwischen. Dann brauchte es wieder zwei bis vier Wochen, um in den Fluss zurückzukommen und in die Emotionalität der Geschichte zurückzufinden. Deshalb hat es sich über zehn, 15 Jahre gezogen, bis der Roman tatsächlich zu Ende war.

MM: Bei der Verflechtung von Fik-tion und Realität kommt sogar der Regisseur Hans-Jürgen Syberberg als junger Assistent von Leni Riefenstahl vor. Hatten Sie nicht Zweifel, wie weit Sie da gehen können?

Keglevic: Die nationalsozialistischen Persönlichkeiten habe ich verwendet, weil die mit ihrer Unerträglichkeit auch genannt werden und persönlich dafür büßen müssen. Bei Syberberg, den ich als Regisseur sehr bewundere, war es eher eine Liebeserklärung. Beim Einlauf in Bayreuth treffen die befeindenden Leni Riefenstahl und Winifred Wagner aufeinander. Sie zanken sich um Syberberg und Winifred sagt zur Riefenstahl, er sehe aus wie ein Zwölfjähriger. Syberberg war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in diesem Alter. Seine Hauptfilme waren über Hitler und Winifred Wagner. Um das zu erklären, habe ich ihm angedichtet, dass er von früh an ein Zeuge ist, um später darüber auch Filme machen zu können. Ich lasse ihn auch beim Einlauf in Berlin die ruckfreie Kamera erfinden, die erste Steadycam, wie wir heute sagen. Solche Sachen machen unglaublich viel Spaß, während das mit den Nazi-Größen eher keinen Spaß gemacht hat.

MM: Also eine Arbeit mit gemischten Gefühlen?

Keglevic: Das eine ist, einen Schelmenroman zu schreiben und sich über das Entsetzliche Luft zu machen, damit einem das Lachen dann aber auch wieder einfriert. Und das andere ist die Rekonstruktion einer schrecklichen Gesellschaft und einer schrecklichen Zeit von Nürnberg bis Plauen. Wir wundern uns ja immer, dass die AfD im Osten Deutschlands so stark ist. Es ist merkwürdig, dass dort damals auch die ersten 80 oder 90 Prozent nationalsozialistisch gewählt und schon weit vor 1933 Theateraufführungen blockiert haben, weil ein Jude das Libretto geschrieben hatte. Die waren immer schon weit vorne. Ich wusste ja nicht, dass das so extrem ist. Das zu rekonstruieren und recherchieren, ist sehr beklemmend gewesen. Und das ist es bis jetzt, wo wir darüber reden.

MM: In dem Roman haben Sie einem schwarzen US-Fallschirmspringer den Spitznamen Roy Black verpasst, den Künstlernamen eines bekannten deutschen Schlagersängers. Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen?

Keglevic: Die Schwarzen, die bei der Army waren, wurden von den Weißen generell "Blacky" genannt. Und Roy ist ja ein geläufiger Vorname. Es war inklusive meines Films (für den Fernsehfilm "Du bist nicht allein - Die Roy Black Story" wurde Peter Keglevic 1997 von RTL mit dem Goldenen Löwen für die beste Regie ausgezeichnet; Anm. d. Red.) natürlich sehr verlockend, diese beiden Eigenheiten zu verwenden.

MM: Wie oft mussten Sie beim Schreiben eigentlich lachen?

Keglevic: Man kann sich selber kitzeln, aber man muss dann nicht lachen. Es ist eine andere Form des Lachens. Man lacht ja oft, weil man von der Pointe überrascht wird. Aber wenn man selber schreibt, ist der nächste Gedanke nicht mehr so überraschend, sondern nur schlussfolgernd. Man ist eher amüsiert erleichtert, dass es kein Rohrkrepierer wird.

Das Interview führte 
Martin Breuninger