Von solchen Wachstumszahlen können andere Branchen nur träumen:
Der Bio-Boom auf Mallorca geht ungebremst weiter. Immer mehr
Landwirte verzichten zugunsten ökologischer Produktion auf Chemie,
ein immer größerer Teil der Insel wird nicht mehr konventionell
bewirtschaftet, immer mehr Bauern gewähren ihren Tieren ein
artgerechtes Leben.
Bewirtschafteten im Jahr 1991 auf Mallorca lediglich zwei
Bio-Bauern zusammen gerade einmal kümmerliche zwölf Hektar, waren
2005 genau 309 Landwirte, Züchter, Winzer, Imker und sonstige
Produzenten registriert, mit insgesamt mehr als 13.000 Hektar
Agrarfläche. 14 Jahre reichten also aus, um die Ausdehnung locker
zu vertausendfachen. Der Bio-Anteil an der gesamten
Landwirtschafts-Fläche ist auf Mallorca damit schon heute deutlich
höher als im EU-Durchschnitt. „Der Markt gibt das her”, sagt Javier
Rodríguez vom balearischen Landwirtschaftsministerium. „Die
Nachfrage wächst ungebremst weiter.” Und zwar so schnell, dass
Mallorcas Bio-Bauern sie nicht befriedigen können. Längst ist es
nicht mehr eine belächelte Minderheit, die sich in den Bio-Läden
mit Lebensmitteln eindeckt. Das Bewusstsein für gesunde Ernährung
ist kein Randphänomen mehr – spätestens seit wissenschaftliche
Untersuchungen belegen, dass Bio-Obst und Gemüse einfach gesünder
ist. Obwohl auf der Insel viele Nahrungsmittel auch mit dem
balearischen Bio-Siegel (siehe links oben) zu haben sind, werden
laut Consell Balear de Producció Agrária Ecológica (CBPAE)
weiterhin Gemüse, Obst und Fleisch aus Bio-Produktion importiert –
vom Festland oder aus anderen EU-Ländern. Die Insel verlassen
dagegen vor allem Mandeln, Getreide, Oliven und Wein, die den
Großteil der hiesigen Bio-Produktion ausmachen.
Der CBPAE ist seit 1994 die Öko-Instanz auf der Insel,
informiert Bauern und Verbraucher, bietet Fortbildungen an und
wacht darüber, dass in dem Wachstumsmarkt „Ökoprodukte” auch alles
mit rechten Dingen zugeht. Damit die Verbraucher auf einen Blick
erkennen können, wann sie es etwa mit unbehandelten Haferflocken
oder garantiert rückstandsfreiem Brotaufstrich zu tun haben, gibt
es besagtes CBPAE-Siegel.
Jaume Ramón Nadal arbeitet als Inspekteur bei der
Bio-Organisation, die zum Landwirtschaftsministerium gehört, und
fährt mit zwei Kollegen regelmäßig über Land. Jeder der 309
Produzenten mit Bio-Siegel bekommt einmal im Jahr Besuch von den
Prüfern. „Die Kontrolle ist nicht einfach”, sagt Nadal. Mehr als
ein Sicht-Check und ein Gespräch mit dem Bauern ist nicht drin.
„Wir wissen aber, worauf wir achten müssen.”
Wer etwa leere Chemie-Kanister in seinem Schuppen stehen hat
braucht schon eine gute Ausrede, um das CBPAE-Zertifikat nicht zu
verlieren. Solche Stümperfehler kommen aber selten vor. Wie oft die
Inspekteure schon im Einsatz waren, wie viele vermeintliche
Bio-Bauern schon beim Schummeln erwischt worden sind, will weder
das Landwirtschaftsministerium, noch die Bio-Organisation in Inca
verraten. „Das ist eine interne Information”, heißt es nur. Die
Geheimniskrämerei bedeute aber nicht, dass es besonders viele
Verstöße gegen die strengen Öko-Anforderungen gibt.
Ein Geheimnis ist es aber nicht: Es gibt schwarze Schafe.
Schließlich ist im Bio-Sektor mittlerweile viel Geld unterwegs. Der
Jahres-Umsatz ist auf Mallorca von 2003 bis 2005 um eine gute
Million auf 2'6 Millionen Euro gestiegen. Außerdem gibt es
Fördergelder von Europäischer Union und Inselrat. 620.000 Euro sind
so laut Landwirtschaftsministerium im vergangenen Jahr an
balearische Bio-Bauern verteilt worden. Und nicht zuletzt sind auch
die hohen Preise von Produkten mit Öko-Siegel verlockend –
erreichen sie doch bisweilen das Dreifache des Preises, den ein
konventionell hergestelltes Billigprodukt einbringt.
Und so fahren die CBPAE-Kontrolleure jetzt schwerere Geschütze
auf. Biochemische Analysen von Gemüse und Obst gibt es schon seit
einer Weile, in Zukunft soll auch Fleisch stichprobenartig auf
Rückstände von Medikamenten oder Hormonen untersucht werden.
Was alles verboten ist und wo es Ausnahmen gibt, regelt die
sogenannte „EU-Öko-Verordnung” von 1991. Genmanipulation ist
derzufolge verboten, ebenso wie chemischer Pflanzenschutz und
konventionelle Düngemittel, kranke Tiere sollen nach Möglichkeit
mit pflanzlichen und homöopathischen Medikamenten behandelt werden.
Und auch der mallorquinische Johannisbrotbaum darf nicht einfach so
in der Gegend stehen, sollen seine Früchte als ökologisch gelten.
Er muss den vorgeschriebenen Abstand halten zu seinen
konventionellen Artgenossen.
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