Eines der seltenen Porträts des größten Seefahrers aller Zeiten.

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Wo auch immer er liegt, er würde sich, wenn er nur könnte, ins Fäustchen lachen. Denn wie bereits in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten rätseln Autoren angesichts des Jahrestages der Entdeckung von Amerika an diesem Freitag, 12. Oktober, in Büchern munter weiter über die Herkunft von Christoph Kolumbus.

Der Historiker Pedro Cuesta Escudero unterstützt in seinem neuen Werk „Mallorca, patria de Colom” (Verlag Adarve) leidenschaftlich die bereits seit mehr als 45 Jahren von Gabriel Verd Martorell verbreitete These, dass der Weltentdecker nirgendwo anders als im beschaulichen Felanitx 1459 das Licht der Welt erblickte. Als unehelicher Sohn des aragonesischen Herzogs Carles de Viana, einem Bruder von König Ferdinand, soll er als Colom in einem Anwesen namens Alqueria Roja (heute: Son Ramonet) hier und nur hier das Laufen gelernt haben, und nicht 1451 in Genua als der Sohn eines Tuchhändlers namens Colombo.

Wie der Hobby-Historiker Verd ist Cuesta felsenfest davon überzeugt, dass Kolumbus Wörter wie etwa den Vornamen seiner angeblichen Mutter Margarita auf Katalanisch aussprach, also von Margalida sprach, wenn ihm der kastilische Terminus nicht einfiel. Und befindet sich bei Felanitx nicht die Wallfahrtskirche San Salvador auf dem markanten, klar im ganzen Osten von Mallorca sichtbaren Berg? Bekanntlich nannte Kolumbus die erste Bahamas-Insel Guanahani, auf die er am 12. Oktober 1492 traf, genau so.

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Legt man die katalanischen Wörter zugrunde, die Kolumbus gebraucht haben soll, so könnte der Mann auch auf Ibiza geboren worden sein. Der 86-jährige Hobby-Historiker Nito Verdera beschäftigt sich bereits seit 1962 fast wie im Rausch mit dem größten aller Admiräle. Damals war ihm, als er Seemann war, eine Biografie des spanischen Schriftstellers Salvador de Madariaga in die Hände gefallen. Christoph Kolumbus sei kein Genuese, sondern der Spross einer reichen Händler- und Politikerfamilie namens Colom gewesen, die im 15. Jahrhundert unweit der Kathedrale von Ibiza lebte, so Verdera. Es habe sich um jüdische Konvertiten gehandelt – Menschen, die sich nur durch einen Religionswechsel vor der damals von den katholischen Königen betriebenen Ausweisung aus Spanien schützen konnten.

Zu den Indizien, dass der Seefahrer aus dieser Familie stammte, zählt Verdera neben dem Namen – Colom oder Colón sind die katalanischen und spanischen Schreibweisen für „Kolumbus” – auch die Zeichensetzung in seinen Texten. Diese Interpunktion wurde seiner Überzeugung nach damals nur in der katalanischsprachigen Welt und ausschließlich von jüdischen Konvertiten benutzt. Kastilische Texte seien dagegen niemals mit diesen kommaartigen Strichen versehen gewesen.

Ob Mallorquiner oder Ibizenker, vielleicht war der epochal so bedeutende Kolumbus ja tatsächlich Genuese. Diese These vertritt ausgerechnet ein Mallorquiner, nämlich der Historiker Onofre Vaquer Bennàsar. Auch er veröffentlichte pünktlich vor dem Jahrestag ein Buch: „Cristóbal Colón. De los enigmas a las certezas” (Verlag Europa Ediciones). Vaquer studierte etwa 500 notariell beglaubigte Seefahrtsdokumente der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Sämtliche Colom-Nachnamen, die er fand, haben seiner Ansicht nach nicht das Geringste mit Mallorca zu tun. Also könne Kolumbus auf der Insel nie und nimmer geboren worden sein. Auf 400 Seiten schildert Vaquer alle möglichen Theorien, und nicht nur die von der möglichen Geburt des Entdeckers auf der Insel. Auch auf die angebliche galicische oder portugiesische Herkunft des Seefahrers geht er ein. Und auf die Annahme, dass er Nachkomme von Angehörigen des mysteriösen Templer-Ordens gewesen sei. Der Autor kann nicht anders, als die gängige Theorie von der italienischen Herkunft des Kolumbus zu bestätigen.

Wie auch in den vergangenen Jahrhunderten bleibt also unklar, woher der Mann kam, der bei den Katholischen Königen ein paar Schiffe los-eiste, um einen anderen Seeweg nach Indien zu finden. Dass er am 20. Mai 1506 verarmt in Valladolid starb, ist immerhin unstrittig. Wo aber seine Überreste liegen, ist wie auch seine Herkunft weiterhin umstritten. Liegt er nun in Sevilla oder in Santo Domingo? Oder wurde das Skelett geteilt? Im Jahr 2003 entnahmen Forscher der Universität Granada aus dem Sarkophag in der Kathedrale von Sevilla jedenfalls Gen-Proben. Veröffentlicht wurde das Ergebnis trotz wiederholter Ankündigungen durch die Verantwortlichen – zuletzt im Jahr 2017 – bis heute nicht. Zu schwierig und langwierig gestalten sich offenbar die Analysen. Das Erbgut könnte mit dem von König Ferdinand und dem des Herzogs von Viana verglichen werden und endlich Licht ins Dunkel der Herkunft bringen. Und so bleibt Christoph Kolumbus zwar eine Person der Zeitgeschichte, aber dennoch bis auf weiteres ein vollkommenes Mysterium.